Roter Mond. Miranda Gray

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Название Roter Mond
Автор произведения Miranda Gray
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783943793499



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Sexualität weckt die Energien, die die Samen der Inspiration säen. Der sexuelle Akt kann sowohl physische wie auch geistige Kinder erschaffen und das Feuer sein, das die Malerin, Dichterin, Musikerin, Seherin zu ihrem Schaffen drängt. Der sexuelle Akt ist etwas Heiliges, er bringt das Göttliche in die Welt.«

      Eva spürte, wie ihre Finger danach verlangten, etwas zu erschaffen, wie sie warm wurden und zu pulsieren anfingen. »Wie sehen diese geistigen Kinder aus?«, fragte sie.

      »Geistige Kinder können jede Form annehmen. Es spielt keine Rolle, wie du den Ideen Ausdruck verleihst oder was du oder andere Menschen von diesem fertigen Kind halten. Die Formung, der Werdensprozess des Kindes ist wichtig, nicht das Kind an sich. Das ist wie bei einem physischen Kind. Deinem Herzen, deinem Innersten wird Gestalt verliehen, und manchmal kann sich die Meinung anderer Leute wie ein Angriff auf deine Seele anfühlen, doch dem Kind muss erlaubt sein, in der materiellen Welt auf seine eigene Weise zu wachsen. Das Erschaffen kann wie eine Meditation oder ein Gebet sein. Im Schöpfungsakt, nicht im Erschaffenen spiegelt sich das Göttliche. Anders als bei den Tieren ist die Sexualität der Frauen nicht nur einfach mit dem Erschaffen der Kinder verknüpft, sondern ihre Energien werden durch ihren menstruellen Zyklus während des ganzen Monats freigesetzt. Das ist die Weisheit der Frauen. Aus dieser Weisheit entsteht die Fähigkeit, das Leben immer wieder zu verbessern, strukturierende Beziehungen und Gemeinschaften aufzubauen und die Beziehung zwischen der Menschheit und der Natur zum Ausdruck zu bringen.«

      Athene beugte sich hinunter und hob eine Münze auf, die verloren im Staub vor dem Altar lag. Sie reichte sie Eva, die den Dreck abkratzte, um sie zu betrachten. Die Münze war klein, massiv und aus mattem Silber. Auf der einen Seite war das Bild einer Eule eingeprägt, auf der anderen ein Bild der Göttin im Helm, der mit einem Pferdeschwanz versehen war.

      »Die Münze symbolisiert die Energien und Mächte, über die ich verfüge«, sagte Athene.

      Eva sah verdutzt hoch. »Aber ich dachte, Geld sei von Übel und der Grund für alle Probleme in dieser Welt.«

      Athene lachte. »Was brauchst du, damit eine Münze existieren kann?« fragte sie. »Du brauchst eine kunstfertige Person, deren Geist und Hände geschickt genug sind, um einen Gegenstand von solcher Schönheit herzustellen.«

      Sie nahm die Münze und hielt sie hoch. »Die Münze braucht käufliche Dinge, also erschaffen die Menschen aus ihrem Geist heraus Gegenstände, die schön und praktisch sind. Die Münze braucht einen Wert, also erschaffen die Menschen unter sich eine Struktur dafür. Mit der Münze entstehen Verteilung und Handel, und wo sich Güter und Münze begegnen, da entwickeln sich Märkte. Aus den Märkten entstehen Gemeinden, und daraus entwickeln sich Städte und Reiche mit Strukturen, Gesetzen und Möglichkeiten des Lernens und der Zusammenarbeit. Die Münze ist ein Symbol für die Fähigkeit, in das Leben Ordnung zu bringen, Strukturen zu erschaffen und Instinkte und Energien zu kanalisieren. Sie ist ein Symbol der Zivilisation.« Die Münze blinkte im Sonnenlicht. »Die Münze ist nichts Böses, und meine Energien sind es auch nicht. Inspiration, Klarheit des Geistes und Organisation sind Energien, zu denen alle Frauen durch ihren menstruellen Zyklus Zugang haben.«

      Wieder blitzte die Münze auf, und diesmal sah Eva auf die Stadt des alten Athen hinab. Sie entdeckte die Energiewellen der Göttin in den verschlungenen Mustern, die eine Töpferin einer Amphore aufmalte, in der Kunstfertigkeit eines Goldschmieds, der an einem edelsteinbesetzten Pokal arbeitete, in der Geschicklichkeit eines Webers, der an einer Straßenecke mit einem Händler verhandelte, und in der Urteilskraft und Ratgebung, die in Gerichtsräumen des Regierungssitzes zur Anwendung kamen. Als Eva aufblickte, erhob sich die Gestalt der Athene hoch in den Himmel, überragte die Stadt. In der rechten Hand hielt sie einen Speer, in der linken einen riesigen goldenen Schild, und ein glänzender goldener Helm zierte ihr Haupt. Im Licht der untergehenden Sonne verwandelte sich Athenes Haut in strahlendes Licht, und zu ihren Füßen wuchs ein dunkelgrüner Olivenbaum aus dem kahlen weißen Fels, auf dem sie stand. Die Göttin richtete ihren Blick aus eulengleichen Augen auf Eva, die wie gebannt dastand, bog sich ein wenig nach hinten, die Muskeln ihres machtvollen Armes spannten sich, und mit ungeheurer Kraft schleuderte sie ihren Speer. Ein feuriger Kometenstrahl schoss über den Himmel auf Eva zu.

      Eva spürte, wie dieses Licht sie brausend erfasste, und überall um sie herum aus der Luft wirbelnde Blätter spann. In diesem Licht sah sie die ersten Siedlungen aus dem Staub erstehen, aufblühen und gedeihen und das Universum sich in den ersten Kunstformen spiegeln. Das Licht flackerte, und sie sah die Ordnung der Gesellschaft, den Webstuhl und das Gewebe der Gesetze, Lehren, Beurteilungen und Künste. Die Stadt pulsierte vor Begeisterung, in ihr loderte die Energie der Göttin. Eva spürte, wie die Gegenwart dieser Energie weiß und rein aus dem Dunkel in ihrem Innern aufstieg. Vertrauensvoll ließ sie ihre Zweifel und Ängste fahren und öffnete sich voll und ganz dieser Macht. Einen Augenblick lang fühlte sie sich aufgehoben in der Schwebe der Zeit, und dann kehrte die Welt zurück in einem Bombardement scharf umrissener Einzelheiten und leuchtender Farben. Jede Gestalt, jeder Stoff, jeder Ton und jede Form sandte Wellen von Ideen, Verbindungen und Mustern aus, die lawinengleich ihr Bewusstsein durchrauschten, bis sie in einer Kaskade von Dichtung und Weissagung ihren Lippen entströmten. So plötzlich, wie sie dahergekommen war, endete die Lawine, und Eva fühlte sich bis auf den Grund leer und erschöpft, das Feuer in ihr war erloschen, doch im Inneren spürte sie Frieden, vor ihr der noch bebende Speer, der sich in die Erde gebohrt hatte.

      Nach einer kurzen Erholungspause stand Eva langsam auf. Doch als sie nach dem Speer greifen wollte, wurden sowohl sie wie auch Athenes Waffe von machtvollen Armen gepackt und samt und sonders hinten in einen dahinrasenden, weidengeflochtenen Streitwagen verfrachtet. Rötlich glänzendes hüftlanges Haar wehte vom Haupt der Wagenlenkerin, die die beiden Pferde zu noch rascherer Gangart antrieb. Angstvoll und entzückt zugleich bestaunte Eva die Geschicklichkeit und Stärke dieser Frau, die da groß und stolz im dahinstürmenden Wagen stand und mühelos ihr Gleichgewicht hielt. Sie trug eine aus vielen Farben gewebte Tunika und einen wild flatternden Schulterumhang, den eine große Spange zusammenhielt. Um ihren Hals trug sie einen riesigen Torques aus gedrehten Goldfäden, der im Sonnenlicht glänzte. Ihre Haut war bronzefarben, und in ihren Augen sprühte ein Feuer. Ihre Hände, die die Zügel mit wohl bemessener Stärke hielten, waren rau und wettergegerbt. Unter den Hufen der Pferde blitzte die Landschaft auf; den einen Augenblick flogen sie über braune Ebenen dahin, den nächsten durcheilten sie das gesprenkelte Grün eines Eichenwaldes. Die Geschwindigkeit zerrte an Evas Haar, aus ihrer Kehle löste sich ein Schrei der Begeisterung. Sie fühlte sich stärker als jemals zuvor, ihr Verstand war scharf und hell, und die Kraft, die sie durchströmte, gab ihr das Gefühl, alles erreichen zu können. Sie war frei, unabhängig, eine Löwin mit der Kraft zu kämpfen und zu beschützen.

      Gerade als Eva glaubte, vor Erregung platzen zu müssen, verlangsamte die Frau die Fahrt und ließ die Pferde in sanftem Gang durch den Schatten eines Waldes trotten. Es umgab sie eine Atmosphäre kühler, grüner Stille, aber die Erregung und Begeisterung sang noch immer in Evas Blut. Lachend hob die Frau sie aus dem Wagen und setzte sie im Gras ab.

      »Ich heiße Boadicea, ich bin die Königin der Iceni«, sagte sie mit tiefer und kraftvoller Stimme. »Ich kämpfe, um zu beschützen und zu dienen, nie um zu zerstören. Ich bin der wahre Sieg, die Gebieterin des Friedens. Ich setze mich für andere und deren Anliegen ein und erhalte dieses Engagement aufrecht.«

      Die Königin stieg von ihrem Wagen und schritt auf eines ihrer Pferde zu. Sie überprüfte das Zaumzeug und sagte: »In keltischen Zeiten wurde die Frau respektiert. Sie hatte ihr eigenes Land und ihre eigene Macht und wurde für ihre Urteilskraft und das, was sie in die Gemeinschaft einbringen konnte, geachtet. Es waren die Frauen, die ihre Krieger in Aktion treten ließen, und es waren auch die Frauen, die den Frieden aushandelten. Sie waren die Macht hinter ihrem Stamm und ihren Männern.« Liebevoll tätschelte sie den Hals des Pferdes.

      »Du erfährst nun die Stärke des Frauseins, die ausstrahlende Dynamik der lichten Phasen, aber später wirst du den Verlust dieser Energie erfahren, wenn sie in Dunkelheit verwandelt wird. Blick nicht zurück, und sehne dich nicht nach dem Licht, denn sonst verpasst du die Geschenke der Dunkelheit. Schau in die Dunkelheit hinein, akzeptiere ihre Kräfte, und sieh das Licht, das aus ihr erwächst.«

      Die Königin wandte