Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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länger auf sich wirken lassen kann, wendet sich der MUK-Leiter unvermittelt ab und geht mit eiligen Schritten zurück in den Wald. Suchend springt sein Blick zwischen den Kiefernbäumen hin und her. Schließlich weist er auf einen etwas freieren Platz. „Da stand sein Wagen. Auch ein Lada. Beschädigungen an der vorderen Stoßstange. Muss wie ein Irrer zwischen den Bäumen durch gebrettert sein. Na, kein Wunder. Bei dem Zustand.“

      „Woher wissen Sie das alles?“

      „Der Vorgang landete damals sofort bei uns, bei der K. Gleich nachdem die Wasserschutzpolizei Sangers Leiche gefunden hatte.“

      „Also, Sie haben die kriminalpolizeilichen Ermittlungen in der Todessache Sanger geführt? Und das sagen Sie mir erst jetzt!“

      „Nu hören Sie mir bitte mal zu, Kollege Benedict! Ich habe den Auftrag, Sie bei der Klärung des Sachverhaltes Raschke, alias Fuchs, zu unterstützen. Von Ermittlungen in der Sache Sanger ist nie die Rede gewesen. Die Auskünfte, die ich Ihnen an diesem Wochenende gebe, sind ein reiner... Freundschaftsdienst, und nichts weiter. Ich glaube nicht, dass Ihre und meine Vorgesetzten darüber sehr glücklich wären. Schließlich ist der Fall schon lange abgeschlossen. So viel ist ja mal Fakt!“

      Auf dem Rückweg macht Meißner einen kleinen Umweg, und es gelingt ihnen tatsächlich, zwei freie Plätze in dem Schmöckwitzer Ausflugslokal zu ergattern.

      Als sie dann bei einem freundlichen Hellen an einem der Gartentische in der „Palme“ sitzen, scheint sich auch der Ost-Kriminale so weit beruhigt zu haben, dass Benedict wagen kann, ihn in den Hintergrund seiner Sanger-Neugier einzuweihen.

      „Das sind doch reine Hirngespinste von Sangers Tochter in Amerika. Wir konnten jedenfalls damals keinerlei Fremdverschulden feststellen. Der ist ertrunken. Haben unsere Ermittlungen einwandfrei ergeben.“

      „Und Ihre Leute von der MUK waren damals auch als erste am Fundort der Leiche? Ich meine, nachdem die Wasserschutzpolizei ihn geborgen hatte?“

      „Na ja, nicht direkt“, druckst Meißner etwas herum, „die Genossen von der Firma waren schon vorher da. Aber das war ganz natürlich. Nachdem Sanger von seiner Frau als vermisst gemeldet worden war, sind die selbstverständlich sofort eingeschaltet worden und haben da mit der Wasserschutzpolizei zusammen im Schilf rum gestochert. Einen Dean Sanger lässt man schließlich nicht so einfach verschwinden!“

      „Also waren Sie erst nach den MfS-Leuten bei der Leiche?“

      „Mensch, Benedict“, reagiert der MUK-Leiter ziemlich genervt, „wir von der K haben uns von denen auch kein X für ein U vormachen lassen. Sicher, offiziell hätten wir deren Version über Tathergänge niemals anzweifeln dürfen. Aber wir hatten auch unseren beruflichen Stolz. Manche Nachermittlungen haben wir da nur für uns selbst geführt. Um die Brüder bei Fehlern oder Vertuschungen zu erwischen. Nicht, um es ihnen nachzuweisen, sondern aus kriminalpolizeilichem Ehrgeiz. Aber dieser Fall war meines Wissens dann sogar andersrum: die haben unsere Untersuchungsergebnisse nochmals nachermittelt. Wollten ganz sicher gehen, dass da nicht doch was war. Nee, die Sache war unserer Meinung nach wasserdicht. Im wahrsten Sinne des Wortes!“, macht Meißner den Versuch eines abschließenden Scherzes.

      Nicht ganz überzeugt fischt Benedict mit dem Finger eine Fliege aus dem halbleeren Bierglas und wechselt dann das Thema.

      „Nehmen Sie mir meine Neugier bitte nicht übel, aber es beschäftigt mich schon die ganze Zeit: warum hat der Engel Sie eigentlich einen „Kriegsgewinnler“ genannt?“

      Augenblicklich schieben sich Meißners Gesichtszüge wieder zusammen, aber bevor Benedict die Frage zurücknehmen kann, öffnen sich seine Lippen doch zu einer Antwort.

      „Ach, das ist so ’ne typische Wendegeschichte bei uns. Bin erst vor kurzem zum Leiter der MUK befördert worden. Wäre an sich noch lange nicht dran gewesen, aber ... mein Vorgänger war der Klaus Mündermann, Sohn von dem ZK-Mündermann. Der musste ,freiwillig' zurücktreten. Hat auch mit draußen in Wandlitz gewohnt. Und das alles ist ja in diesen Zeiten nu keine besonders gute Empfehlung mehr. War kein schlechter Kriminalist, aber ... jedenfalls bin ich über Nacht sein Nachfolger geworden. Das meinte der Engel. Findet der wohl witzig.“ Spätabends dann fahren sie gemeinsam zurück in die Stadt, und vor dem VP-Heim steigt Meißner sogar noch mit aus dem Wagen.

      „Ich hoffe, dass es Ihnen bei uns gefallen hat.“

      „Es war ein gutes Wochenende. Sehr ... aufschlussreich. Nochmals, vielen Dank für alles. Auch für die Wäsche!“, ruft er Meißners Frau im Wagenfonds zu.

      „Was ich Ihnen noch sagen wollte, Kollege Benedict. Ich weiß, Sie finden den Oberleutnant Engel ja besonders nett. Nicht dass Sie mich falsch verstehen, wir sind schon lange Kollegen, aber seien Sie mit ihm ein bisschen vorsichtig. Mehr möchte ich dazu nicht sagen, gute Nacht!“

      Nachdenklich blickt der Hauptkommissar den Rücklichtern des Meißnerschen Ladas nach, bis dieser um die Ecke verschwindet. Als er die Eingangstür des VP-Heims öffnet, wendet er sich noch einmal zurück und lässt den Blick prüfend über die am Straßenrand geparkten Fahrzeuge schweifen. Als ihm nichts weiter auffällt, zuckt er mit den Achseln und betritt die Eingangshalle des VP-Gäste-heims.

      7

      Die S-Bahn ist voll, aber Benedict erwischt mit seiner „Berliner Zeitung“ doch noch einen freien Platz. Natürlich beschäftigt die Verhaftung von fünf weiteren RAF-Terroristen auf dem Staatsgebiet der DDR die Medien, und am gestrigen Sonntag ist in dieser so unerhörten Zeit wieder mal Unerhörtes geschehen: die NVA-Ehrenposten am Mahnmal für die Opfer des Faschismus Unter den Linden verweigerten ihren Dienst wegen eines Kranzes, den die hierzulande verbotenen Republikaner dortselbst niedergelegt hatten. Aber das alles scheint die Menschen in dieser merkwürdigen Halb-Hauptstadt wenig zu interessieren. Die Gespräche der DDRler bewegen sich hauptsächlich in eine Richtung: Wie ruble ich meine gesparten Alu-Chips in blankpolierte D-Mark um? Und während die Massenmedien den Balanceakt zwischen Aufklärung über Quoten und Kontenumstellung und Anprangerung des Goldenen-Kalb-Getanzes versuchen, drängen sich die Ost-Berliner in langen Schlangen vor Sparkassen, Postämtern und Banken. Auch das Geschubse bei den „freien“ Devisenhändlern mit den gigantischen Umtauschquoten wird von Tag zu Tag hektischer. Die ganze Hauptstadt der DDR scheint zu einer monströsen Wechselstube verkommen zu sein.

      Als Benedict den sicheren Hafen in der Normannen-Straße erreicht hat, schnauft er erleichtert vor sich hin. Froh, den gierigen Geldwechslern da draußen entronnen zu sein, beginnt er mit dem Studium der neuen Raschke-Vorgänge auf seinem Tisch. Die Routine hat ihn wieder, und er notiert fein säuberlich Namen auf seinen Schreibblock, den er beim Verlassen des Hauses wieder von den Bürgerkommiteelern kontrollieren lassen wird.

      Ganser in Düsseldorf wird sich freuen, denn dieser Raschke hat sich ziemlich effektiv in den Kreisen der DDR-Opposition bewegt. Wie ein Fisch im Wasser, kommt Benedict der Leitsatz aus Maos Brevier über den Partisanenkrieg in den Sinn. Aber der hatte das wohl etwas anders gemeint. Wenn die Leute alle wüssten, wer sie da ans Messer geliefert hat... wem sie so manche schicksalhaft scheinende Wende in ihrem Leben zu verdanken hatten ...

      Während des Essens in der Stabskantine setzt sich der Hauptkommissar etwas abseits und blättert, über den Teller gebeugt, in Diana Meißners Buch über Dean Sanger. Gestern Abend hatte er zwar müde noch ein wenig in dem schmalen Bändchen herumgeblättert, sich aber hauptsächlich die Fotos betrachtet.

      Dean