Freiheit in Kaponga. Jo Moe

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Название Freiheit in Kaponga
Автор произведения Jo Moe
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783347032491



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zuletzt das Gefühl, mich wieder vom Acker zu bewegen und mich endlich mal ganz alleine ins Abenteuer zu stürzen. Vanessa und ich wollten uns aber, egal wo, auf jeden Fall wiedersehen.

      Meine nächste Station hieß jedoch erstmal Buenos Aires. Nach mehreren bereits hinter uns gelassenen Stunden, es machte sich auch schon die angenehme Abendsonne am Horizont bemerkbar, bremste mitten im Nichts plötzlich der Bus ab und dann vergingen einige Minuten, in denen nichts passierte. „Que pasa?“, wusste ich meinen Sitznachbarn noch zu fragen. Allerdings war die Frage völlig sinnlos, denn seine aufgeregte, mit nuscheligem Akzent und hinter seinen schmalen Lippen hervorschmetternde Antwort verstand ich überhaupt nicht. Kurz darauf erhoben sich die vielen Menschen aus ihren Sitzen und verließen alle das Fahrzeug.

       Ach klasse, danke für eure hilfsbereite Info …

      Dennoch schloss ich mich ihnen an, stieg als Letzter aus der oberen Etage des Busses die engen Treppen hinunter und stand anschließend mitten in der Pampa. All die anderen Mitreisenden hatten sich eng um das Gefährt herum versammelt und beobachteten das Geschehen am Busheck. Dort entdeckte ich eine große Klappe, die weit geöffnet war sowie zwei Beine, die davor standen und die andere Hälfte des Körpers durchsuchte etwas im Inneren des Busses. Ich war neugierig, spazierte näher heran und erkannte den Herrn Busfahrer, der mit feuerrotem Kopf auf den dampfenden Motor trommelte.

       Na, Prost Mahlzeit, ob wir hier heute noch weg kommen?

      Ich hockte mich besser ins Gras, als den Schaulustigen zu spielen und erfreute mich lieber daran, in nicht allzu weit entfernter Ferne ein paar Gauchos dabei zuzusehen, wie sie wild ein paar Pferde zu zähmen versuchten. Damit verbrachte ich meine Zeit, die so irgendwie verging und die Sonne hatte sich schon längst wieder in den Feierabend verabschiedet, bis plötzlich ein heller Lichtstrahl auf unsern Doppeldecker zusteuerte. Ja, wir hatten Glück, denn nach knapp dreistündiger und ungewisser Pause, es war nicht klar, ob und wie es denn weitergehen würde, wurde uns ein Ersatzbus bereitgestellt und somit konnte die Reise schließlich doch noch fortgesetzt werden. Nach knapp zweistündiger Fahrt drosselte der Buslenker jedoch schon wieder sein rasantes Tempo. Inzwischen war es tiefschwarze Nacht und im Bus-TV lief tatsächlich gerade der Film „2012 – Das Ende der Welt“.

       Was ist denn nun schon wieder los?

      Schließlich hielt der Bus und dieses Mal auch sehr abrupt an. Danach wurde es laut und jeder kramte in seinen persönlichen Sachen umher. Letztlich erkannte selbst ich den Grund dafür – es robbte sich ein Mann die Treppen empor, schaute mit ernster Miene unter seinem Polizeihut hervor und schnaufte mit scharfem Ton: „Control policial!“. Die Polizeikontrolle dauerte knapp eine Stunde und nach abenteuerlicher dreiundzwanzigstündiger Busfahrt erreichte ich endlich die Hauptstadt Argentiniens sowie anderthalb Stunden später auch mein Hostel.

      Während ich noch auf der Suche war und mich mit Bus und zu Fuß nach dem Weg erkundigen musste, bemerkte ich, dass die Menschen in jener Stadt um einiges unfreundlicher waren als in den zuvor bereisten Gebieten des Landes. Eigentlich sind ja die Leute überall auf unserem Planeten in den Hauptstädten sowieso etwas speziell. So werden die Bewohner von Buenos Aires vom Rest des Landes mit „Porteño“ (Hafenmenschen) tituliert und gerne wird, unter anderem aufgrund der multikulturellen Identität des Porteño, behauptet, dass er ein Italiener sei, der spanisch spricht, sich wie ein Engländer benimmt und glaube, Franzose zu sein.

      Buenos Aires wird des Weiteren gerne als das „Paris Südamerikas“ bezeichnet, da die Kultur und die zahlreichen Museen sowie Theater das Bild der Stadt sehr europäisch aussehen lassen. Andererseits wird sie gern als „Metropole der Leidenschaft“ bezeichnet und das nicht nur wegen der fanatischen Liebe zum Fußball sowie der Hingabe beim Tangotanzen, sondern auch wegen der fast täglich stattfindenden, politisch sehr engagierten Demonstrationen. Weil mir aber zu dieser Kunst des Bewegens die richtige Tanzkollegin fehlte und zudem keine Demo geplant war, wollte ich wenigstens und unbedingt live bei einem Fußballspiel dabei sein und ich hatte Glück! Einen Abend vor einem Spiel des Vereins „River Plate“ hockte ich entspannt auf einer Parkbank inmitten der Innenstadt und schaute dem Treiben der Leute zu, bis zwei Mädels auf mich zukamen und sich neben mich setzten. Schnell kamen wir ins Gespräch und ich erzählte den beiden Mexikanerinnen davon, dass ich mir für den kommenden Tag vorgenommen hatte, ins Stadion des genannten Fußballclubs zu gehen und da die beiden auch Fußballbegeistert waren, fragten sie mich, ob sie mich begleiten dürften. Gemeinsam machten wir uns also dann auf den Weg zum Spiel und bereits dabei stellte ich fest, dass die Fußballfans an diesem Ort auf jeden Fall noch um einiges fanatischer ihren Fangesängen auf den Straßen nachgingen, als wir das in Deutschland gewohnt sind.

      Mit dem Erreichen des Stadions reihten wir uns in eine lange Schlange ein, warteten darauf, bis uns die Polizisten, die vor den Eingängen platziert waren, ebenfalls stoppen würden und hatten schließlich, wie alle anderen bei einer Alkoholkontrolle, in die entsprechende Maschine zu pusten. Eigentlich ist das eine spitzen Idee, denn so vermied man, dass betrunkene Vollidioten im Stadion Stunk machen konnten, während es ja auch dort selbst keinerlei alkoholische Getränke zu kaufen gab. Trotzdem herrschte ein richtiges Fußballfest auf all den Rängen und die Stimmung sowie die durchgängigen Gesänge der Fans waren fast noch spannender als das Spiel selbst.

      Die kommenden Tage verbrachte ich hauptsächlich in dem schönen Künstlerviertel von San Telmo, wo mein Hostel war und genoss das spannende Großstadtflair. Am liebsten wäre ich im Anschluss daran auf dem Boden geblieben, jedoch hatte ich im Vorfeld meiner Reise ein paar Flüge festlegen müssen und weil mich der Flug von Buenos Aires nach Montevideo quasi nichts kostete, entschied ich mich für diesen Weg, aber ich ärgerte mich dann ein wenig, als ich im Flieger hockte und wegen der luftigen Höhe nicht viel von der Landschaft unter mir hatte und schnappte mir deshalb die Zeilen zur Geschichte Uruguays, der „Schweiz Südamerikas“. Doch die wenig gelesenen Zeilen stimmten mich nicht recht zufrieden, denn für mich blieben noch zwei Fragen offen: Wer hat die Kolonialherren vertrieben? Und warum spricht man heute Spanisch und nicht Portugiesisch? Da ja die Kolonialherren doch womöglich von den Portugiesen und höchstwahrscheinlich nicht von den waffenlosen Indianern vertrieben worden sind?

      Die Geschichtsschreibung erschien mir also recht lückenhaft und machte mich etwas nachdenklich, viel Zeit zum Nachdenken hatte ich indessen in der kurzen Flugzeit von weniger als 45 Minuten nicht. Während ich am Band des Flughafens von Montevideo auf mein Gepäck wartete, dachte ich daran, dass ich genau sieben Tage Zeit haben würde, jene ungeklärten Fragen eventuell bestenfalls von Einheimischen zu erfahren.

      Die uruguayische Hauptstadt liegt ganz interessant, da ich, egal in welche Richtung ich pilgerte, immer irgendwie am Ende der Gassen das Meer erreichte. Und so wie ich von einer zur nächsten Ecke durch die Stadt spazierte, bemerkte ich, wie erstaunlich ruhig es an diesem Ort war im Kontrast zu all den anderen südamerikanischen Städten, in denen ich zuvor meine Füße auf den Asphalt gesetzt hatte.

      Irgendwie erschien mir die Stadt wie ausgestorben zu sein — auf der anderen Seite waren die Menschen, denen ich dort begegnete, wieder etwas freundlicher als die in Buenos Aires. Das einzig Spannende, was Montevideo wenigstens ein bisschen Charme verlieh, waren die alten Autos, welche nur deshalb noch existierten, da es lange Zeit im Land sehr hohe Einfuhrzölle gab und somit kaum Fahrzeuge aus dem Ausland importiert werden konnten.

      Diese Information erhielt ich von einem Einheimischen, mehr leider nicht … Am liebsten hätte ich mir eines dieser alten nostalgischen Autos geschnappt und wäre einfach drauflosgefahren. Jedoch blieb es bei diesem Wunschgedanken und so suchte ich nach einer Alternative und stieg in einen Bus in das rund 50 Kilometer entfernte Badeörtchen Atlantida.

      Die Landschaft, die auf der Fahrt am Fenster vorbeikroch, ähnelte sehr der Pampa in Argentinien. Doch überdies umgab mich nach der Ankunft in dem Ort beinah eine merkwürdige Totenstille. Er war zwar ganz gemütlich, allerdings waren die wenigen Zimmer, in denen in jener Nebensaison ein Platz zum Schlafen angeboten wurde, für meine Begriffe viel zu teuer. So entschied ich mich, am Abend wieder zurück in die Hauptstadt zu fahren, checkte anschließend in dasselbe Hotel ein und suchte zum Abendessen mein „Stammlokal“ auf, um mir ein paar angenehme Gedanken über meinen weiteren Weg zu machen.

      Und wer hockte dort ganz