Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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um Himmels willen ist Dean Sanger.

      6

      „Na, haben Sie am Wochenende schon was vor? Sonst könnten Sie mit zu uns nach Rauchfangswerder kommen. Ich hab da so ’ne kleine Klitsche geerbt!“

      Fast bekommt Benedict eine Kiefersperre, als der MUK-Leiter ihn am Freitagmittag in der Normannenstraße anruft. So was hätte er vielleicht von Engel erwartet, aber bestimmt nicht von dem verkniffenen Meißner. Aber, warum denn nicht? Sicher besser als in dieser volkseigenen Jugendherberge rumzuhängen. Also akzeptiert er das überraschende Angebot des Kollegen, der ihn wenig später mit seinem Lada in der Ruschestraße erwartet.

      „Ich fahr Sie schnell am VP-Heim vorbei. Da können Sie sich umziehen und ... ja ich soll Ihnen von meiner Frau noch ausrichten, wenn Sie schmutzige Wäsche haben, bringen Sie die doch mit. Sie macht Ihnen das übers Wochenende fertig!“

      Immer noch verblüfft über die plötzliche Gastfreundschaft des Ost-Kriminalen, ramscht er dann ein paar Jeans und T-Shirts in seinem Zimmer zusammen, während Meißner draußen im Wagen wartet. Nach einigem Zögern klemmt er sich dann doch den Beutel Schmutzwäsche untern Arm.

      „Wohnen Sie nicht auch hier irgendwo in der Nähe?“, fragt er dann in der Annahme, dass sie Meißners Frau noch zu Hause abholen müssten.

      „Gleich um die Ecke“, antwortet der mit einer vagen Handbewegung, „aber wir können direkt

      raus fahren. Meine Frau und meine Tochter sind schon da!“

      „Sie haben eine Tochter? Wie alt ist die denn?“

      „Sechzehn. Geht noch zur Schule. Und Sie? Haben Sie Kinder?“

      „Hm, hm“, verneint Benedict kopfschüttelnd, und damit hat sich der Gesprächsstoff vorerst für eine Weile erschöpft.

      „Welche Richtung liegt das eigentlich, dieses Rauchfangwerder?“

      „Rauchfangswerder! Mit s dazwischen. Richtung Grünau, wenn Ihnen das was sagt.“

      „Können Sie da vorne halten?“

      „Wo halten?“

      „Da bei dem Blumenstand!“

      Als Benedict nach einer Weile mit einem Blumenstrauß zurückkommt, schüttelt Meißner nur den Kopf. „Das Geld hätten Sie sich sparen können. Wir haben genug Blumen im Garten.“

      Meißners Lada rattert auf einer vierspurigen Ausfallstraße am S-Bahnhof Grünau vorbei. Keine Plattenbauten, keine Mietsblöcke mehr. Benedict genießt den Anblick märkischer Kiefern links und rechts der Straße. Er versucht, das Seitenfenster runter zu kurbeln, aber die Mechanik scheint überdreht, und er belässt es bei dem Versuch.

      „Da drüben wohnt auch Stefan Heym. Falls Ihnen der Name was sagt!“

      Falls Benedict gekränkt ist, lässt er sich das jedenfalls nicht anmerken. Heyms „Kreuzfahrer“ waren ihm im Bücherschrank seiner Eltern in die Hände gefallen. Ein spannender Roman, der ihm den ersten Zugang zu deutscher Gegenwartsliteratur eröffnet hatte. Da war er so um die zwölf gewesen. Später, im Westen dann, hatte er den weiteren Weg des störrischen Schreibers immer mit Aufmerksamkeit verfolgt.

      „Ja. Der Name sagt mir was“, erwidert er, aber seine leisen Worte dringen wohl nicht an die Ohren Meißners, denn der zeigt keinerlei Reaktion.

      Schließlich überqueren sie eine Brücke. Links und rechts tauchen glitzernde Wasserflächen auf. Ein überfülltes Ausflugslokal. Hinter einem Campingplatz biegt Meißner dann rechts in den Kiefernwald ab. In einem villenartigen Wohngebiet halten sie vor einem alten Einfamilienhaus. Als Benedict aus dem Wagen steigt, riecht er Kiefernduft und Schilfmoder, und die plötzliche Stille macht jetzt auch lautes Vogelgezwitscher hörbar.

      „Herzlich Willkommen in der Sommerfrische!“, begrüßt ihn Ingeborg Meißner in der Eingangstür. Als Benedict hinter seinem Rücken den Blumenstrauß hervorzaubert, nimmt sie diesen fast verlegen entgegen. „Da freue ich mich aber!“, sagt sie ein wenig errötend und verschwindet gleich im Haus, um die Blumen zu versorgen. So ganz scheint Meißner seine Frau doch nicht zu kennen.

      „Ich zeige Ihnen, wo Sie schlafen können“, murmelt der und geht voran in den ersten Stock des alten Häuschens. „Wenn Sie Ihre Sachen untergebracht haben, treffen wir uns unten im Garten. Zum Kaffeetrinken.“

      Benedict öffnet das Fenster des kleinen Gästezimmers und atmet tief durch. Hinter dem Haus eine kleine Wiese mit einem gedeckten Kaffeetisch und gleich dahinter spiegelnde Wasserfläche. Das gegenüberliegende Ufer ist vielleicht dreihundert Meter entfernt. Auch dort scheinen Häuser zu stehen. Es ist schön hier. Kaum zu glauben, dass er vor wenigen Stunden noch im Schatten der Normannentürme stand.

      Als sie später bei Pflaumenkuchen und Wespen am Kaffeetisch sitzen, taucht auch Meißners Tochter Diana auf. Höflich, aber den Blick abwendend, gibt sie ihm die Hand und beteiligt sich danach nur an der Unterhaltung, wenn sie gefragt wird.

      „Also, Frau Meißner, Ihr Pflaumenkuchen, einfach super! Sie haben es überhaupt traumhaft hier draußen. So ein schönes, altes Haus! Das es so was noch gibt!“

      „Nehmen Sie doch noch ein Stück, wenn’s Ihnen schmeckt!"

      „Sicher. Das Häuschen ist ganz hübsch. Aber wenn Sie die Villa von Dean Sanger sehen ... ganz anderes Kaliber. Ist hier ganz in der Nähe. Wohnt jetzt nur noch seine Frau mit ihrem Sohn drin.“

      „Oh, Entschuldigung!“

      Vor Überraschung fällt Benedict die gefüllte Kuchengabel in die Kaffeetasse. Braune Flecke bedecken die weiße Tischdecke an seinem Platz, und er bemüht sich verlegen, das Malheur mit seinem Taschentuch rückgängig zu machen.

      „Lassen Sie mal sein. Das wasche ich gleich... zusammen mit Ihren Sachen.“

      Natürlich. Das war’s. Irgendwoher war ihm doch der Ortsname bekannt gewesen. Rauchfangswerder. Hatte er doch in Raschkes Berichten über Dean Sanger gelesen. Immer wieder. dass er da nicht gleich stutzig geworden war. Nur deshalb diese Einladung?

      „Haben Sie das nicht gewusst?“ Meißners Blick über den Kaffeetisch hinweg drückt so etwas wie spöttische Verwunderung aus. „Ingeborg wird Ihnen ’ne Menge über Dean Sanger erzählen können, nu, Inge?“

      „Na ja, hab halt über Amiga viel mit ihm zu tun gehabt.“

      „Amiga?“

      „Nu, unser DDR-Plattenlabel. Da haben wir halt seine Songs und Lieder produziert. Auch mit den tschechoslowakischen Freunden zusammen.“

      „Meine Mutter ist in der Produktionsabteilung von Amiga beschäftigt. Aber wohl nicht mehr lange!“

      „Ach, halt du doch den Mund!“, fährt Ingeborg Meißner ihrer Tochter heftig über den Mund. Die schürzt schnutig die Lippen und rührt mit der Kuchengabel trotzig auf ihrem Teller rum.

      Ihre Mutter fährt unbeirrt fort: „Jedenfalls haben wir Dean sehr gemocht. Er war in der ganzen Republik beliebt... mit seinem Engagement für den Frieden ... und seiner offenen Art. Er war halt so ganz anders als unsere Leute. Ein richtiger Sunnyboy, eben!“

      „Ja,ja. Und singen konnte er auch nicht!“

      „Also,