Freiheit in Kaponga. Jo Moe

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Название Freiheit in Kaponga
Автор произведения Jo Moe
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783347032491



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es bei weitem zu einfach, wenn ich sage, dass mir das Leben in Gotha zu langweilig wurde, so kamen ganz bestimmt mehrere Gründe für meine Wahl zusammen. Der wichtigste dabei ist sehr wahrscheinlich jener, dass meine damalige Freundin, mit der ich eine lange und sehr gute Beziehung hatte und ich beschlossen, getrennte Wege zu gehen. Ich war wieder „frei“. Das heißt „frei“ für eine Veränderung und Berlin reizte mich schon seit längerem. Bei jedem Besuch empfand ich, dass diese unsere schöne, abwechslungsreiche Hauptstadt, nicht nur der Geschichte wegen einfach die Stadt ist, welche im Ganzen die Freiheit in sehr vielen Bereichen verkörpert und wirklich lebt. Keine andere Metropole in Deutschland kann da mithalten und so zog es mich im Jahre 2008 in jene aufregende Stadt. Zudem rückte der Gedanke, wieder mal eine größere Reise anzutreten, immer mehr in meinen Fokus. Denn seit der letzten war der Mond auch schon viel zu oft um die Erde gekreist, aber noch immer war der Zeitpunkt nicht gekommen, an welchem ich mich ganz alleine auf eine Tour bewegen wollte. Doch auch dieses Mal war keiner meiner Freunde und Bekannten bereit, sich mit mir ins Ungewisse zu stürzen. Es schien hingegen eher so, als wären sie alle in einer Schublade im Wohnzimmerschrank gefangen, welches durch ein großes schwarzes Schloss von der Firma Gesellschaft verriegelt worden wäre.

      Manche von meinen Freunden hatten zwar Lust mitzukommen, doch niemand von ihnen fasste den Mut, sich mal eine Auszeit zu nehmen und sich mir einfach anzuschließen. Immer und immer wieder hörte ich leicht über die Lippen gehende Ausreden, wobei das gesellschaftliche Schloss wahrhaftig als Sicherheit vor den Riegel geschoben wurde. Aber sollte mich das nun wirklich daran hindern, in das doch nicht ganz so ungefährliche Südamerika zu reisen? Ich wollte unbedingt und endlich mal auf echte Indianer treffen und sehen, wie sie heutzutage leben sowie ob es sie überhaupt noch gibt?

      Zunächst begab ich mich allerdings im Internet auf die Suche nach einem Menschen, welchen ich nicht lange zum Verreisen überreden brauchte und lernte in einem Weltreiseforum Karina kennen. Wir chatteten ein paar Mal hin und her und waren uns trotz des digitalen Kennenlernens recht sympathisch. Zu diesem Zeitpunkt hatte die vorweihnachtliche Zeit bereits begonnen, überall roch es nach Glühwein und so verabredeten wir uns in Berlin auf dem Weihnachtsmarkt des Gendarmenmarktes auf einen heißen Wein. Dieses kurze Treffen sollte unser einziges bleiben und da die Zeit vor dem Abflug immer knapper wurde sowie keiner von uns beiden noch großartig Lust verspürte, nach anderen Mitstreitern zu suchen, verabredeten wir uns auf ein zweites „Date“ in Miami. Doch vor dieser zweiten Begegnung kam es zu einem echt angenehmen Zufall. Mein großer Bruder und sein Kumpel beabsichtigten, Ende Januar nach Jamaica in den Urlaub zu fliegen und fragten mich, ob ich mich ihnen nicht anschließen wollen würde. Selbstverständlich brauchte ich nicht lange darüber nachzudenken und buchte wenige Tage später ebenfalls einen Flieger auf die Insel.

      1 Diese Straßenbahn rollt auf dem größten Straßenbahnnetz des Planeten

      Kapitel 3

      Zweite große Reise – Jamaica, Miami, Panama, Peru, Bolivien, Argentinien, Uruguay, Brasilien

      Mein Trip begann also erstmal auf einer Insel und sozusagen als Urlaub in einem Hotel. Am 29. Januar 2010 standen mein großer Bruder David, sein hungriger Kumpel Leo und ich vor dem Flughafen in Montego Bay in Jamaica, grinsten über die vielen Ohren hinweg und betonten alle drei zusammen: „Hier sind wir richtig!“

      In Deutschland wehte uns noch der kalte winterliche Ostwind unangenehm in unsere Gesichter und deshalb freuten wir uns umso mehr auf die angenehme Wärme. Kaum, dass wir aus dem Gebäude gestolpert waren, stoppten wir unsere Schritte vor einem Van mit dröhnendem Bass und Bob Marley Musik. Die Schiebetüren des Kleinbusses waren weit geöffnet und so hämmerten uns die Töne brachial und lautstark entgegen. Klar, dort stiegen wir ein und ließen uns, es war bereits dunkel, mitten durch lebhafte Straßen, etliche herumturnende Menschen und beinah genauso viele selbst zusammengezimmerte nostalgische Öfen, die qualmend am Straßenrand standen, in die Nähe von Negril ins Hotel chauffieren. Alles wirkte auf den ersten und zweiten Blick sehr chaotisch und es roch nach Gegrilltem. David und Leo hatten sich ein feines, kleines Zimmer in einem Hotel, zum Glück ohne Vollpension, für zwei Wochen gebucht. Ich wurde von den beiden als Untermieter genehmigt, durfte es mir auf dem Fußboden gemütlich machen und bot als Gegenleistung vorm Schlafengehen an, etwas zur Geschichte Jamaicas vorzulesen.

      „David, hörst du auch zu? Na gut, dann fang ich mal an. Ruhe jetzt, Jungs!“ Doch schon nach wenigen Sätzen bemerkte ich, dass ihnen die trockene Geschichte wohl zu langweilig wurde, denn sie schlummerten bereits in ihren eigenen Träumen und Erlebnissen. Bald klappte auch ich beide Augen zu, um am kommenden Tag wieder fit für die eigene Geschichte zu sein. Weil wir uns täglich früh morgens nach dem Aufstehen damit abwechselten, einander an die Realität zu erinnern, dass in Deutschland der tiefste Winter herrscht, waren wir einfach daran erfreut, die meiste Zeit über faul im Sand am Strand herumzulungern, oder ließen uns zudem gerne mit einem Taxi durch den Dschungel ins Hinterland hineinchauffieren. Ja, wir hatten viel Spaß und waren eigentlich pausenlos am Grinsen, aber auf der anderen Seite war es unschön, wie wir öfters von den Einheimischen behandelt wurden.

      So fühlte ich mich nicht selten völlig verarscht und nicht ernst genommen, was meistens daran lag, dass die Taxifahrer sich an überhaupt keine Abmachung halten wollten. Uns wurde beispielsweise ein gewisser Betrag zu Beginn der Fahrt am Ende meistens für absurd erklärt und beinah jedes Mal wurde uns eine immens höhere Summe als vereinbart in Rechnung gestellt. Wenn wir diese Summe nicht bezahlen wollten, dann wurden die Jungs nicht nur frech, sondern auch böse und wir waren teilweise froh, dass wir es immer schafften, wieder heil aus dem Taxi zu springen.

      Weiterhin empfand ich den Umgang der Menschen untereinander nicht gerade als respektvoll und wir bekamen sogar von manch einem Jamaikaner selbst zu hören, dass eine Mutter ihrem eigenen Sohn in Sachen Geldangelegenheiten nicht über einen ehrlichen Weg trauen kann. Folglich war für mich klar, dass ich kein zweites Mal meine Füße auf diese Insel setzen würde, denn schöne Sandstrände gibt es auch anderswo …

      David und Leo hatten sich schon in Deutschland dazu entschlossen, mich nach Miami (USA) und bis nach Panama zu begleiten. Die Sicherheitskontrollen am Flughafen in den Staaten mit Fingerabdruck und Co. empfand ich als etwas erdrückend. sie zeigten mir, dass in den USA mit Sicherheit zum Thema Sicherheit ein anderer Wind weht. Nach dem 11. September konnte ich das aber wirklich sehr gut nachvollziehen. Für mich war es das erste Mal, dass ich amerikanischen Boden betreten sollte und irgendwie konnte ich meine Aufregung vor den Jungs nicht versteckt halten. Bei ihnen wuchs ebenso die Vorfreude auf das kurze Vergnügen, denn für uns Bürger aus der damaligen DDR bedeutete die USA eine der liberalsten Nationen dieser Erde schlechthin am anderen Ende des Ozeans, und symbolisierte ein großes Tor in die Freiheit. So empfand ich es als Kind und kaute sehr gerne auf Kaugummis herum …

      Dann war es also so weit und wir drei stromerten, jeder mit einem Strohhut — diese Kopfbedeckungen schmückten bereits auf Jamaica unsere Köpfe — auf der Stirn, durch einige der Straßen am Miami Beach entlang. Nachdem wir zwischen all den unechten, affektierten Menschen und Frauen mit überdimensional aufgespritzten Lippen, welche aussahen wie entsprungen aus einem schlecht produziertem 3D-Comicfilm, herumspaziert waren, trafen wir auf mein „Date“. Ich hatte Karina frühzeitig per E-Mail gewarnt, dass ich mit zwei Compagnons unterwegs bin und als sie mich erkannte, begrüßte sie uns zunächst nicht etwa, sondern musste erst einmal einige Lacher los werden: „Wisst ihr, wie ihr ausseht? Kennt ihr noch Sancho und Pancho vom Teich?“ Doch waren wir im Anschluss nicht etwa wegen dieser Bemerkung beleidigt, sondern fühlten uns durch sie nur bestätigt, denn wie wir für die Außenwelt wirkten, das wussten wir natürlich und stimmten in ihr Gelächter mit ein. Nun hatten wir eine weibliche Begleitung, erkundeten gemeinsam die Stadt in einem Bus und darüber hinaus betrachteten wir vom Boot aus spezielle Gegenden, wo die mächtigen Villen von Madonna und anderen Berühmtheiten standen. Sollte das etwa „Magic“ sein?, fragte ich mich, denn Miami wird gern als „Magic City“ betitelt und war ja auch recht ansehnlich, aber in was sich genau der Zauber zeigen sollte, konnte ich auf diesen Wegen noch nicht entdecken. Ich empfand den Moment, da wir mit einem Airboat durch den Everglades National Park rasten und nach schreckhaften Krokodilen in den Mangrovenwäldern spähten um einiges spannender, als mir die Villen von irgendwelchen Berühmtheiten anzusehen. Ja, denn auf solch „Adventures“ hätte ich garantiert verzichtet,