It's Time to Fly. Juliana Holl

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Название It's Time to Fly
Автор произведения Juliana Holl
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783748287902



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musste ich ein Gähnen unterdrücken. Irgendwann hatte mein Dad genug von meiner Müdigkeit, denn er sagte seufzend: „Lisa geh doch ins Bett wenn du müde bist.“ Früher hatte ich immer geantwortet, dass ich noch nicht müde sei und kurze Zeit später war ich im Land der Träume abgetaucht, doch heute hörte ich auf meinen Vater und ging ins Bett.

      „Gute Nacht und bis Morgen“, fügte ich noch gähnend hinzu bevor ich die Treppe in Richtung Bett hochging.

      * * * * *

      Am nächsten Morgen wachte ich früher als gewöhnlich auf. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass es erst halb acht war. Noch war es still im Haus, da meine Eltern und Pia noch schliefen. Also schlich ich leise die Treppe hinunter und trat auf die Terrasse. Auch im Freien war es noch still. Ich streckte mich bevor ich doch wieder ins Haus ging. Im kurzen Schlafanzug war es doch noch recht frisch. In meinem Zimmer angekommen zog ich schnell meine Sportsachen an und streifte eine Sweatshirt Jacke über. So jetzt noch meine Laufschuhe und dann konnte ich los. Leise fluchend suchte ich sie. Ich war mir sicher, dass ich sie gestern neben die Tür gestellt hatte aber sie waren nicht da. Ich fand sie schließlich unter dem Bett. Schnell zog ich sie an und huschte die Treppe wieder runter. Ich schnappte mir Muffel, unsere Bernhardiner Hündin, schrieb in der Küche noch schnell einen Zettel für meine Eltern, dass ich laufen war und dann machte ich mich auf den Weg. Vor dem Haus viel ich in ein lockeres Lauftempo. Mein Weg führte mich an den anderen Ferienwohnungen vorbei, geradewegs Richtung Strand. Leise plätscherten die Wellen ans Ufer. Direkt neben dem Sand war ein kleiner asphaltierter Weg. Alles war still, wie es aussah war ich die einzige weit und breit. Ich liebte es, morgens zu joggen. Vor allem wenn ich den Hund mitnehmen konnte. Tief zog ich die kühle Luft in meinen Körper ein und behielt sie einige Sekunden bevor ich sie wieder ausstieß. Ich ließ meine Gedanken schweifen, bis ich schließlich bei meinem Pferd ankam. Meine Hannoveraner Stute Madame Finesse war mein Ein und Alles. Ein Zitat, das ich mal irgendwo gehört hatte fiel mir ein: Ein Pferd ist dein Spiegelbild. Es schmeichelt dir nie. Es spiegelt dein Temperament. Es spiegelt auch deine Schwankungen. Ärgere dich nie über dein Pferd; du könntest dich genauso gut über dein Spiegelbild ärgern. Ja das stimmte. Wenn ich sauer oder traurig in den Stall kam, wusste Finesse genau, dass etwas nicht stimmte. Sie stellte keine nervigen Fragen, oder wollte wissen was ist. Sie lenkte mich einfach ab. Manchmal waren Tiere einfach die besseren Freunde. Sie stellten keine Forderungen und nahmen dich einfach so wie du bist.

      Und dann war da Caro, meine beste Freundin. Caro war super nett und mega hübsch. Ja, mit Caro konnte man Pferde stehlen. Sie war im gleichen Stall wie ich und wir waren regelmäßig zusammen auf Turnieren unterwegs. Sie mit ihrem Wallach Star Light, der zwar schon 15 war aber sich oft genug wie ein vierjähriger Hengst benahm, und ich mit meiner Madame Finesse. Mittlerweile starteten wir in Springprüfungen bis Klasse M. Das Springen war mein Leben. Schon als kleines Mädchen hatten mich Pferde fasziniert. Diese großen und edlen Tiere, die aber sanft wie ein Lämmchen sein konnten. Mein Herz schlug schon seit einer ganzen Weile für den Turniersport. Turniere waren für mich ein Ort der Begegnung. Du triffst Menschen, die du meistens nur auf dem Turnier siehst und dennoch sind diese Menschen wie eine Familie für dich. Unser Hobby verbindet uns und es ist wundervoll. Mit Caro war ich genau auf einer Wellenlänge. Auch wenn wir auf den Turnieren nicht selten als Konkurrenten antreten, verbindet uns etwas ganz Großes. Wir gönnen uns gegenseitig den Erfolg. Bei uns gibt es kein, du bist besser oder ich bin schlechter. Wir helfen uns gegenseitig und spornen uns an. Inzwischen war ich schon ziemlich weit gelaufen und legte einen kurzen Stopp ein um mich zu dehnen und mir meine Weste um die Hüfte zu binden. Verträumt ließ ich den Blick über das Meer schweifen. Einige Enten und Möwen waren auch schon wach und schwammen genüsslich über das Wasser. Ein Lächeln schlich sich in mein Gesicht, als ich eine Entenfamilie entdeckte. Die Baby Enten schwammen ihrer wild schnatternden Mutter hinterher. Total süß. Nachdem ich meine Dehnsession abgeschlossen hatte, machte ich mich auf den Heimweg. Ich warf einen Blick auf mein Handy und stellte fest, dass es schon nach neun war. Wie schnell die Zeit verging. Normalerweise war ich morgens immer eine Stunde unterwegs und jetzt musste ich ja auch noch den ganzen Weg zurück joggen. Plötzlich erfasste mich eine Welle des Glücks. Woher die gekommen ist, wusste ich auch nicht so genau. Das hatte ich immer wieder. Von jetzt auf gleich war ich super happy. Auf den ersten Blick sah das nach Stimmungsschwankungen aus, aber das war es nicht. Denn bei solchen hatte man ja auch plötzliche Downs, aber die blieben bei mir, Gott sei Dank aus. Allgemein spürte ich die „Nebenwirkungen“ der Pubertät nicht besonders. Ich fand weder meine Eltern besonders unerträglich noch litt ich unter Stimmungsschwankungen. Es wäre allerdings mal interessant, ob das auf die andern auch so wirkt, oder ob ich mir das nur selber einbilde. Wenn ich diese glücklichen Phasen hatte, hatte ich das dringende Bedürfnis zu rennen. Und das tat ich dann auch. Ich legte einen kurzen Sprint hin bevor ich wieder langsamer wurde, aber dennoch in einem zackigen Tempo weiter joggte. Dieses Tempo hielt ich bis ich die Ferienwohnungen sehen konnte. Erst dann drosselte ich mein Tempo bis ich schließlich ging. Mein Herz schlug schnell und ich brauchte einige Minuten bis ich meine Atmung wieder unter Kontrolle hatte. Auch Muffel hechelte wild neben mir. Als ich bei unserer Ferienwohnung ankam, hatte sich mein Atem wieder völlig beruhigt. Schweißperlen glänzten auf meinen Armen und liefen mein Gesicht hinunter. Auch mein Rücken war komplett nass. Im Haus war Pias Quasseln schon zu hören. Obwohl ich verschwitzt war und schnellstmöglich unter die Dusche wollte, ließ ich es mir nicht nehmen noch schnell zu Pia zu gehen und mir ihr zu kuscheln.

      „Ja meine Süße, ich spiel gleich mit dir aber erst muss ich unter die Dusche, ich stinke.“ Wie um mir zuzustimmen quiekte Pia kurz auf. Ich schenkte ihr noch ein letztes Lächeln bevor ich mich umdrehte und die Treppe ins Bad hoch sprintete.

      „Ich dusche noch schnell, dann können wir essen!“, rief ich meinen Eltern noch über die Schulter zu. Schnell holte ich aus meinem Zimmer noch frische Unterwäsche und ein luftiges Kleid bevor ich im Bad verschwand. Ich konnte stundenlang duschen. Lange und heiß. Schnell steifte ich meine verschwitzten Sportsachen aus und schlüpfte unter die Dusche. Nach zehn Minuten, was für meine Verhältnisse sehr schnell war, trat ich wieder aus der Dusche. Die Spiegel waren beschlagen und auf den Fliesen kondensierte bereits das Wasser. Als ich das sah musste ich schmunzeln, mein Dad beschwerte sich in regelmäßigen Abständen darüber, dass ich so viel Wasser verbrauchte wie zwei. Aber im Moment war mir das sowas von egal. Vielleicht änderte sich das, wenn ich irgendwann meine Wasserkosten selber bezahlen musste, aber im Moment genoss ich es einfach solange so heiß zu duschen. Schnell öffnete ich das Fenster damit der Dampf ins Freie entweichen konnte. Weitere zehn Minuten später war ich fertig angezogen, geschminkt und auf dem Weg nach unten zum Frühstücken. Mein Dad konnte sich – wie sollte es auch anders sein – einen Kommentar nicht verkneifen.

      „Da bist du ja endlich, ich dachte schon du bist zum Fisch geworden und schwimmst jetzt in der Kanalisation.“

      Das war so typisch für ihn. Aber ich wusste ja, dass er es nicht ernst meinte. Und antwortete nur mit einem frechen Grinsen im Gesicht: „Nein, ich hatte meine Tauchsachen nicht dabei.“

      Darauf lachte mein Dad nur. Schmunzelnd setzten wir uns an den Tisch und ließen es uns schmecken. Zum Frühstück gab es Müsli mit Joghurt, Früchten und Toast. Ich schlug ordentlich zu, denn der Lauf am Morgen hatte stark an meinen Kräften gezehrt. Ich schlurfte gerade meinen Kakao – ja ich trank trotz meiner 16 Jahren jeden Morgen noch Kakao – als mein Handy klingelte. Als ich einen Blick auf das Display warf, strahlte mir ein Bild von Caro entgegen.

      „Hey, was gibt´s?“

      „Hey Lisa, ich bin gerade im Stall und Finni hat einen Abszess im Huf. Direkt neben dem Strahl. Ich hab jetzt schon Rivanol angemacht und wollte bevor ich ihr den Verband hinmache noch mit dir reden.“ Caro nannte meine Stute immer Finni, am Anfang um mich zu ärgern und mittlerweile einfach weil sie es sich so angewöhnt hatte.

      „Oh shit. Das hatte sie schon einmal. Aber Rivanol ist gut, das hab ich letztes Mal auch gemacht. Nimm am besten diese Windelrolle für den Verband. Die müsste in meinem Spint sein. Und das Klebeband ist auch da.“

      „Okay, dann mach ich das gleich.“

      „Perfekt. Danke du bist echt ein Schatz, ich danke dir.“

      „Kein Problem. Warte ich stell dich auf