Freiheit in Kaponga. Jo Moe

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Название Freiheit in Kaponga
Автор произведения Jo Moe
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783347032491



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      „Aber Johannes, wolltest du nicht in das wirkliche Brasilien eintauchen, dich von seiner echten Kultur inspirieren lassen und das echte Fremdsein genießen? Das findest du doch nicht dort!“ Jene „mahnenden“ Worte hörte ich am Telefon in einem Gespräch, das ich mit einem guten Freund führte und antwortete ihm daraufhin: „Natürlich werde ich in Buzios jene Dinge nicht unbedingt finden. Aber ich wollte mich in erster Linie einfach treiben lassen und auf das echte brasilianische Land am liebsten ganz zufällig sowie völlig überraschend stoßen und ohne mir das irgendwie krampfhaft vorzunehmen. Ich liebe es, Tipps und Vorschläge von Einheimischen anzunehmen und dann mal schauen, was passiert und wo ich am Abend landen werde. Das weißt du doch, dass ich so ticke. Ja und deshalb habe ich mich doch von dem Surfer inspirieren lassen. Ich denke, dass einem das Schicksal immer etwas leitet und deshalb bin ich überhaupt nicht sauer darüber, hier zu sein. Mal schauen, was noch so alles passiert. Also dann – ich hab Appetit auf frischen Fisch, hau rein und bis die Tage!“

      „Tschüss und pass auf dich auf, du Kojote!“

      Während ich die Worte meines Kumpels im Hinterkopf hatte, wurde mir wieder so richtig bewusst, dass mein Rückflug nach Deutschland inzwischen mit immer größer werdenden Schritten auf mich zu rückte und mein kürzlich gedachter Gedanke, vielleicht weiter in den Norden nach Salvador de Bahia zu fahren mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr entspannt umzusetzen sein würde. So soll es diese Reise wahrscheinlich einfach nicht sein. Aber es muss ja auch nicht sein und ebenso nicht, dass ich in Brasilien das letzte Mal gewesen sein soll. Die Idee, vielleicht irgendwann einmal dorthin zurückzukehren und dann ganz andere Orte aufzusuchen, beruhigte mich sehr.

      Nach der leckeren Fischspeise spazierte ich wieder zu meinem Hostel, welches etwas versteckt im Abseits des Tourismus, auf einem kleinen Hügel und zwischen großen Palmen sowie Bananenstauden lag und genoss in einer Hängematte liegend die angenehme Ruhe. Vier Tage blieb ich an diesem Fleckchen Erde und teilte mir mit zwei anderen Käuzen ein schmales Fünfbettzimmer.

      Ich verharrte auch deshalb dort sowie hüpfte gleichermaßen über jenen selbstgebastelten Schatten, weil ich mir eigentlich nicht mehr mit anderen Menschen ein Zimmer teilen wollte, da ich mich mit den beiden Besitzern der Unterkunft bestens verstand und sie mir viel über ihr spannendes Leben in Brasilien erzählten. Mir gefielen ihre Geschichten über das echte südamerikanische Land. Dabei lag ich öfters schaukelnd in der Hängematte, hörte aufmerksam den Erzählungen zu und bemerkte, wie ich doch auch so und zudem noch ganz entspannt in das wirkliche Brasilien eintauchen konnte, bis ich mich wieder auf den Weg zum Strand von Copacabana bewegte. In Rio zurück checkte ich in einem ziemlich heruntergekommenem Hostel direkt am Strand von Copacabana für zwei Nächte in ein stinkendes, hässliches Einzelzimmer ein. Aber weil ich mal wieder alleine sein und keine schnarchenden Wesen um mich herumhaben wollte, nahm ich eben auch dieses Loch gern in Kauf.

      Knapp zehn Tage hatte ich noch Zeit, bevor mein letzter Flug dieser Reise von Sao Paulo nach Deutschland bittere Realität werden sollte. Von daher musste ich mich so langsam auf den Weg in Richtung der Metropole bewegen, obwohl ich überhaupt keine Lust auf solch eine riesige Stadt hatte. Meine eigene Unlust ließ mich natürlich schnell selbst davon überzeugen, dass ich am liebsten meine letzten Tage in einem kleinen gemütlichen Ort zwischen Rio und Sao Paulo verbringen mochte. Zudem wollte ich in der Endzeit meines Trips am liebsten noch einige Stunden im Wasser verweilen und nicht zwischen Großstadtmenschen verbrauchte Luft einatmen.

      Mit jenen Wunschgedanken im Kopf erkundigte ich mich an der Rezeption des Hostels und schilderte meine geistigen Ergüsse. „Ubatuba, da musst du hin“, erzählte mir der leicht bekiffte Mitarbeiter in Winterklamotten und fügte noch hinzu: „In längst vergangenen Zeiten soll in jenem Ort einst ein berüchtigter Indianerstamm gelebt haben. Und die Menschen dieses Volkes sollen wohl auch Kannibalen gewesen sein“. Ob diese Geschichte nun stimmte oder nicht war egal. Ja, dort wollte ich als Nächstes hin und machte mich einen Tag später auf den Weg. Nach circa 330 Kilometer langweiliger Busfahrt erreichte ich Ubatuba und fand Unterschlupf in einem familienbetriebenen Hostel in Strandnähe. Dort arbeitete die gesamte Familie im „Hostel Business“ und teilte sich völlig freizügig mit den Gästen des Hauses eine gemeinsame Küche sowie ein geräumiges „Wohnzimmer“.

      Als ich am Abend als einzig geglaubter Gast beim Kochen in der Küche stand, gesellte sich irgendwann ein freundlicher Spanier an meine Seite und noch während wir uns die Herdplatten teilten, freundeten wir uns an. Pablo war neben mir der einzige Besucher der Herberge und war bei einer sehr introvertierten, brasilianischen Couchsurfing Freundin eingeladen, bei der er allerdings nicht übernachten konnte. Am nächsten Tag gesellte sie sich mit in die Küche und schlug vor, uns ihre Heimat zu präsentieren und so entführte sie uns an bezaubernde Strände oder zeigte uns einen tollen, abgeflacht winkligen Wasserfall, auf dem wir mehrere Meter und jeder auf seinem Allerwertesten ins Tal rutschten konnten.

      Wir liehen uns Fahrräder und radelten an der Küste entlang oder surften relaxed auf einem Longboard in einer ruhigeren Bucht. Weil wir wirklich eine schöne Zeit zusammen hatten, verzichtete ich darauf, auch nur eine Nacht in Sao Paulo zu verbringen. Und so kam es, dass ich mich erst wenige Stunden, bevor der Flieger von Sao Paulo zurück nach Frankfurt fliegen sollte, in einen Bus hockte und auf direktem Weg zum Flughafen rollte, zum Ende meiner Reise …

      Kurz nachdem sich der große Vogel schwermütig durch die Wolken bohrte, übermannte mich ein seltsames Gefühl und stimmte mich alles andere als fröhlich. Nein, vielmehr bedrückte es mich, dass die Reise nun wirklich beendet ist. Liebend gerne hätte ich Brasilien weiter erkundet und vermisste schon zu diesem Zeitpunkt das ständige Unterwegssein. Diese Tour durch mehrere Länder erweckte in mir erst so richtig die Leidenschaft der Reiselust und so beschloss ich bereits im Flieger sitzend, dass ich mich schon ganz bald wieder auf den Weg machen wollte.

      Nach einer sagenhaften zweiunddreißigstündigen Flug-Zug-Reise erreichte ich gegen 17 Uhr bei Regen und miesem Wetter am 31. Mai die Hauptstadt Deutschlands. Noch immer in vielen Gedanken verdrossen, stand ich etwas später vor meiner kleinen Altbau Einzimmerwohnung in Wilmersdorf. Für die komplette Zeit meiner Reise hatte ich sie untervermietet und freute mich sehr, als ich auf meinem Wohn- und Esszimmertisch eine neue schöne Pflanze plus eine Flasche Sekt entdeckte. Das Grün bekam natürlich sofort einen Ehrenplatz am Fenster, aber der Alkohol musste auch wegen des miesen Wetters und meiner komischen Stimmung sofort daran glauben und wurde kurzum geköpft.

      Nach so einer langen Reise war ich natürlich völlig abgebrannt, was die Kohle anbelangte, also brauchte ich nach diesem Abenteuer und den vielen unbezahlbaren Erlebnissen zunächst erstmal einen gut bezahlten Job. In Berlin erweist sich das nicht unbedingt als eine leichte Aufgabe und noch viel weniger angenehm war für mich die lästige Jobsuche überhaupt. Schließlich fand ich auch nicht diesen einen ersehnten Job, bei welchem mir meine gewünschten Moneten noch schneller in meine Reisetaschen hätten fließen können. Doch die erarbeiteten Kröten durch zwei Nebenjobs reichten wenigstens zunächst erstmal zum Überleben aus. Darüber hinaus war es nicht sehr einfach, einen Broterwerb zu finden, bei dem ich meinen Arbeitstag etwas freier gestalten konnte. Aus diesem Grund entschied ich mich letztlich für zwei Kurzzeitjobs, denn bei diesen Beschäftigungen konnte ich etwas unabhängiger meine Arbeitszeit gestalten und musste nicht jeden Tag früh morgens und bis zum späten Nachmittag immer auf dieselbe Leier Tag ein, Tag aus derselben monotonen Tätigkeit nachgehen.

      Zum Schluss kam das Glück ganz einfach zu mir geflogen. Mein bester Kumpel, die Amsel — was sein echter Spitzname ist — besuchte mich mal wieder in Berlin und berichtete mir aufgeweckt von seiner Reiselust. Er erzählte, dass er gerne für etwa einen Monat und ohne großen Plan verreisen wollte. Die Amsel wollte aber nicht alleine fliegen und somit fügte er mich in sein gedankliches Spiel einfach hinzu.

      „Oh mann, natürlich will ich mit, doch der schnöde Mammon fehlt mir ganz einfach, Amsel.“

      „Na, mach dir darüber mal keine Gedanken“, sagte er daraufhin und ergänzte: „Is doch überhaupt kein Problem, dann borge ich dir eben die fehlenden Kröten. Echt, das is überhaupt kein Ding.“ In diesem Moment sparte ich mir jedes weitere Wort und umarmte ihn einfach. Wir einigten uns und ohne lange zu diskutieren auf eine Reise nach Thailand und Vietnam. „Cool“, sagte ich, „endlich