Freiheit in Kaponga. Jo Moe

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Название Freiheit in Kaponga
Автор произведения Jo Moe
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783347032491



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Mutti an die Mecklenburgischen Seenplatten. Als Kind war es dort immer wieder, von Jahr zu Jahr, wunderschön und es wurde auch nie langweilig. Zu diesem Zeitpunkt lebten wir in der tiefsten DDR und hatten, also insbesondere meine Eltern, nicht wirklich die Freiheit, selbst entscheiden zu können, wohin es über die Grenzen des Gebiets hinweg gehen könnte. Gern möchte ich an dieser Stelle kurz zusammenfassen — ob es mich nun direkt betraf oder nicht — was den Staat meiner Kindheit ausmachte. Ja, ich darf schon mal verraten, dass mich dieses totalitäre System allemal sehr geprägt hat. Die DDR — sie war eine beklemmende, ja ganz und gar einklemmende Diktatur, die sich am Bild des großen Bruders der Sowjetunion orientierte und sich diesen kommunistischen Staat zum gewichtigen Vorbild machte. In jedem Klassenzimmer unserer Schule in Friedrichswerth hing in großen braunen Rahmen eingeschlossen an der Wand das ernste, mahnende Gesicht Ernst Thälmanns, der einst Anhänger der KPD war; die Politik und die Wirtschaft wurden zentral vom Staat geregelt und jeder private Besitz, vor allem Unternehmen und Geschäfte, gingen in staatlichen Besitz über. Es wurden Produkte, speziell die der Lebensmittel, sowie Bekleidungsindustrie, vom Staat subventioniert, weshalb es sogar möglich war, dass ein Brötchen nur fünf Pfennige kostete. Aber sobald die Waren aus dem Westen eingeliefert wurden, schnellten die Preise in die Höhe. So bezahlten wir für eine Ananas gleich mal 18 Mark und selbst die ungenießbaren Dinge kosteten vergleichsweise richtig viel Geld.

      „Luxusgüter “ (moderne, „hochwertige“ Dinge) waren somit stark überteuert, so dass wir für unseren Ost-Farbfernseher um die 5000 Mark hinblättern mussten, wofür meine Eltern natürlich eine halbe Ewigkeit sparen mussten. Mein Vater war zum damaligen Zeitpunkt Alleinverdiener und erzielte bei weitem nicht den durchschnittlichen Verdienst eines DDR-Bürgers von etwa 1000 Mark. Auf die sogenannten „Westwaren“, die man in den Intershops erhalten konnte, hatten wir allerdings noch keinen Zugriff. Das waren kleine Läden an wenig auserwählten Orten, in denen die Westprodukte nicht mit der DDR-Mark bezahlt werden konnten, sondern nur mit Fremdwährungen, wie beispielsweise der West-Mark. Diese Währung des deutschen Nachbars durften die Ostbürger jedoch nicht besitzen und somit war es den Menschen in den frühen Achtzigern nicht möglich, in den Genuss der im westlichen Teil Deutschlands existierenden Produkte zu kommen, bis dieses Gesetz schließlich später aufgehoben wurde. Bevor es jedoch dazu kam, konnten zunächst nur die Westbürger oder Menschen aus diversen weiteren Ländern jene Geschäfte als echte, einzige Zielgruppe besuchen. In diesen „Oasen“ erhielten dann später zudem auch endlich die „Ossis“ alle möglichen Genussmittel, die ansonsten in keinem anderen Laden erhältlich waren. Doch zudem waren jene Waren, die von der DDR selbst produziert wurden, wie zum Beispiel der Trabant, nur äußerst begrenzt im Handel erhältlich. Ja und so wurde meistens schon bei der Geburt eines Menschen ein Trabi bestellt, damit man eben mit solch einer kostbaren „Dachpappe“, sobald der 18. Geburtstag erreicht war, pünktlich über den Asphalt schleichen konnte. Selbst unsere Familie war im Besitz eines älteren Trabis und ich kann mich gut erinnern, wie wir bei Fahrten durch den Regen mit Hilfe von Schwämmen die Dachpappe von einsickernden Pfützen befreien mussten. Aber wir jammerten nicht darüber.

      Was mir weiterhin sehr gut im Gedächtnis geblieben ist, dass auch ich mich für Schokolade oder grüne Bananen stundenlang in eine Reihe vor dem Dorfkonsum einreihen musste. Sprich, um überhaupt etwas zu bekommen, sollte ich mich am besten schon vor der Öffnung des Ladens, das heißt früh morgens, in die Schlange stellen, um eine realistische Chance zu haben, überhaupt irgendetwas ergattern zu können.

      In der DDR herrschte im Prinzip nur eine einzige Partei, die SED, die aus den Forderungen der Sowjetunion entstand, wobei es zu einer Zwangsvereinigung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) kam. Aus diesem Grund kann niemand behaupten, dass es freie Wahlen gab, was bedeutete, dass das Volk jene furchtbare Politik in keine positive Richtung beeinflussen konnte. Die Menschen wurden stattdessen dazu gezwungen, zu gehorchen. „Wer sich dagegen wehrte, fand sich hinter Gittern wieder und fiel dort auch nicht selten auf menschenverachtendste Art und Weise den verbrecherischen Methoden wie Folter und Vergewaltigung zum Opfer.“ (Zeitzeuge)

      Diese Einschränkungen sollten jedoch nicht die einzigen sein, die der DDR-Bürger am besten ohne auffällig mit der Wimper zu zucken, einfach hinnehmen musste, denn die Stasi sah einfach alles! Ja, auch unsere Familie wurde bespitzelt und nicht nur der nette Nachbar von nebenan; ebenso gehörten gute Freunde meiner Eltern zu dieser Kategorie Spitzelmensch. Doch was mir noch mehr an Lebensqualität genommen hätte, wenn ich in der geschilderten Zeit bereits älteren Semesters gewesen wäre, ist der Fakt des begrenzten Reisens. Sicherlich nutzten die meisten DDR-Bürger die Wochen der großen Sommerferien, um ihren Urlaub anzutreten. Wir, meine zwei Brüder und ich, hatten das Glück, dass unsere Eltern niemals den bekloppten Einfall hatten, uns in diesen schulfreien Zeiten in ein Kinderferienlager zu stecken. Neben der „wunderbaren Idee“ dieser Einrichtungen, in denen den armen Kindern nicht nur beim Singen von DDR-Liedern das DDR-System ins Gehirn geblasen bekamen, existierte sogar eine weitere Urlaubsalternative für die gesamte Familie — diese wurden als FDGB-Ferienheime bezeichnet. Von der Mutter meines damaligen besten Freundes erfuhr ich, dass es nicht gerade einfach war, dort einen Platz zu ergattern sowie dass eine Ferienkommission der Betriebe darüber bestimmte, ob man dort im Urlaub unterkam oder nicht. Und ich weiß auch noch wie heute, wie sie öfters darüber schimpfte, dass ja die DDR-treuen Bürger, die der SED oder der Stasi angehörten, weitaus bessere Chancen auf diese begehrten Ferienplätze hatten. Doch trotz ihrer „Linienuntreue“ kamen sie als Familie mal in den Geschmack, dort ihre Urlaubszeit zu verbringen und so wussten sie mir zu erzählen, dass an solchen Orten alles ziemlich straff durchorganisiert war und selbst die Essenszeiten strickt geregelte Termine waren. Und selbst die künstlich geschaffene gute Laune war ein Befehl und wenn man auf diesen Blödsinn keine Lust hatte, wurde den freidenkenden Menschen natürlich das individuelle Reisen in diesem rostenden DDR-Käfig sehr schwer gemacht.

      Erst viele Jahre später habe ich erfahren, dass die Menschen, um beispielsweise an eine Ferienwohnung an der Ostsee zu kommen, mit einem Eigentümer dieser Wohnungen verwandt sein mussten und selbst diese alberne Bestimmung hatte das DDR-Grundgesetz geregelt. Außerdem war er so, dass man auch nicht eben mal mit einem eigenen Boot auf diesem Gewässer herumschippern durfte, denn es bestand dabei ja theoretisch die Möglichkeit der Flucht aus dem Land. Gerade in diesem Gebiet an der Ostsee wurde die Freiheit massiv eingeschränkt, indem „wildes Campen“ strengstens untersagte wurde. Damit sich die Menschen der DDR an jene absurden Richtlinien hielten, wurden hunderte Polizisten sowie Sicherheitskräfte, die sich stets und ständig im Einsatz befanden, überall hin platziert. Kaum vorstellbar, aber wirklich wahr ist auch die Tatsache, dass der Strand Punkt 20 Uhr gleich einem „Sockenladen“ einfach dicht gemacht wurde. Ja, all der Käse wurde mir von Leuten berichtet, die solchen Erfahrungen ausgesetzt waren. Weiterhin wurde ich darin unterrichtet, als ich mich auf die wahren Spuren der DDR begab, dass jemand, der zelten wollte, sich mindestens ein halbes Jahr im Voraus einen Platz dafür reservieren musste. Es gab sogar die Möglichkeit, vorausgesetzt man hatte bestimmte Beziehungen, in eines der sozialistischen Nachbarländer zu reisen. Zu ihnen gehörten Ungarn, Polen, die Tschechische Republik, Rumänien, Bulgarien und in Ausnahmefällen Jugoslawien. Am wenigsten kompliziert gestaltete sich hierbei eine Reise nach Ungarn, weshalb sie vielleicht deshalb sehr beliebt war. Wer sich zu den „Auserwählten“ zählen durfte, dem war sogar der Weg über den Atlantischen Ozean nach Kuba geöffnet. Aber welche Gefälligkeiten hatte man dafür dem DDR-Staat wohl als Gegenleistung bieten müssen?

      Eine nette Begründung, warum dieser totalitäre Staat das Einreisen in westliche Länder untersagte, war, dass der Schutz des Einzelnen im Westen nicht mehr gewährleistet sei. Wollten somit die Herrschenden etwa ihre Bürger vor den positiven, freiheitlichen Gedanken der westlichen Welt schützen? Das Absurdeste, was ich zu Ohren bekam, war der Punkt, dass, wenn der Drang danach, in ein westliches Land zu reisen, von einem Freiheitsliebenden nicht mehr unterdrückt werden konnte, ihm doch die Möglichkeit unter der Erfüllung bestimmter Bedingungen eingeräumt wurde; in solch einem Fall mussten sie entweder ihr eigenes Kind oder aber deren Ehepartner als „Geisel“ in der DDR zurücklassen. Zum Glück war ich damals noch nicht in diesem reifen Alter und der deshalb gegebenen eventuellen Umsetzung dieser Taten ausgesetzt, denn wer weiß, ob ich vielleicht in Versuchung geraten wäre sowie diesen hirnverbrannten Schritt gewagt hätte. Ich weiß nicht, ob mein Drang