Lenins Sohn. Marco Richter

Читать онлайн.
Название Lenins Sohn
Автор произведения Marco Richter
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783347054073



Скачать книгу

ich sagen, mir als ein Kind der damaligen Zeit, war ein gemeinsames Spielen und Lachen mit anderen Kindern wichtiger und schöner als wie ein "Ichgetue“ und "Meinegesage“, so wie es heute teilweise ist. So war der Krankenhausaufenthalt gar nicht mehr so schlimm und für mich kurzweiliger, weil ich Freunde zum spielen hatte und ich hatte auch eine gute Tat getan und anderen Freude bereitet. Aber nicht nur ich war kameradschaftlich. Zu der Zeit war es eigentlich an der Tagesordnung so zu sein. In diesen Genuss durfte ich bald kommen, denn es kam die Zeit nach dem Krankenhaus und irgendwie musste ja auch mal die Schule weitergehen. Eigentlich lies meine Verletzung ein zur Schule gehen nicht zu. Mein Bruch war etwas komplizierter und ich hatte ein halbes Jahr einen sogenannten Liegegips. Aber meine Klassenlehrerin an der neuen Schule hatte etwas, was heute allgemein nicht so oft zu finden ist, ein Herz. Außerdem hatte sie noch etwas, was vielen Lehrern heute fehlt, einen Bildungsauftrag, welchen sie sehr ernst nahm. Sie hatte den Ehrgeiz, uns Kindern etwas beizubringen und keinen zurückzulassen. Für sie gab es keine Looser. Sie tat alles dafür, dass jeder von uns das Klassenziel erreicht und keiner auf der Strecke bleibt. Das tat sie auch bei mir. Sie legte jeden Tag zwei andere Schüler fest, welche mir dann den Lernstoff des jeweiligen Tages und die Hausaufgaben brachten. Das tolle daran war, weil sie jeden Tag ein anderes Schülerpaar auswählte, fiel die Last nicht auf einen einzelnen zu, welcher mich dann hassen könnte und somit das Klassenklima verschlechtern würde und dadurch, dass jeder einmal dran war, lernte auch jeder, einem schwächeren zu helfen. Das förderte nicht nur positiv den Charakter, sondern auch den Teamgeist und Zusammenhalt in unserer Klasse. Sie selbst nahm sich selbstverständlich nicht außen vor und besuchte mich regelmäßig, nicht nur um zu schauen wie es mir geht und ob die anderen Schüler mir die Schulaufgaben auch wirklich brachten. Nein, sie nahm sich die Zeit und schrieb mit mir, zu hause bei mir, alle Klassenarbeiten und Leistungskontrollen. So verpasste ich eigentlich nichts vom Stoff und konnte trotz der widrigen Umstände in die nächste Klasse mit versetzt werden. Man kann das gar nicht genug würdigen oder wertschätzen, was diese tolle Frau und Lehrerin eigentlich für mich gemacht hat. Die ganze Freizeit, die sie geopfert hat und die ganze Mühe, welche sie investiert hat, war enorm. Dafür bin ich ihr und unserer Klasse bis heute wirklich und echt dankbar. Das werde ich ihnen nie vergessen. Frau Kurt hätte es auch einfacher haben können, denn sie musste das alles nicht unbedingt für mich machen. Aber sie hat den für sie, für ihre Klasse und wahrscheinlich sogar für ihre Familie unbequemeren Weg gewählt. Das hätte mit Sicherheit nicht jeder Lehrer und nicht jede Schulklasse für mich gemacht. Denn es war nicht nur so, dass ich unbeliebt war bei jüngeren und gleichaltrigen Mitschülern sondern auch bei Lehrern. Weil ich nicht immer ganz so einfach war oder ganz so einfach zu verstehen war. Ich war der Sonderling, der bei den älteren Schülern ein beliebtes Mobbingopfer war. Ich war nicht nur kleiner und schwächer wie sie, sondern auch durch Schläge und Tritte, die sie mir verpassten, so eingeschüchtert, dass ich mich gar nicht getraute solche Vorfälle irgendwem zu melden oder geschweige denn, mich zu wehren. Und wenn ich solche Vorfälle einem Lehrer oder der Schulleitung gemeldet hätte, man hätte mir doch e nicht geglaubt. Schließlich war ich ja der Sonderling, der Lügner, der Rüpel oder der sich gern prügelt. Es war ja zu dem auch noch einfach jemanden anderes eine Lüge zu glauben, als wie meine komplizierte Wahrheit. So wie zum Beispiel bei diesem Vorfall. Ich war so etwa in der dritten Klasse. Der Unterricht an diesem Tag war schon vorbei. Ich besuchte die Hortbetreuung, welche direkt vor Ort in unserer Schule stattfand. Ich musste dahin, weil meine Eltern beide in Vollzeit berufstätig waren und ich da optimal aufgehoben und unter Beobachtung war. Außerdem wurde darauf geachtet, dass die Hausaufgaben erledigt wurden. Der Hort war auch schon vorüber. Ich war beim Umziehen wie immer sehr langsam und mal wieder der Letzte. Es war ziemlich leer im Schulgebäude. Alle waren augenscheinlich schon nach Hause gegangen. Ich glaub, dass nicht einmal mehr Lehrer oder Horterzieher beziehungsweise Betreuer noch da waren. Ich schlenderte so ziemlich unbefangen und sorglos durch den langen Schulgang zum Ausgang der Schule. Plötzlich hörte ich hinter mir ein " Ey, das ist doch der klaa Richter, Hey Richter bleib stehen." Ich war ein bisschen verwirrt und dachte mir: " Was wollen die den Von mir? " Es waren Olaf M., Sven Erik S. und ein Paar ihrer Freunde. Sie waren alle mindestens zwei, drei, vier Jahre älter wie ich und mir anscheinend nicht gerade wohlgesonnen. Dann spürte ich, das mich irgend etwas am Weitergehen hinderte. Sven Erik hielt mich, von hinten, am Schulranzen fest. Es war schon echt mutig von denen, einen um einige Jahre jüngeren Mitschüler von hinten anzugreifen. " Ey Lenin, Du Kommunistensau. Dein Vater ist doch der Lenin" vernahm ich von einen von ihnen. " Ich heiße nicht Lenin und mein Vater auch nicht. Ich weiß auch nicht mal was eine Kommunistensau ist. " erwiderte ich. " Halt´s Maul! " entgegneten sie mir, dann hatte ich die erste Schelle von hinten sitzen. " Hey, hört auf! Ich hab euch doch gar nichts getan." Daraufhin zog mich einer von ihnen am Ranzen, von hinten zu Boden. Ich hatte keine Chance. Dann trat mir einer von ihnen auf die Hände. Ich schrie laut auf. "Halt bloß die Fresse, Kommunistensau. Dein Vater ist doch der Lenin, der Parteisekretär. Ihr seit doch alles solche Schweine. Du griegst gleich eine in die Fresse wenn du dein Maul nicht hältst"

      Patsch, da hatte ich auch schon eine Faust im Gesicht. Ich rief weinend, aber laut, dass sie mich in Ruhe lassen sollten. Irgendwie konnte ich mich in einen kleinen Gekampel hochwurschteln und aufrappeln. Dann schubsten sie mich hin und her und zwar immer einer zum anderen. Jeder war einmal dran. Dann entbrannte in mir so etwas wie Wut und Zornesmut. Ich schrie" Lasst mich in Ruhe! Ich kann Judo und wenn ihr mich nicht in Ruhe lasst, dann werde ich mich wehren und ich melde das". Sie lachten nur höhnisch und schubsten mich weiter hin und her. Dann packte mich Sven Erik und sagte zu mir: " Was willst du denn Richterlein, he, was willst Du denn?" Das kam mir bisschen komisch vor, dass er mich fragte, was ich wollte. Dabei hatten die doch angefangen. Als er mich so fest hielt packte, mich der Mut der Verzweiflung. Ich fasste in mit einem kräftigen Griff und warf ihn mit einem " Harai-goshi", einer Judotechnik, wo der Angreifer seinen Gegner am

      Oberkörperkragen mit den Händen fixiert und in einer Drehbewegung und einem Fußfegen, außen über die Hüfte zu Boden wirft. Ich war wie im Rausch. Einmal so im Kampfmodus drin, hielt ich ihn mit einer Festhalte fest, bei der ich meinen Arm um seinen Hals schlang und zudrückte und mit dem anderen Arm hebelte ich seinen Arm, den ich aus der Wurfbewegung immer noch festhielt, über mein Bein. Der Überraschungsmoment war kurz auf meiner Seite und Sven Erik klopfte mir versöhnlich auf den Rücken und sagte: " Is scho gut Richterlein". Ich lies von ihm ab und dachte, das es jetzt vorbei ist und ich überraschenderweise noch mal glimpflich davon gekommen bin. Was für ein Fehler. Im nächsten Augenblick schlugen die anderen, wie ein Rudel Wölfe was sich über ein Lamm hermacht, auf mich ein. Ich war ihnen hilflos ausgeliefert und kassierte endlose Schläge und Tritte. Nur Sven Erik beteiligte sich nicht an dieser einseitigen und nicht gerade unter fairen Kräfteverhältnissen stehenden Schlägerei. Er sagte irgendwann: " Hey, hört auf! Es reicht, der hat schon genug ". Wow, das fand ich respektvoll mir gegenüber und hätte mir irgendwie meine Würde gelassen. Just in dem Moment, traf mich die Faust von Olaf im Gesicht und ich schwank mit dem Oberkörper nach hinten. Dann versetzte er mir mit seinem Knie einen heftigen Treffer in der

      Magengegend. Ich bekam keine Luft mehr und konnte nicht atmen, geschweige dem schreien oder mich irgendwie wehren. Ich lag schmerzgekrümmt und um Luft ringend am Boden. Das hatte gesessen. Ich konnte nicht mal um Hilfe schreien. Sie leisen mich hilflos, einfach so am Boden liegend, zurück. Nicht einmal Sven Erik,, der wenigstens versuchte, mir respektvoll meine Würde zu lassen, half mir. Sie drehten sich nicht einmal nach mir um. Ich glaube ich geriet bei ihnen schon wieder in Vergessenheit, denn ich hörte wie sie sich über die Fußballspiele des letzten Wochenendes unterhielten. Das und so ähnliche Geschehnisse passierte mir öfters. Ich glaube zwar nicht, dass sie es taten, weil sie eventuell Neonazis waren, die keine Kommunisten mögen aber es fühlte sich für mich so an und eines kann ich sagen, auch in unserer so perfekten und geliebten DDR, gab es damals schon Neonazis und das nicht wenige. Es gab viele Menschen, die das System in der DDR nicht mochten, ich war ja selbst mit vielen Dingen kritisch und nicht einverstanden. Deshalb auch beäugte mich die Lehrerschaft oft missmutig, aber so etwas hatte weder mit Kritik an Lenin, am System oder mit Neonazis zu tun. Sie taten das aus Spaß und lange Weile und ich glaube, außer vielleicht Sven Erik, sie waren einfach nur böse und hatten Spaß daran andere zu quälen und drangsalieren. Ich vermute auch, sie glaubten somit Anerkennung von den anderen aus ihrer Clique zu bekommen. Ja Anerkennung, das hätte ich zu der Zeit auch gern mal gehabt. Vielleicht habe ich auch deshalb es