Freiheit in Kaponga. Jo Moe

Читать онлайн.
Название Freiheit in Kaponga
Автор произведения Jo Moe
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783347032491



Скачать книгу

recht angetan vom spürbar lässigen Verhalten der Australier.

      Melbourne hatte in der Zeit, als die ersten Siedlungen in Australien entstanden, das Glück, dass es nie als Strafkolonie genutzt wurde und deshalb machten sich die damaligen Architekten dieser Stadt mehr Gedanken um wohnlicheres Flair mit zahlreichen angelegten Parks. So genoss ich es, durch die grüne Landschaft zu wandern und entspannte meine Knochen hin und wieder damit, mich in eine der Straßenbahnen1 zu hocken. Auf diesem Weg lernte ich die Stadt sowie ein paar Geschichten kennen, wie beispielsweise die Story eines Aussis älteren Semesters, der mir berichtete, dass Melbourne einst von einem gewissen Herrn Batman gegründet wurde. Ja, genau solche und ähnliche Begegnungen stimmten mich fröhlich, da es so leicht war, mit den Einheimischen ins Gespräch zu kommen.

      Am zweiten Tag gesellte sich Sebastian, meine Internetbekanntschaft, zu mir und ich war durchaus froh, nicht mehr alleine durch die Straßen spazieren zu müssen. Gemeinsam machten wir uns am nächsten Tag auf den Weg nach Sydney und waren schwer beeindruckt von dieser Stadt sowie seinen entspannten Bewohnern, sodass wir uns schnell einigten, ein paar Tage zu bleiben und stürzten uns öfters am berüchtigten Bondi Beach in die gefährliche Brandung. Anschließend zogen wir weiter über Newcastle und Port Macquarie bis zur Goldcoast. Und auf all diesen Wegen bemerkte ich in immer mehr Situationen, dass dieser Kerl aus der virtuellen Welt eigentlich überhaupt nicht zu mir passt, oder auch ich nicht zu ihm … Er war völlig unentspannt und wollte am liebsten bereits kurz nach der Ankunft an einem beliebigen Ort schon die weitere Route planen. Für mich aber zählte erst einmal das Ankommen selber und dann mal schauen, was sich alles ergibt. Wegen dieser Dishamonie, die uns beiden auf die Nerven ging, entschieden wir uns in Surfers Paradise dazu, getrennte Wege zu gehen und ich hoffte darauf, schnell jemand Passendes für die weitere Reise zu finden. Doch bevor es so weit wäre, würden wir noch gemeinsam ein für mich sehr prägendes Erlebnis erleben. Ja, leider sollte das meine bis dato schlimmste Erfahrung werden und das an einem Ort mit solch einem vielversprechenden Namen. Das traurige Ereignis passierte am späteren Nachmittag am Strand von Surfers Paradise.

      Ich liebte es schon immer besonders, am Meer rumzuhängen, wenn sich die Sonne mit nicht mehr allzu großer Macht am Himmel präsentiert und so war es dann auch an diesem Tag. So blieben wir in diesen beschaulichen Momenten noch im Sand hocken, als schon die meisten Menschen das Weite gesucht hatten und beobachteten ein paar Surfer. Selbst die Lifeguards, die ansonsten den Strandabschnitt bewachen, entschieden sich dazu, ihre Sachen einzupacken und sich vom Acker zu machen. Kurz nachdem sie verschwunden waren, wollte ich mich dennoch nochmals in die Fluten stürzen. Sebastian blieb hingegen im Sand hocken und wollte aus dem Grund, weil ja keine Beschützer mehr vor Ort waren, nicht mehr ins Wasser. „Ach, komm schon Junge, was soll schon passieren, du kannst doch schwimmen“, winkte ich ihm während dieser Worte auffordernd zu und rannte ins Meer. Doch bereits nach wenigen Augenblicken — ich war eigentlich gerade erst ins Wasser gesprungen — spürte ich plötzlich, dass sich irgendetwas anders verhielt als sonst. Aber bemerkte erst nach wenigen Sekunden, was tatsächlich passiert war und erschrak, als ich erkannte, dass sich der Strand von mir ungeheuerliche 60 bis 80 Meter entfernt hatte. „Ach du Scheiße, was soll jetzt dieser Mist!“, fluchte ich panisch in die Fluten. Ich bekam Angst und versuchte dummerweise mit all meinen Kräften gegen die starke Strömung zurück zum Ufer zu schwimmen, aber es geschah rein gar nichts. Ich kam einfach keinen Meter vorwärts. Mein Herz pochte dabei so stark, dass ich nicht nur wegen der Anstrengung kaum mehr Luft zum Atmen hatte. In diesen Momenten brüllte ich um Hilfe und blickte in alle Richtungen, ob vielleicht ein Surfer in der Nähe sei und mich retten könnte. In vielleicht 20 Metern Entfernung entdeckte ich einen anderen Treibenden und musste erschreckenderweise feststellen, dass auch er sich quälte, da er ebenso in eine dieser verfluchten Strömungen geraten sein musste. In diesem Augenblick wurde mir glasklar, dass ich ganz auf mich alleine gestellt war.

      Mir wurde bewusst, dass ich um mein Leben kämpfen musste, was bedeutete, dass instinktiv mein ganzer Körper einen puren Adrenalinstoß entwickelte, dabei gleichzeitig die Angst ihren Platz räumte und mein Inneres nochmals all seine Kräfte mobilisierte, um an sein äußerstes Limit zu gehen. Ja, ich spürte nahezu jede kleinste Faser meiner Muskulatur, als ich wie ein Maulwurf im Wasser herumwühlte und noch immer nur kleckerweise vorankam. Natürlich hatte ich keine Lust zu ertrinken und nahm selbstverständlich den ungerechten Kampf gegen die Fluten an. Wild brüllte ich um mich, aber das Meer zeigte kein Erbarmen mit mir, dafür jedoch, dass es viel stärker als ich ist und dazu schluckte ich pausenlos das salzige Wasser. Allerdings nach einigen aussichtslos zu erscheinenden Minuten hatte ich mir das Glück erkämpft und trieb nun leicht schräg durch die Wellen, ja irgendwie geriet ich instinktiv auf den richtigen Weg zurück zum Strand. Genau dieses aufblitzende Aha-Erlebnis brauchte ich auch, um weiterhin meinen Kopf über Wasser zu halten und konnte den mich rettenden Sand schon förmlich riechen, bis ich letztlich nach gefühlten unendlichen Minuten des Gefechts sprichwörtlich völlig erschöpft ans rettende Ufer kroch! Und dann … lag ich erstmal einfach nur da. Meine Lunge schnappte beängstigend nach Luft und ich spürte in meinem gesamten Körper einen einzigen großen mich überziehenden Krampf. Aber ich war heilfroh, am Leben zu sein. Wenige Augenblicke später sprintete Sebastian und ein hektischer, sehr besorgt erscheinender junger Asiate auf mich zu und beide zeigten auf den anderen Lebensmüden, der noch immer mit den Wellen rang.

      Mit letzten Kräften stellte ich mich an ihre Seite und erkannte schließlich auch den Kopf, der noch immer zu weit vom Strand entfernt war und wusste, dass der Asiate den Kampf gegen die Strömung nicht gewinnen würde, wenn nicht ganz bald Hilfe käme. „Die Liveguards sind schon auf dem Weg“, sagte Sebastian. Irgendwann, ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, waren sie endlich da, hechteten sich auf ihre Surfbretter und schossen zu dem in diesem Zeitpunkt für mich kaum mehr zu erkennenden Menschen. Es wirkte planlos, wie die Retter umhertrieben und nach dem Kerl suchten, bis ein Helikopter eine hoffnungsvolle Unterstützung leistete. Zeitgleich wurde am Strand und um uns herum der Andrang an gaffenden Menschen stets größer und sogar ein TV-Team glotzte durch die großen Kameras, aber viel schlimmer verhielt sich die Tatsache, dass der junge Asiate nicht mehr zu sehen war … Die Suche erwies sich leider als umsonst und der junge Mensch blieb spurlos in den Tiefen des Meeres verschwunden. Schnell hatte sich der Menschenschwulst wieder gelöst und der Hubschrauber das Weite gesucht, doch ich hockte noch immer am selben Fleck und hatte Bauchschmerzen, was nicht vom viel zu viel geschluckten Wasser herrührte. Ich hatte überlebt, aber ein anderer hatte nicht so viel Glück. Ja, es hätte auch mich treffen können …

      Zwei Tage später wachte ich nicht nur wegen der Hitze schweißgebadet von dem nun schon zum zweiten Mal erlebten und unseligerweise wahren Albtraum, auf. Wo bin ich?, dachte ich mit echter Furcht. Und jedes Mal dauerte es ein paar Augenblicke, bis ich erleichtert erkannte, dass ich nicht mehr gefangen in der Strömung, sondern alleine in einem trockenen Bett in einer winzigen Kammer bei einer Familie auf einer Farm lag. Das Zimmer war aber so klein und zudem vollgepackt mit staubigen Büchern, dass ich tatsächlich nach Luft schnappen musste.

      Einen Tag zuvor hatte ich mich weg vom Wasser und von Surfers Paradise bewegt, auf der neuen Spur hinein in den Dschungel und zu meiner ersten WWOOF-Farm, wo ich am Tag um die vier bis fünf Stunden zu arbeiten hatte und dafür freie Kost sowie Logis bekam. Damals hieß die Abkürzung WWOOF ausgesprochen noch „Willing Workers on Organic Farms“, aber diese Bezeichnung wurde etwas später in „World-Wide Opportunities on Organic Farms” umbenannt. Die Idee dahinter ist und bleibt jedoch die gleiche: man bringt Menschen zusammen, welchen es auf einer Farm ermöglicht wird, einen naturverbundenen Lebensstil kennenzulernen. Natürlich empfand ich diesen Einfall auch damals schon als sehr interessant, allerdings möchte ich dabei nicht leugnen, dass ich mit dem Programm nicht nur einen tieferen Einblick in das Leben der Menschen in Australien bekommen wollte, sondern mit dieser Art des Reisens etwas Geld sparen konnte.

      Die Farm befand sich mitten im Wald, circa 50 Kilometer entfernt von Surfers Paradise, umschlossen von riesigen Eukalyptusbäumen und völlig abgeschieden von nervigen, über den Zaun blickenden Nachbarn. Die Arbeit, die ich dort zu verrichten hatte, bestand größtenteils daraus, das gesamte Grundstück zu „säubern“, wie Bäume zu beschneiden und verrottete Sträucher aus dem Grund zu rupfen, was aber bei dieser extremen Hitze nicht unbedingt eine leichte Aufgabe und überhaupt nicht mit der Arbeit auf dem Friedhof zu vergleichen war. So freute