Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste. Elfriede Jahn

Читать онлайн.
Название Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste
Автор произведения Elfriede Jahn
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783951981307



Скачать книгу

Derzeit ist es hier noch relativ kühl. Am heißesten wird es im Juni.“

      Doff, der an ihre Ausrüstung dachte, hatte andere Sorgen. „Wir müssen ins Gebirge?“, erkundigte er sich so zaghaft, dass Troy lachen musste.

      „Beinahe die Hälfte dieses Landes besteht aus Gebirgen, Doff. Die andere Hälfte machen Wüsten aus, doch die liegen im Süden und da kommen wir nicht hin. Unser erstes Ziel ist das Hunzatal ganz oben im Norden. Dann werden wir weitersehen.“

      „Wo liegt dieses Tal denn?“, fragte Mary.

      Troy gab bereitwillig Auskunft: „Im Karakorum sowie im Nordwesten des Himalaja.“

      „Wow!“, rief Larry, der seine Hausaufgaben gemacht hatte. „Da liegt doch der K2, hab ich recht? Das ist einer der höchsten Berge der Erde!“

      Doff schnaubte so laut, dass Troy auflachte.

      „Wir bleiben auf jedem Fall in Pakistan. Das Hunzatal ist übrigens sehr schön, sehr fruchtbar und grün. Außerdem kommen wir durch sehr alte und geheimnisvolle Wälder.“

      „Gibt es da Trolle und Waldgeister?“, fragte Doff interessiert und ignorierte Larry, der ihn in die Seite boxte.

      Troy sagte nur: „Ihr werdet vielem begegnen, was eure kühnsten Vorstellungen übertreffen wird.“

      Mit seinen abstehenden roten Haaren und der geröteten Knollennase sah Doff selbst wie ein Troll aus. „Du weißt doch genau, wo wir hinmüssen, oder?“, erkundigte er sich besorgt, aber Troy antwortete nur: „Wir werden es wissen, wenn wir im Hunzatal sind.“

      Mary versuchte vergeblich, sich zu erinnern, was ihre Eltern ihr über die geheimnisvolle Kultur der Hindus in Indien erzählt hatten. Sie fragte Troy, der bestätigend nickte.

      „Gleich morgen kommen wir an einer Ausgrabungsstelle vorüber. Der Ort, der Taxila heißt, war vor 1550 Jahren das letzte Zentrum der Induskultur. Die Menschen dieser Kultur meditierten schon vor 5500 Jahren im Yoga-Sitz. Sie waren geistige Krieger und besaßen ein großes spirituelles Wissen. Wenn sie an einen bestimmten Ort wollten, dachten sie an ihn und schon waren sie dort. Dann schloss sich das Dritte Auge der Menschen und seither können sie nur noch das sehen, was sich unmittelbar vor ihnen befindet.“

      „Warst du damals schon da?“, fragte Doff treuherzig, was ihm einen neuen Rippenstoß von Larry eintrug.

      Troy schwieg, doch Doff ließ nicht locker. Er fragte allen Ernstes, ob sie zu Fuß gehen würden. Diesmal verdrehte Larry die Augen, aber Troy erklärte geduldig, dass sie einen Wagen mieten würden, mit dem sie den größten Teil der Strecke zurücklegen könnten. „Den einen oder anderen Muskelkater wirst du schon in Kauf nehmen müssen, Doff.“

      Er versicherte ihnen, sie würden genügend Zeit haben, sich auf die Bedingungen im Gebirge einzustellen, und damit war die Fragestunde beendet. Troy hob die Hand und ihr Taxi blieb stehen.

      „Endstation“, sagte er, öffnete die Tür und half Mary beim Aussteigen.

      Während Troy den Fahrer bezahlte, sahen sich die drei überrascht um. Die lange Fahrtzeit war so rasch vergangen, und es war ihnen gar nicht aufgefallen, dass sie sich bereits in einem völlig anderen Stadtteil von Islamabad befanden.

      „Seht nur, ein Markt!“, rief Mary.

      Larry und Doff erhaschten nur einen kurzen Blick auf das bunte Gewimmel am Ende einer kleinen und engen Straße, die sich zu einem weiten Platz öffnete.

      „Den besuchen wir später“, sagte Troy und schob sie zu einem kleinen Gebäude, dessen Fensterläden zur Straße hin geschlossen waren.

      „Eine Jugendherberge“, sagte Larry und deutete auf die mehrsprachige Tafel neben der Eingangstür.

      „Ist dir das exotisch genug?“, blinzelte Mary Doff zu, nachdem sie die Eingangshalle betreten hatten.

      „Das ist Zedernholz“, flüstere Larry, der die Läden bewunderte, in die Formen geschnitzt waren, durch die das Tageslicht fiel und so Rauten und Sterne auf Wände und Boden zauberte.

      Troy unterhielt sich an der Rezeption mit einem hageren, bärtigen Mann, der einen blauen Turban trug. Er sah aus wie ein Inder, hatte aber eine Hakennase.

      „Ich glaube, er ist ein Sufi“, flüsterte Larry Doff zu, der ihn fragte, was das sei. „Ein arabischer Mystiker“, erklärte Larry leise, als der wache Blick des Mannes auf sie fiel. Er wirkte zwar freundlich, allerdings auch sehr bestimmt, und Larry verstummte.

      Troy brachte sie in den ersten Stock und wies ihnen ihre Zimmer zu. Mary und er selbst hatten je eines für sich, Larry und Doff schliefen in einem Raum. Zu ihrer Erleichterung sahen sie, dass die Fenster ihrer Zimmer auf einen kleinen, schattigen Innenhof hinausgingen. In den kleinen Räumen, in denen es nur Holzbetten, einen Tisch, zwei Sessel und ein Waschbecken gab, war es angenehm kühl.

      „Ihr seid bestimmt hungrig“, sagte Troy. „Ruht euch eine Stunde aus und dann essen wir einen Happen und gehen anschließend auf den Markt.“

      Damit waren alle einverstanden, besonders Doff, dem schon jetzt der Magen knurrte, aber sie waren auch sehr erschöpft und so versanken die drei Freunde schon bald in einen kurzen Schlaf, der jedem einen Traum schenkte.

      Mary träumte von ihren Eltern. Sie waren lebendig und wieder doch nicht und sahen genauso aus, wie sie sie in Erinnerung hatte. Hand in Hand kamen sie auf Mary zu, die auf einer Waldlichtung stand. Es war kein gewöhnlicher Wald, denn jeder dieser Bäume hatte ein Gesicht, das ihr zulächelte. Eine leichte Brise ließ ihre Zweige tanzen, wodurch ihr die Blätter zuwinkten. Marys Mutter lächelte. In der Hand hielt sie ein Kästchen, das sie Mary reichte.

      „Darin befindet sich ein Schlüssel“, hörte sie ihren Vater sagen.

      „Du darfst ihn erst verwenden, wenn du weißt, wofür der Schüssel ist“, sagte ihre Mutter und strich Mary zärtlich übers Haar.

      Dann verschwanden ihre Eltern und der Wald war ebenfalls nicht mehr zu sehen. Mary blieb allein mit dem Kästchen zurück, das sie an ihr Herz drückte, worin sie es in Gedanken verwahrte.

      Auch Larry träumte von einem Wald, in dem er etwas suchte, es jedoch nicht fand. Er kam an großen, mit Moos bewachsenen Steinen vorüber, die ihm etwas in einer Sprache sagen wollten, die er nicht verstand. Einmal glaubte er, in einem Schatten seine Mutter zu erkennen. Sie öffnete den Mund und rief etwas, aber ein starker Wind verwehte ihre Worte. Larry war sich nicht sicher, ob seine Mutter lachte oder weinte. Er hatte das Bedürfnis, sie zu trösten.

      Hinter ihm raschelte es. Aus einem Dornbusch trat ein sehr alter Mann mit einem sehr langen, weißen Bart, der ihm zuwinkte und ihm bedeutete, ihm zu folgen. Larry gehorchte und fand sich in einer Höhle wieder, in der große Kristalle von der Decke herabwuchsen. Der Alte hockte sich auf den Boden.

      „Du bist jetzt mein Schüler“, sagte er und Larry setzte sich zu ihm und lauschte seinen weisen Worten.

      Und Doff träumte, dass sich eine Fee auf seiner Nasenspitze niedergelassen hatte, die ihn an den Ohren kitzelte. Er lag auf dem Rücken im Gras und konnte sich nicht bewegen. Das war schlimm für ihn, weil vor seiner Nase eine Marzipanpraline baumelte, die ein Troll auf dem Haken an einer Angelschnur aufgespießt hatte. Er wollte etwas sagen, aber die Fee legte den Finger auf die Lippen. Sie sah aus wie Mary, nur viel kleiner.

      Plötzlich sah Doff sich auf einem Diwan liegen. Er war hungrig und durstig. Um ihn herum standen auf kleinen Tischchen Leckereien und Kannen mit süßen Säften, doch er konnte sie nicht erreichen. Da öffnete sich die Tür und seine vier Geschwister sprangen herein. Sie herzten und küssten ihn und gaben ihm zu essen und zu trinken, worüber die kleine Fee ebenso froh war wie er selbst.

      Alle drei wachten sie wie auf ein inneres Kommando hin gleichzeitig auf und da klopfte auch schon Troy an ihre Türen. In dem kleinen Frühstücksraum neben der Rezeption aßen sie Fladenbrot, Käse und Obst. Seltsamerweise waren sie nicht mehr sehr hungrig, nicht einmal Doff.

      „Ich hab geträumt!“, rief Doff.

      „Ich