Verfluchtes Taunusblut. Osvin Nöller

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Название Verfluchtes Taunusblut
Автор произведения Osvin Nöller
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783746939667



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Der Schmerz wanderte zum Rücken. Langsam lehnte sie sich zurück und verspürte trotz allem die Erleichterung, der Freundin ihre Entscheidung mitgeteilt zu haben.

      „Du bist eine Kämpferin! Denk daran, was du in den vergangenen Jahren erreicht hast! Die Firma, deine Kinder, und all die Wohltaten, die du für die Allgemeinheit leistest. Du darfst nicht aufgeben!“ Renate schnäuzte sich die Nase und wischte sich eine Träne aus dem Auge.

      „Das hört sich toll an! Dennoch muss ich akzeptieren, dass es zu Ende geht!“ Barbara gab sich Mühe, tapfer und entspannt zu wirken, wobei sie mit zunehmenden Luftproblemen kämpfte.

      „Es ist vorbei, wenn man die Augen zumacht! Nicht eine Sekunde früher! Du wirst gebraucht! Auch von mir! Du besiegst die Krankheit!“

      „Es ist rührend, wie du mich aufbauen willst.“ Sie nahm die Hand ihrer Freundin. „Danke! Es besteht keinerlei Grund, gram zu sein. Ich hatte ein teilweise hartes, trotzdem erfülltes Leben. Vielleicht wird es ein bisschen kurz. Insgesamt kann ich zufrieden sein.“ Sie schwieg und suchte eine schmerzfreiere Haltung. „Einzig die Entscheidung, Diana wegzugeben, war ein schlimmer Fehler! Ich hätte damals stärker sein müssen, war aber ein blödes Küken in einer Welt der Großkopferten! Es hat einfach zu lange gedauert, bis ich zurechtgekommen und selbstständig wurde!“ Sie wischte sich die Lippen ab. „Wie gern würde ich meine Tochter noch einmal sehen!“

      Renate wirkte plötzlich angespannt. „Möchtest du einen weiteren Versuch anstellen, sie zu finden?“

      „Macht keinen Sinn! Hugo war vor vielen Jahren erfolglos, wieso sollte man sie heute aufspüren? Die Behörden waren seinerzeit stur und reagieren jetzt mit Sicherheit nicht anders! Es ist zu spät!“

      Renate blickte zum Kamin. „Wenn du aufgibst, ist es bald vorbei. Du darfst die Hoffnung nicht verlieren! Manchmal gibt es Zufälle!“

      „Schluss damit! Ich habe übrigens in einem Begleitbrief zum Testament verfügt, wie ich mir meine Beerdigung vorstelle.“

      „Hör auf! Das möchte ich nicht hören!“ Die Vertraute schluchzte unvermittelt los.

      Barbara versuchte, die Schmerzen zu ignorieren, und nahm sie in den Arm. Ihre Stimme wurde sanft. „Ich danke dir dafür, Liebes, dass du eine tolle Freundin bist!“ Sie streichelte ihr über den Rücken. „Hör mir bitte einen Moment zu. Ich mach mir Sorgen um Björn.“

      Renate löste sich von ihr und schaute sie direkt an.

      „Er ist der Geschäftsführungsaufgabe nicht gewachsen und glaubt, ich merke nicht, dass er trinkt und wer weiß was nimmt. Das Vermögen der Familie hängt an seinen Entscheidungen.“

      „Hugo unterstützt ihn.“

      „Schön wär's! Ich bin seit Längerem nicht mehr sicher, welche Interessen unser Familienanwalt vertritt!“, sagte Barbara hart und ein bisschen lauter. „Man muss ihm auf die Finger schauen!“

      Die Freundin nickte. „Er hat sich verändert!“, sie hielt einen Moment inne, „und nicht zum Besten. Warum entbindest du Björn nicht von den Aufgaben?“

      „Weil ich dafür weder die Kraft noch die Zeit besitze. Wer soll die Firma dann führen? Christian weigert sich, erwachsen zu werden und Julia würde ohne ihren Beruf verkümmern! Damit hinterließe ich einen üblen Scherbenhaufen!“

      Mit diesen Worten setzte sie sich kerzengerade hin. Ein Schmerz ging durch ihren Rücken, als ob jemand mit einem Messer in ihr bohrte. Es fröstelte sie, obwohl sie bei den sommerlichen Temperaturen eine dicke Strickjacke trug. Mit äußerster Beherrschung unterdrückte sie einen Schmerzenslaut.

      „Du solltest übrigens wissen, dass vieles von dem, was wir angestellt haben, nach meinem Tod bekannt wird! Ich habe manches aufgeschrieben und möchte es nicht vernichten! Die Kinder haben ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren.“

      Renate verlor den letzten Hauch an Gesichtsfarbe. „Wir müssen es ihm sagen!“, murmelte sie vor sich hin.

      11. Mai 2016

      Christian blinzelte auf den Wecker neben dem Wasserbett. 11:23 Uhr. Er hatte knapp sechs Stunden geschlafen.

      Sah man von regelmäßigen Frauenbesuchen ab, lebte er allein. Ihm war bewusst, dass er den Ruf eines unverbesserlichen Playboys besaß, was ihn nicht störte. Er fand vielmehr, dass er das Leben genießen durfte. Vor ein paar Monaten hatte er den Masterabschluss in Wirtschaftswissenschaften erlangt, was vor allem seine Mutter erfreute.

      Sein Job in der BioGenüsse GmbH, den er seitdem ausübte, war weder für ihn noch das Unternehmen von Bedeutung. Er kam und ging, wann er wollte, was ihm immer wieder Ärger mit Björn einbrachte. Es war ihm völlig gleichgültig!

      Neben ihm regte sich etwas. Unter der Bettdecke kroch eine langbeinige Schönheit hervor.

      „Guten Morgen“, hauchte sie mit spitzen Lippen.

      Er überlegte, wie die zarte Person hieß, und glaubte sich an den Namen Laura zu erinnern. Vorsichtshalber vermied er die Anrede.

      „Hi, gut geschlafen?“ Sie hatten sich in der Nacht in einem Klub in Frankfurt, in dem er oft verkehrte, kennengelernt.

      „Zu kurz. Boah, ich spüre den Champagner!“ Das Mädchen verzog das Gesicht.

      „Ich hatte dir gesagt, dass du ihn allein trinken musst“, entgegnete er.

      „Keinen Alkohol und Nichtraucher!“ Sie schüttelte den Kopf. „Besitzt du noch mehr Fehler?“

      Er lachte. „Ich jogge regelmäßig und gehe ins Fitnessstudio!“

      „Das sehe ich. Du könntest der Siegfried aus dieser Sage sein!“, gurrte sie. Sie griff ihm ins Haar und wickelte sich eine Strähne um den Finger.

      Er rollte mit den Augen und löste sich von ihr. „Süße, komm in die Puschen, wir frühstücken und dann muss ich los.“

      „Das ist ja ein romantisches Ende unserer Nacht,“ quengelte sie und langte unter die Decke. „Ich glaube, da will jemand was anderes“, grinste sie.

      Er sprang aus dem Bett und eilte ins Badezimmer.

      Eine Stunde später verabschiedete er seine Verehrerin und versprach ihr, sie anzurufen, nur, um den Zettel mit ihrer Telefonnummer in den Papierkorb zu werfen, noch während sie in ein Taxi stieg.

      ***

      Langsam ging Christian Lautrup hinüber, um nach der Mutter zu schauen, was für ihn zur täglichen Gewohnheit geworden war.

      Renate öffnete die Tür. „Hallo, mein Junge, bist du nicht im Büro?“ Sie lächelte und musterte ihn. „Wie aus dem Ei gepellt!“

      „Guten Morgen, teuerste Freundin. Du kennst mich doch. Ich hoffe, es geht dir genauso blendend, wie du aussiehst!“ Er grinste. „Ich hab mir heute ausnahmsweise freigenommen.“ Er umarmte sie und gab ihr einen Schmatz auf die Stirn.

      „Du Charmeur! Das Theater kannst du dir für deine Weiber aufheben!“, empörte sie sich augenzwinkernd.

      Er schmunzelte und lief zur Bibliothek. Vorsichtig trat er ein. Barbara saß in ihrem Lieblingssessel und döste. Ihre wächserne Haut verriet ihm, dass sich der Gesundheitszustand weiter verschlechtert haben musste. Er räusperte sich leise, worauf sie die Augen aufschlug und ihn anlächelte.

      „Guten Morgen, mein Junge, warum bist du nicht im Büro?“ Sie ließ ihm keine Zeit zu antworten. „Du könntest dich mal wieder rasieren. Wie oft habe ich dir gesagt, dass dir das Gestrüpp nicht steht! Kleidung aus den teuersten Boutiquen und ein Gesicht wie ein Strauchdieb!“ Sie seufzte.

      Diese Begrüßung war mittlerweile zum Ritual geworden. Er strich über seinen Dreitagebart und setzte sich in den Sessel neben sie. „Hallo Mama, was gibt es Neues?“

      „Gut, dass du kommst“, klang es versöhnlicher. Sie holte tief Luft, zögerte kurz und teilte ihm ihren Entschluss, die Therapie abzubrechen,