Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus. Jürgen Dittberner

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Название Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus
Автор произведения Jürgen Dittberner
Жанр Книги о Путешествиях
Серия
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783838275116



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Zweiten Weltkrieg wurde lieber „verlegt“ als verreist. Truppen der Wehrmacht wurden von der Ost- zur Westfront geschoben. Die Soldaten (meist blutjunge Männer) wurden von zu Hause „eingezogen“. Viele kamen dabei früh ums Leben, starben den „Heldentod“ und liegen seitdem begraben, oft in fremder Erde.

      Kindern ging es in dieser Zeit etwas besser. Viele, die in bombengefährdeten Städten wohnten, wurden aufs Land „verschickt“ oder „evakuiert“. Andere fuhren zu ihren Verwandten, meist zu den Großeltern. Transportmittel war fast immer die Bahn. Am Zielort atmeten Großstadtkinder zum ersten Mal den Duft frischen Brotes, wenn der zentrale Backofen angefeuert war. Oder sie vernahmen ihnen bis dahin fremde Laute, wenn im Dorf ein anderer Dialekt als daheim gesprochen wurde.

      Später waren abertausende „Prisoners of War“ („PW“) von Amerikanern, Russen, Engländern, Franzosen und anderen in „Kriegsgefangenenlager“ transportiert worden. Die lagen in Neapel, am Rhein, in Sibirien und waren sehr unterschiedlich. In der „Heimat“ hatten derweil Sieger das Kommando übernommen, und Fortbewegungen Deutscher erfolgten meist per Pedes oder mithilfe von Pferden. Tauchten Trupps fremder Soldaten auf, schienen die Kinder gefährdet zu sein. Doch wenn man Glück hatte, entpuppten sich die „Fremden“ als Einheit, die deutsche Kinder mit Bonbons beglückte.

      Transporte, Flucht, Vertreibung: Zwangsreisen waren das.

      Lange hielt sich das nicht. Wer in Städten wohnte, schaute vorsichtig im Nachbarbezirk nach. Auf dem Lande wurden Kreisgrenzen überschritten. Hauptsächliche Transportmittel waren Fahrräder, auch U-, S- und Straßenbahnen waren im Einsatz. Dann kamen Busse wieder, und für längere Strecken gab es noch immer die „Reichsbahn“.

      Als sich zwei deutsche Staaten entwickelten, kam es zu „innerdeutschen“ Reisen, erst zaghaft, dann immer heftiger. Bis zum Bau der Mauer 1961 in „Berlin“ flüchteten viele Ostdeutsche in den „Westen“. Dann machte die DDR die Grenzen dicht, und die Wege in den Westen waren versperrt. Spätere Passierscheinabkommen durchlöcherten diese Grenzen nach Osten ein wenig. Bürokratisch registriert von Ost-Behörden durften „Wessis“ in die DDR „einreisen“. West-Berliner und „Bürger der BRD“ wurden dabei sorgfältig getrennt.

      Kuriositäten taten sich auf: „Hier ist eine BRD-Mutter mit einem WB-Kind!“, schallte es durch die „Übergangsstelle“ am Bahnhof Friedrichstraße in „Berlin“. Eine Mutter aus (vielleicht) Hamburg wollte mit ihrem Berliner Kind „in den Osten“ fahren. Das störte den Ordnungssinn der „Staatsorgane“ der DDR.

      Reisevehikel im anwachsenden „innerdeutschen Verkehr“ wurde mehr und mehr das Auto („‘s heiligs Blechle“ der westdeutschen Familien): „Sollen die Zonis ruhig sehen, wie gut es uns im Westen geht!“ Im Kofferraum lagen Schokolade, Bananen und „Jacobs-Kaffee“ – Mitbringsel für die „Brüder und Schwestern von drüben“. Die nahmen es gerne und revanchierten sich mit „Bückware“, speziell „organisiertes“ Rindfleisch beispielsweise. Bei der Rückreise („Achtung: Geschwindigkeitsbegrenzung!“) in die „BRD“ hieß es dann: „Machen Sie mal den Kofferraum auf!“ Aber da war nichts drin.

      Allmählich wurde die DDR als alleiniges Reiseziel zu poplig. Dort machte man mehr und mehr nur noch Verwandtenbesuche. Auch in die nun leider zum „Ostblock“ gehörende alte Heimat zog es manche

      Erholt jedoch hatte man sich woanders. Zuerst ging es in die Lüneburger Heide, nach Bayern oder schon nach Sylt. „Hotelkästen“ gab es noch nicht. Man logierte während der Ferien in Schulgebäuden oder bei „privaten“ Vermietern. Das Auto musste Unmengen von Gepäck transportieren. Am Zielort ging es wacker zu: Am Meer lechzten nun aufkommende „Touristen“ tagelang nach Sonne, um zu „bräunen“, damit die Nachbarn neidisch wurden.

      Oft ging’s auf die Wanderschaft mit Hut, Rucksack und Stock. Die „Sommerfrischler“ freuten sich, zu einer privilegierten Schicht zu gehören, und bedauerten Daheimgebliebene. Urlaub wurde zum Wohlstandssymbol.

      Da der Druck groß, die Möglichkeiten aber manchmal begrenzt waren, kam eine neue Art des Reisens auf: Das „Trampen“. Das war freilich nicht jedermanns Sache, aber besonders für Schüler und Studenten ideal. Trampend lernten sie Deutschland, Länder Europas, ja sogar die USA, kennen. Klar war dabei: Mädchen sollten nicht alleine trampen, und Luxus war nicht unbedingt zu erwarten. Man konnte auf Last- oder Viehwagen landen, aber auch in Edellimousinen. Unter Kennern galten die USA als gutes Tramperland. Den Ostblock aber mieden die meisten Tramper lieber.

      Als die Tramper älter geworden waren, mutierten einige von ihnen zu „Campern“. Das Rustikale und die Illusion der Naturnähe wollten sie nicht missen. Außerdem ersparte man sich das Hotel. Dafür musste ein geeignetes Vehikel her. Die Automobilindustrie half: Auf gängige PKW-Modelle wurden Blechkästen montiert. Man bestückte diese mit Betten, Tischen, Schränkchen und Stühlen, alles festmontiert, und fertig waren die „Camper“.

      Pfiffige richteten „Campingplätze“ mit „Stellplätzen“ zum Übernachten ein: Eine spezielle Variante des Tourismus war entstanden. Natürlich konnte man bald auch Camper mieten, um vorübergehend zum fahrenden Volk zu gehören.

      Wem der „Camper“ schon zu zivilisatorisch war, konnte das „Zelt“ als Alternative wählen, naturverbunden, meist mit PKW daneben.

      Deutschland war mittlerweile touristisch gerüstet: In- und Ausland öffneten sich bis zum Ende der Welt. Ein Begriff machte die Runde: Die Deutschen wären nicht nur Fußball-, sondern auch „Reiseweltmeister“! Sie hatten alle anderen überholt. Engländer beispielsweise kannten Pauschalreisen schon aus dem 19. Jahrhundert. Da hatten Abenteurer mit dem weltweit ersten Platzhirschen „Thomas Cook“ die Schweizer Alpen mühsam erschlossen. Doch nun, zur Zeit des Wirtschaftswunders, kamen die Deutschen, nicht unbedingt mit Qualität, dafür aber mit immer erdrückenderer Quantität.

      Schließlich wurde das Reisen diversifiziert und spezialisiert. Auf den Flughäfen machten sich Urlaubsflieger breit. Billigflieger traten auf den Plan. Die Flughäfen (von vermeintlichen Kennern „Airports“ genannt) platzten aus allen Nähten. Die „Abfertigung“ von Touristen wurde immer weiter rationalisiert, Speisen und Getränke wurden selbst auf Langstrecken selten. Manche Passagiere fragten sich schon, ob sie demnächst selber steuern und fliegen müssten. Derweil ergaben sich Menschen, die sonst für ihre Persönlichkeitsrechte kämpften, in immer peinlicher werdende „Sicherheitskontrollen“. Der „Massentourismus“ war entstanden.

      Würde es immer so weitergehen, oder war die Spitze erreicht? „Thomas Cook“ und „Air Berlin“ waren Vorboten: Auch der kapitalistisch organisierte Massentourismus war vor Krisen und Insolvenzen nicht gefeit.

      Doch in Deutschland gab immer noch genügend viele Menschen im Rentenalter, die nun endlich die Welt sehen wollten, um daheim nachher wieder ihr Elend zu bejammern.

      Darüber hinaus wuchsen stets neue Generationen heran. Auch sie wollten fremde Orte und Landschaften kennen lernen, auch sie wollten nach Sevilla, New York und auf die Kanaren sowieso.

      In „Frankfurt“ am Main druckte die Europäische Bank derweil unentwegt Frischgeld, das man bei Reisen besonders leicht verprassen konnte.

      Der Tourismus boomte. Doch das zerstörerische Corona lauerte schon.

      „Otto Normalverbraucher“ reiste einst (wenn auch selten) selbst in dunkelsten Zeiten. Die Nazis hatten eine eigene Tourismusorganisation: „KdF“ („Kraft durch Freude!“). Der Urlaub der „Volksgenossen“ sollte reguliert und überwacht werden. Bei Kriegsbeginn 1939 musste man das allerdings reduzieren.

      „Private“