Gin - Alles über Spirituosen mit Wacholder. Karsten Sgominsky

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Название Gin - Alles über Spirituosen mit Wacholder
Автор произведения Karsten Sgominsky
Жанр Кулинария
Серия
Издательство Кулинария
Год выпуска 0
isbn 9783905834406



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Mit den 1950er-Jahren lebte der Gin aber wieder auf und hatte seinen Höhepunkt in den 1960ern, als er die meistgetrunkene weiße Spirituose der westlichen Welt war.

      Aus diesem Grunde wirkt es mehr als paradox, dass die Filmfigur des britischen Agenten James Bond nicht das Nationalgetränk Groß­britanniens als Martini-Cocktails trinkt, sondern Wodka Martinis. Superagent 007 wurde vom britischen Autor und Gin-Liebhaber Ian Fleming erfunden, der James Bond in seinen Büchern, die von einer britischen Produktionsfirma verfilmt wurden, Gin Martinis trinken ließ. Die Voraussetzungen konnten britischer nicht sein, warum also Wodka statt Gin? Die einzige Erklärung dafür: Produktplatzierung für Smirnoff Wodka. Dass die James-Bond-Filme der 60er-Jahre den Trendwechsel «pro Wodka – kontra Gin» einläuteten, wäre eine kühne Behauptung. Gänzlich abwegig ist sie dennoch nicht, hält man sich den Welterfolg der James-Bond-Filme vor Augen. Immer mehr Cocktail­rezepturen enthielten Wodka und ab den 70ern hatte der Wodka den Gin weltweit fast völlig verdrängt.

      Erst Mitte der 90er-Jahre besinnt man sich wieder der traditionellen Barkultur. Gin steht wieder höher im Kurs und feiert eine dezente Revitalisierung. Mit seiner eigentlichen Renaissance im großen Stil ließ er sich aber noch bis zum Jahrtausendwechsel Zeit. Allein in den letzten Jahren sind unglaublich viele neue und vor allem hochwertige Gins auf den Markt gekommen, die nicht nur eine Neubelebung des mit anderen Spirituosen übersättigten Markts herbeiführten, sondern in denen auch durch filigrane Herstellungsmethoden eine Vielzahl von Aromaträgern zur ­Anwendung gelangt, die das großartige Potenzial des Gins zu neuen Höhen emporklimmen lässt. Wo man in den meisten Bars noch vor nicht allzu langer Zeit höchstens drei bis vier verschiedene Gin-Sorten sah, sieht man heute oftmals mehr Gins als Whiskeys oder Wodkas im Angebot. Gleichzeitig hat sich auch sehr viel in Sachen Tonic getan. Neue, geschmacklich sehr unterschiedliche Tonics ermöglichen zusätzliche Variationen, sodass man heutzutage einen Gin Tonic auf mannigfaltige Weise probieren und genießen kann.

      Die Welt der Cocktails befindet sich seither in einem steten Progress. Durch Barmessen und das Internet werden Trends, Ideen, Entdeckungen, alte und neue Rezepturen viel schneller als dereinst kommuniziert, wodurch sich eine neoklassische Barkultur entwickelt hat. Der Gin hat von diesem jähen Aufschwung in grandioser Manier profitiert, und in seinem Fahrwasser segelt auch zunehmend der Genever wieder mit. Dem Bartender und dem Cocktail-Connaisseur gleichermaßen bieten sich jetzt noch nie da gewesene Kombinations- und Auswahlmöglich­keiten bei der Zusammenstellung von Cocktails und Longdrinks, wobei die heutigen Gins, Old Toms und Genever auch pur ein Genuss sein ­können. Die Geschichte des Gins ist hier aber nicht zu Ende, sondern geht weiter, und wir können uns glücklich schätzen, Zeitzeugen einer neuen Gin-Ära zu sein.

      Kapitel 2:

      Gin

      Gin – wie schon im vorangegangenen Kapitel beschrieben, handelt es sich hierbei um eine Spirituose, die mit Wacholderbeeren und einer Auswahl verschiedenster Kräuter, Gewürze und Zitrusfrüchte, zusammengenommen «Botanicals» genannt, aromatisiert ist.

      Der Grundstock

      In den Anfängen der Gin-Herstellung diente Getreide als Ausgangs­basis. Um 1920 regelte man in England per Gesetz die Herstellung des Gins dahingehend, dass neben Getreide seitdem auch Rohstoffe wie Wein, Rüben, Kartoffeln, Zuckerrohr und Obst für die Alkoholgewinnung zum Einsatz kommen dürfen. Diese Regelung hat noch heute Bestand, obwohl ­primär Getreidealkohole verwendet werden.

      Durch das mehrfache Destillieren vergorener Maische oder Melasse aus den oben aufgeführten Rohstoffen werden Neutralalkohole von bis zu 96% Vol Alkohol ausrektifiziert, um sie geschmacklich zu neutra­lisieren; daher auch die Bezeichnung «Neutralalkohol». Nur wenige Gin-Hersteller produzieren ihren Neutralalkohol noch selbst. Stattdessen wird dieser von Firmen zugekauft, die sich darauf spezialisiert haben.

      Dieses rektifizierte Destillat wird für den weiteren Verarbeitungsprozess heruntergewässert (verschnitten). Wieso? Derart hochprozentiger Neutral­alkohol würde sich als zu aggressiv erweisen, um ein schonendes Extrahieren der Geschmacksstoffe aus den Botanicals zu ermöglichen.

      Gin entsteht

      Wie kommen nun die Aromen der Botanicals in den Neutralalkohol? Die gängigsten Vorgehensweisen sind die Mazeration und die Dampf­infusion.

      Mazeration: Hier werden die ausgesuchten Botanicals für eine bestimmte Zeit in den Neutralalkohol eingelegt, um dadurch die Aromastoffe zu ­extrahieren. Dieser Vorgang kann über Nacht erfolgen oder ein paar Tage oder auch länger dauern. Die Botanicals werden üblicherweise in Beutel gefüllt und zum Mazerieren eingelegt.

      Eine Nebenform ist die Digeration, in der für die Mazeration erwärmter Alkohol verwendet wird. Da jedes Botanical seine Aromastoffe unterschiedlich schnell abgibt, ist die separate Mazeration einzelner Botanicals (oder Botanical-Gruppen) eine zwar aufwendigere, aber zusehends immer populärer werdende Methode.

      Nach der Mazeration erfolgt eine abschließende Destillation, an deren Ende ein wichtiger Arbeitsschritt steht: die Abtrennung von Vorlauf* und Nachlauf*. Hier kommt die ganze Erfahrung des Brennmeisters zum Tragen, denn er muss den Mittellauf, der das Herzstück bildet, genau abtrennen.

      * siehe www.gin-buch.de

      Destillierapparat Bluecoat Destille, USA

      Dampfinfusion: Hierfür werden die Botanicals auf Körben im Steigrohr eines Brennapparats platziert. Sobald der Neutralalkohol im Kessel des Brennapparats erwärmt wird, steigen dessen Dämpfe auf und nehmen dabei die Aromen der Botanicals auf. Auch hier werden Vorlauf und Nachlauf vom Brennmeister abgetrennt.

      Es gibt mehrere Destillationsverfahren und -apparate, die sich auf ­unterschiedlichste Art miteinander kombinieren lassen. Wir möchten auf dieses eigenständige und sehr weitläufige Gebiet hier nicht näher eingehen, da dies vom eigentlichen Thema wegsteuert. Die Destillier­möglichkeiten sind jedenfalls sehr komplex und vielseitig, was den Herstellern viel Raum für Individualität bis hin zur Extravaganz bietet.

      Destillierapparat Greylock Destille, USA

      Das Wasser

      «Das Prinzip aller Dinge ist Wasser; aus Wasser ist alles, und ins ­Wasser kehrt alles zurück.» Thales von Milet (ca. 624 – 546 v. Chr.)

      Dem Wasser und seiner Qualität kommt bei der Gin-Herstellung entscheidende Bedeutung zu. Ob destilliertes Wasser, Schmelzwasser, frisches Quellwasser oder einfach das aus dem Wasserhahn, wird meist von der geografischen Lage der Destille bestimmt, zuweilen aber auch von der Firmenphilosophie. Wichtig und entscheidend sind die Werte des Wassers, die den Normen der Trinkwasserverordnungen entsprechen müssen.

      Durch die Zugabe des Wassers wird der Gin auf die gewünschte ­Trinkstärke eingestellt, die mindestens 37,5% Vol betragen muss, oftmals um die 43% Vol liegt, aber durchaus auch über 50% Vol hinaus­gehen kann.

      Dieses Verschneiden kann nach dem Destillationsprozess vorgenommen werden oder davor, wenn der Hersteller das Mischungsverhältnis von Neutralalkohol und Wasser so einstellt, dass das fertige Destillat in gewünschter Trinkstärke aus dem Hahn des Destillierapparats tropft.

      Resümee

      Da es sich um eine klare Spirituose handelt, die keine Reifezeit benötigt, sind längere Lagerzeiten nicht zwingend erforderlich. Dennoch kann der Gin zur weitestgehenden Egalisierung (Gleichverteilung) für gewisse Zeit in Edelstahltanks, Steingutgefäßen oder in seltenen Fällen in Holzfässern gelagert werden.

      Die verwendeten Rohstoffe für den Neutralalkohol sowie die Wahl der Botanicals, des Wassers und der angewandten Herstellungsverfahren liegen ganz im Ermessen der Hersteller und bilden gleichzeitig das sprichwörtliche Betriebsgeheimnis.

      Rechtliche Grundlagen

      Zum Abschluss sei noch der Gesetzestext angefügt, der dem Gin je nach Herstellungsverfahren eine entsprechende Bezeichnung zuordnet,