Freiheit in Kaponga. Jo Moe

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Название Freiheit in Kaponga
Автор произведения Jo Moe
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783347032491



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nur wenigen Schritten, mein Zimmer. In dem Moment, als die Frau die Tür öffnete, war ich nicht mehr in der Lage, mir mein bitteres Lachen zu verkneifen. Ich sollte doch tatsächlich in einer Besenkammer übernachten. An der Stelle des Besens hingegen lag auf dem Fußboden bloß eine alte, ranzige Matratze … ja, mehr gab es in dieser Kammer tatsächlich nicht. Oder etwa doch? Ja, aber noch war die Zeit nicht gekommen, mich in meinem Kabuff zu verkriechen sowie der Sache gründlicher auf die Spur zu kommen. Nein, vorher sollte ich der älteren Dame noch Gesellschaft leisten und so stellte sie mir zwischen den vielen Fragen nebenbei auch mein Abendbrot zusammen, welches sich aus einem Brot mit Erdnussbuttercreme und einer Mandarine zusammensetzte. Mehr gab es tatsächlich nicht, doch da mir beständig etwas flau im Magen war und mir der Gedanke von Hänsel und Gretel stets im Kopf herumschwirrte, empfand ich das wenige Essen genau passend zu sein. Mir war somit klar, dass sie mich schon mal nicht mästen wollte. Danach verabschiedete ich mich in die Nacht, stiefelte in meine Besenkammer und bevor ich mich auf die Matratze schmiss, schüttelte ich ein paar Mal allen Staub aus der Decke. Anschließend hockte ich mich eher behäbig auf die Matratze, starrte in die triste Räumlichkeit und fühlte mich wieder allein …

      Aber ganz alleine war ich dann gar nicht, denn meine Mitbewohner hießen nämlich Spinne, Kakerlake und Co. Und in diesem Augenblick, als ich diese Tiere, vor denen ich mich wirklich ekel, entdeckte, fühlte ich mich erst recht k.o. und war auch nicht mehr in der Lage dazu, irgendetwas zu unternehmen, um der einzige Bewohner der Besenkammer zu werden. Um sieben Uhr in der Früh klopfte mich die Hausdame aus meinen komischen Träumen. Bin ja mal gespannt, was es zum Frühstück gibt.

      Als ich mich dann vor dem Frühstückstisch wiederfand, entdeckte ich zwei Toastbrote mit Honig, die für mich reserviert waren. Das Festmahl dauerte vielleicht drei Minuten, machte mich natürlich alles andere als satt und so glotzte ich etwas krumm, als mir die verschlafene Dame im karierten Nachthemd ein großes Küchenmesser und nicht etwa das dritte Toast in die Hand drückte. Im Anschluss folgte ich ihr entlang eines schmalen Weges durchs Gebüsch bis zur Plantage. Ok, das ist also mein neuer Arbeitsplatz.

      Meine Aufgabe war es dort, mich zwischen Mandarinenbäumen auf die Knie zu hocken und diese mit dem Messer vom Unkraut zu befreien. Ich tat, wie mir geheißen und schwitzte bei jeder noch so winzigen Bewegung. Knapp drei Stunden später stand die Chefin erneut vor mir, schickte mich in die Pause und ich durfte eine saftige Mandarine zerbeißen sowie etwas Flüssigkeit schlucken und sollte mich anschließend nochmals unter die Mandarinenbäume gesellen. Zwei Stunden später wurde ich endlich in den verdienten Feierabend entlassen. Ganze drei Tage verbrachte ich nach diesem Muster — kriechend unter Zweigen in der Einsamkeit und zwischen den Bäumen im dichten Dschungel. Klar, dass ich nach diesen Stunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten, da sie einfach nicht vergehen wollten, damit liebäugelte, wieder zurück in die Zivilisation zu fahren. Als ich später zurück in Noosa war, belohnte ich mich sofort bei der Ankunft in einem kleinen Reisebüro mit der Buchung eines zweitägigen Trips und freute mich riesig auf Fraser Island, die größte Sandinsel der Welt. Nur einen Tag später konnte es losgehen und meine Reisegruppe bestand aus zehn Abenteuerlustigen, drei Fahrern und drei Jeeps. Und da auf der Insel keinerlei Straßen gebaut wurden, pfefferten wir direkt am Strand entlang, vorbei an zahlreich aufgescheuchten Dingos, türkisfarbenen Lagunen, Mangrovensümpfen und großen Eidechsen, die aussahen, als kämen sie von einem anderen Planeten. Hin und wieder durften wir auch zu Fuß die Gegend erkunden und uns die von den Gezeiten geformten, farblich sehr schönen Sandfelsen an der Küste sowie alte Schiffswracks, welche rostend am Strand lagen, ansehen. Der Ausflug war eine wirklich schöne Abwechslung und verschaffte mir neue Energie. Nach der Tour brachte mich abermals ein Greyhound Bus zurück nach Brisbane und zu meinem Cousin. Zwei Tage blieb ich bei Robert, machte mich anschließend nochmal für eine Nacht in ein Hostel und verabredete mich per Telefon für den darauffolgenden Tag mit einer verwirrt klingenden Frau. Die Frage danach, was denn meine Aufgaben bei ihr wären, beantwortete sie beiläufig einfach so: „Ach, es ist nicht viel zu machen, ich brauche einfach nur eine kleine Unterstützung im Haus.“

      Die Adresse hatte ich, wie die anderen auch, in einem WWOOFing-Buch, wo sich all die Farmen sowie Haushalte et cetera vorstellten und sich für die Suchenden als Gastgeber anbieten, gefunden. So machte ich mich auf den Weg zu meiner dritten WWOOF-Stelle, in einen Vorort von Brisbane und als ich dort ankam sowie ein paar Mal an die Haustür geklopft hatte, öffnete sie mir schließlich besagte Frau. Sie reichte mir, und ohne mir dabei in die Augen zu schauen, ihre lasche, schwitzige Hand und winkte mich in ihre Wohnung, bereitete mir eine warme Apfelsaftschorle zu und sagte in einem unfreundlichen Ton: „Du brauchst es dir erst gar nicht gemütlich machen, denn ich brauch schon gleich mal deine Hilfe.“ Dabei richtete sie beide Hände zum Küchenfenster und verkündete mir, dass ich den Fensterrahmen aus den Angeln nehmen und diesen dann in den Keller bringen solle, um ihn folgend abzuschleifen und zu guter Letzt neu zu bestreichen.

      Nur ‘ne Kleinigkeit, schon klar … dachte ich, machte mich jedoch sofort an die Arbeit, rupfte irgendwie den blöden Fensterrahmen aus der Wand und verschwand für die nächsten Stunden im dunklen Keller. Sowie ich dann verdattert und schlecht gelaunt im Keller stand und den blöden Rahmen bestrich, fasste ich meine farblosen Gedanken zusammen und erfreute mich an der Vorstellung, am nächsten Tag wieder die Biege zu machen. Die Alte kann mich mal. Denkt wohl, ich bin ihr dummer Sklave oder was!

      Als ich schließlich endlich fertig war, stolperte ich mit einem komischen Gefühl die Stufen zurück in den Wohnraum, wo sie am Herd in der Küche stand, in eine hässliche, graue Schürze gewickelt, und sich nicht etwa für meine Arbeit bedankte, sondern mir stattdessen ihre ganze Unaufmerksamkeit schenkte. Wahnsinn, die hat se doch nicht mehr alle!

      Ihr Blick war dabei tief in den Topf gerichtet und es dauerte noch ein bisschen, bis sie mir zurief, dass ich doch am Wohnzimmertisch Platz nehmen solle. Danach stampfte ich mit extra lauten Schritten ins Wohnzimmer und erschrak beinah, als ich einen dicken Mann entdeckte, der bereits breitbeinig am Esstisch fläzte und vor Schweiß nur so triefte. Etwas zaghaft brachte ich ein „Hello“ aus mir heraus und stellte mich kurz bei ihm vor. Doch was macht dieser Fettsack? Ja, der blieb natürlich in seiner gespreizten Position, brabbelte irgendwas in seinen schmierigen rothaarigen Bart, schaute dabei apathisch an die eintönige Wand und kippte sich in diesem Augenblick einen großen Schluck Bier in den Wanst. Na dann, prost Mahlzeit! In was für einem Irrenhaus bin ich denn hier gelandet?

      Aber es blieb mir nichts anderes übrig, als mich neben diesen fetten Sack an den Tisch zu hocken und mich mit ihm im Schweigen zu battlen, bis die Krähe mit einem ungenießbaren Eintopf an den Tisch kroch und für einen Moment die bedrückende Stille durchbrach. Danach fraßen sowie schwiegen wir zu dritt und ich beschwor den Zeitgott, dass er schnell die Morgendämmerung heraufbeschwören möge. Noch nie zuvor hatte ich in solch einem Tempo so eine ekelerregende, heiße Suppe in mich hineingeprügelt und verabschiedete mich bereits vor dem letzten Löffel in die Nacht. „Ich bin müde und brauche Schlaf.“

      „Gut, dann mach dich ins Bett. Morgen früh um acht Uhr gibt es Frühstück.“ Ja ja, das glaubst du doch selber nicht, dass ich mich morgen mit euch noch einmal an den Tisch setzen werde und rannte mit dem Gedanken auf mein Zimmer. Dummerweise steckte in meiner Zimmertür kein Schlüssel und so kramte ich etliches, was ich im Raum fand, auf einen Stuhl und stellte ihn behutsam vor die Tür. So baute ich mit Absicht eine sehr wackelige Konstruktion aus Büchern und einer Trinkflasche zurecht, im Glauben, dass ich sofort wach werden würde, falls einer dieser Störche auf die dumme Idee käme, mich in meinem Zimmer besuchen zu wollen. Doch all der Aufwand wäre überhaupt nicht nötig gewesen, denn jene Nacht fühlte ich mich einfach viel zu aufgeregt, als dass ich auch nur ein Auge hätte zumachen können. Frühs um sieben Uhr am nächsten Morgen stand ich auf, packte meine Sachen zusammen und wollte mich einfach davonschleichen. Die Krähe war jedoch bereits munter, krächzte mir nach und rief völlig verzweifelt: „Du fauler, dummer Junge!“ Kaum hatte sie ihr Gebrüll beendet, drehte ich mich nochmal um, richtete dabei den Blick zur Tür, streckte ihr den längsten Finger meiner rechten Hand entgegen und fühlte mich freier als je zuvor.

      Zurück in Brisbane graste ich ein paar Hostels ab und quartierte mich letztendlich in ein Sechsbettzimmer ein. Die Nächte nervten, da ich es jedes Mal mit rücksichtslosen Menschen zu tun hatte, die einfach