Roter Mond. Miranda Gray

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Название Roter Mond
Автор произведения Miranda Gray
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783943793499



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die Düsternis, den grünen Schatten über ihr entgegen. Sie brach durch die Wasseroberfläche und tauchte in einer riesigen dunklen Höhle auf. In deren Mitte stand eine hoch aufragende riesige Göttinnenstatue, die grob aus einem schwarzen Granit gehauen und dann poliert worden war, bis sie glänzte. Die Göttin war bis zu den Hüften im Höhlenboden eingegraben, und ein Arm streckte sich nach unten Eva entgegen, der andere erhob sich hoch in die Dunkelheit hinauf. Eva kletterte aus dem Wasser und ging ein paar Schritte auf die Statue zu. Sie sah, dass die Augen der Göttin geschlossen waren und ein einziger schwarzer Edelstein ihre Stirn über den Brauen zierte.

      »Webe!« Das Wort hallte aus dem Felsgestein wider und vibrierte in Evas Körper. Plötzlich leuchtete der schwarze Edelstein in blendendem Licht auf, und Sternenfäden schossen aus den Fingerspitzen der Göttin hervor. Alle Dinge wurden von diesen Fäden berührt, verbanden und verwoben alles um Eva herum und durch sie hindurch, banden sie in das Muster ein. Unter ihren Füßen pulsierte der Machtstrom, der sich aus dem Teich ergoss. Zwischen diesen beiden Energieströmen gefangen, hob Eva ihre Arme und ließ das Feuer aus ihren Fingern entweichen. Nun nicht länger zurückgehalten schoss die Energie nach vorn und nahm die Form eines Sternenfadens an, den Eva um sich herumwob. Eins mit der Göttin lenkte sie die Energie in Schöpfung, ihr Bewusstsein dirigierte den Fluss, nahm aber keinen Einfluss auf Form oder Gestalt.

      Eva erkannte, dass die Macht, zu zerstören und zu erschaffen, die gleiche war, und sie wusste, dass sie die Fähigkeit zu beidem in sich trug. In ihrer neu gewonnenen Klarheit sah sie, wie alles im Universum miteinander verbunden war, und sie wusste, dass sie, wenn sie ihre Macht in die materielle Welt leitete, ihre Fäden zu Prophezeiung, Magie, Kunst und Liebe verweben konnte. Eva stand staunend und verwundert da, ihre Energien waren ausgewogen, sie blickte hinauf zu den Galaxien und Sternen, die in der Decke der Höhle schienen.

      Eine Öffnung tat sich in der Wand der Höhle auf, und eine dunkle Gestalt hob sich als Silhouette gegen das Licht ab und winkte sie zu sich. Eva durchquerte die Höhle und ging nun mit der Anmut und Sicherheit einer Frau, die sich selbst kennt, die sich akzeptiert und in der Lage ist, die Verantwortung für ihre Macht zu übernehmen. Sie ging zuversichtlichen Schrittes, sie war sich der verborgenen Seite des Lebens der Welt, die sie umgab, bewusst.

      Sie durchschritt den mit einem Vorhang verhängten Bogengang und entdeckte dahinter eine lange, aus Holz errichtete Halle, in deren Mitte ein helles Feuer brannte. Hinter diesem Feuer saß auf einem hölzernen Thron eine Frau, die von Kopf bis Fuß in einen durchscheinenden roten Schleier eingehüllt war. Eva konnte durch den Stoff nur ihre Umrisse und Konturen erkennen. Sie hatte langes, schwarzes, zu großen Zöpfen geflochtenes Haar, an denen kleine goldene Äpfel hingen, ihre Haut war porzellanweiß und ihre Lippen tiefrot. Ihre im Schoß gefalteten Hände schienen lang und zart zu sein.

      »Willkommen, Wanderin zwischen den Welten«, sagte die Dame. Eva hatte das Gefühl, das Rascheln von Herbstblättern in ihrer Stimme zu hören.

      »Ich bin Souveränität, die Göttin des Landes.« Die Dame hob in einem Willkommensgruß die Arme unter ihrem Schleier.

      »Ich sehe, dass du den Glanz des roten Schleiers trägst. Willkommen, Tochter-Priesterin.« Eva fühlte, dass diese Herrin etwas Magisches an sich hatte und sie eher in einem Schloss mit schimmernden Türmen als in einer leeren, aus Holz erbauten Halle residieren sollte.

      »Sieh um dich mein Land.« Eva dehnte sich in ihrem Bewusstsein aus und sah das Land in der Halle vor ihr liegen. Lichtbahnen strahlten von jedem Punkt aus, erstreckten sich in Zickzacklinien über das ganze Land. Eva trat einen Schritt vor und bemerkte, dass ihre Bewegungen den Stoff ihres weißen Gewandes, das nun ihre Kleidung geworden war, zum Rascheln brachten. Sie ging auf das Feuer zu, und jeder ihrer Hüftschwünge veränderte das Muster der Lichtbahnen um sie herum. Die Landschaft wechselte in ihrer Jahreszeit, und sie roch den Duft des Winters. Sie sah, wie aus dem Winterdunkel das Licht des Frühlings hervorbrach, und fühlte den Fluss der Jahreszeiten rhythmisch durch ihren Körper strömen.

      Eva reichte in sich selbst hinab bis zum Kern ihrer schöpferischen Energien und brachte sie mit ihrem Willen dazu, durch ihren Körper aufzusteigen. Als die Energie in ihre Finger gelangt war, hielt sie sie dort versammelt. Sie war sich des inneren Zyklus ihres Körpers und des Landes bewusst und bereit, Muster in beide der sie umgebenden Welten zu weben. Die Göttin des Landes stand auf und ging auf Eva zu, die Kraftlinien des Landes strahlten aus ihrem Körper aus, wohin sie auch in spiraligem Muster zurückkehrten. Alle anderen Herrinnen und Göttinnen, denen Eva bisher begegnet war, waren größer als sie gewesen, aber diese Dame war ungefähr in ihrer Größe, wie Eva rasch feststellte. Sie war zart und schlank, aber sie strahlte eine Majestät aus, die Eva an eine Feenkönigin denken ließ. Sie trug einen Gürtel aus feinst gewebter grüner Seide in ihren Händen, reich bestickt mit silbernen Granatäpfeln und goldenem Korn, den sie um Evas Hüfte schlang.

      »Du bist jetzt meine Repräsentantin«, sagte sie. »Du hast die Macht, beide Welten zu sehen, die innere und die äußere. Du verfügst über die Magie, Muster und Wellen im Gewebe beider Welten zu schaffen. Du kannst das Netz der Prophezeiung, der Initiation und des Lebens selbst in Schwingung versetzen. Das ist dein Geschenk der Mond-Blutung. Du weißt instinktiv um beide Welten und kennst sie, und in der Zeit der Dunkelheit kannst du zwischen diesen Welten hin- und herwandern und Mittlerin ihrer Energien sein.

      Die Frau der modernen Zeit wandert in der Welt der Wissenschaft und Technologie wie auch in der Welt der Natur und Intuition. Diese Welten sind für sich genommen keine absoluten Welten, sie sind ineinander verwoben. Für die Frau sind beide Welten gleichermaßen wirklich, und sie hat die Fähigkeit, sie in einem Bewusstseins- oder Gewahrseinsfluss auszubalancieren. Aus dieser Fähigkeit heraus sind alle Frauen weise Frauen, sind alle Frauen Priesterinnen.

      Eine Frau, die sich ihres Zyklus bewusst ist, muss ihm treu sein, aber sie ist auch für den Gebrauch ihrer Energien, deren Ausdrucksformen und Auswirkungen auf andere verantwortlich. Verantwortung heißt nicht, dass sie nicht ihre Fähigkeiten nutzen soll, aber sie soll sich auch nicht hinter ihrem Menstruationszyklus verstecken oder ihn als Ausrede benutzen. Die Verantwortung, die mit diesem Geschenk einhergeht, ist groß. Es ist eine Verantwortung dir selbst gegenüber, gegenüber anderen Frauen, der Gemeinschaft, dem Land und den künftigen Generationen.«

      Souveränität, die Göttin des Landes, hob die Hände zu einer Segnung. »Tanze deine Muster, webe deine Zauber, schreibe deine Gedichte, singe deine Geschichten, male deine Schönheit, gebäre deine Kinder.«

      Eva fühlte sich überwältigt von Liebe zu der Dame und zum Land, und Tränen flossen aus ihren Augen. Und aus jedem blinkenden Tropfen, der zu Boden fiel, formte sich eine weiße Blüte.

      Das Land und die Halle verblassten allmählich und verflüchtigten sich, und Eva stand wieder einmal in der Dunkelheit. Wieder wurde der Vorhang abrupt zur Seite gezogen, und Eva sah die Rote Herrin am Eingang zu dem kuppelförmigen Raum stehen. Eva ging hindurch und fand sich nunmehr auf der anderen Seite des Podests wieder. Sie sah die Rote Herrin an und fühlte sich von ihrer Sinnlichkeit oder verborgenen Dunkelheit in ihren Augen nicht mehr bedroht. Die Rote Herrin lächelte, als sie Evas tiefes Erkennen wahrnahm.

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      »Du hast nun akzeptiert, was du bist, aber nun musst du deiner Natur auch treu sein, und das ist nicht immer leicht. Der abnehmende Mond ist eine Zeit, in der du mit deinen physischen Energien zurückhaltend umgehen sollst, aber er ist auch eine Zeit starker sexueller und schöpferischer Energien. Du stellst vielleicht fest, dass du sehr deutlich sagst, was du auf dem Herzen hast, und dass du dem Profanen oder der Routine nicht mehr mit der Toleranz begegnen kannst, die du sonst während des restlichen Monats aufbringst. Das ist das Geschenk der Wahrheit, aber es kann aus Wut und Frustration entstehen, aus der Verweigerung der Möglichkeit, zu diesem Zeitpunkt deiner wahren Natur treu sein zu können. Diese Wut kann deine Energien ins Zerstörerische wenden; sie können Schmerz und Leid bereiten, anstatt dass sie für den konstruktiven und kreativen Gebrauch eingesetzt werden.

      Die destruktive Seite im Wesen der Frauen wurde in früheren Zeiten anerkannt, jedoch als Teil ihrer schöpferischen Natur hingenommen. Die Frau gibt, aber sie nimmt auch. Sie ist die Linie der Kontinuität, aber