Название | Fünf Minuten vor Mitternacht |
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Автор произведения | Celina Weithaas |
Жанр | Контркультура |
Серия | Die Chroniken des Grauen Mannes |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347090866 |
Nicht sein darf. Schweigend warte ich, bis Achim die letzten Nadeln gelöst hat und sich an die Knöpfe macht. Es ist ein beachtlicher Vorstoß. Wäre es den Reportern möglich, mein Apartment zu betreten, sie würden sich die Mäuler zerreißen. Aber sie kommen hier nicht hinein. Wir sind in Sicherheit. Das weiß Achim auch. Er streicht mir die Haare über die Schulter, um besser an die zahlreichen Knöpfe zu gelangen. „Das sind hunderte“, stellt Achim nüchtern fest und löst sie. Einen nach dem anderen. Seine Fingerspitzen hinterlassen eine kribbelnde Feuerspur auf meiner bloßen Haut. Ich nicke. „Es hat auch lange gedauert, bis ich fertig war für diesen Abend.“ Allein das Ankleiden nahm eine Stunde in Anspruch. Von den Haaren und dem Make-Up ganz zu schweigen. Die Fingernägel, die perfekte Schmuckauswahl zu dem Collier, die passenden Schuhe. Wie soll der Rock optimal fallen? Passt die Farbe des Lippenstifts zu den Nägeln und diese zu den Diamanten? Wie setzt man meinen Verlobungsring am besten in Szene, ohne ihn penetrant hervorzuheben? Achim drückt mir einen zarten Kuss in den Nacken. „Du siehst bezaubernd aus und genau aus diesem Grund widerstrebt es mir, dich auf die Straße zu lassen. Wir können auch hier Spaß haben.“ Vermutlich. Aber hier duftet es nach teurem Parfum und das warme Licht spiegelt sich in den Kristallen des Kronleuchters, wirft tausend helle Facetten auf das edle Mobiliar. Gerade jetzt möchte ich nicht über den Wolken schweben. Ich wünsche mir Standfestigkeit und die bekomme ich nur auf dem nassen Asphalt. Soll der Regen doch meine Haare durchweichen und meine Schminke verlaufen lassen. Soll er das Kleid wie eine zweite Haut an meinen Körper kleben. „Ich wünsche es mir so sehr“, wispere ich und sehe aus dem Fenster. Die Tropfen zerspringen fröhlich auf dem gepflegten Glas. Gelbe, grüne, orange Tupfen huschen darüber, nur um mit dem nächsten Wimpernschlag zu verschwinden. „Eine halbe Stunde. Ich flehe dich an, Achim.“ Er schüttelt den Kopf. „Das kann ich nicht verantworten.“ Sanft küsst er mich. Noch immer beherrscht. Der Alkohol löst jede Hemmschwelle ins Nichts auf und ich danke im Geiste Mutter dafür, dass sie mir die letzten Stunden erlassen hat. Etwas muss in meinem Glas gewesen sein. Es lässt mich schwindelig und atemlos fühlen. „Bitte“, wispere ich zwischen zwei Küssen. „Nur ein einziges Mal. Einmal”, beschwöre ich Achim. „Wir werden es nie wieder tun. Niemand wird jemals etwas davon erfahren.“ „Es regnet in Strömen.“ Ich zucke die Schultern. „Na und? Das ist doch aufregend.“ Ich habe das Gefühl, dass der Boden unter meinen Füßen schwankt. „Chrona.“ Achim seufzt tief und schiebt meine Ärmel nach vorn. Sie gleiten von meinem Körper. Die Knöpfe sind gelöst. „Wo liegt dein Nachtzeug?“ Ich ziehe es unter den Decken hervor. Er hilft mir aus meinem Kleid und legt es ordentlich gefaltet über einem Stuhl ab. Achim ist mehr Gentleman als er sein sollte, dreht sich respektvoll um, während ich in Unterwäsche vor ihm stehe und mir den Pyjama anziehe. Der Stoff ist wundervoll weich auf meiner Haut und nimmt meine Körperwärme auf, um sie zurückzustrahlen und mich in seine sichere Umarmung zu ziehen. Ich höre das leise Knistern von Stoff, während Achim sich ebenfalls entkleidet und umzieht. Das Hemd legt er auf mein Kleid, die Hose dazu. Einladend schlägt er die Bettdecke bei Seite und ich krabble darunter. Das war unsere Diskussion. Er hat sie gewonnen, wie jedes Mal. Ich bewundere Achims Raffinesse und Autorität. Seine Selbstbeherrschung und ruhige Kontrolle. Gerade jetzt hätte ich mir mehr einen Mann gewünscht, der mich aus ganzem Herzen liebt und bereit ist, etwas Verrücktes mit mir zu unternehmen. Mich Leben atmen zu lassen. Es juckt mich in den Fingerspitzen auf den Knopf des Aufzugs zu drücken und mit Achim nach unten zu fahren und mich nach draußen in den prasselnden Regen zu stellen, damit seine Kälte meine betäubende Trunkenheit fortwäscht. Stattdessen gebe ich mich Achims Umarmung hin. Er drückt mir einen Kuss ins Haar, der mich wohlig aufseufzen lässt. Ich schmiege mich an ihn, bette den Kopf auf seine Brust und lausche dem regelmäßigen Herzschlag.
Achim hat Recht. Jedes Mädchen beneidet mich. Nicht nur um meine Schönheit und mein Geld, den Erfolg und die Gesellschaft, sondern vor allem um ihn. Es gibt keinen beherrschteren, verantwortungsvolleren Mann auf dieser Welt, der mit einem ähnlichen Charisma gesegnet wurde. Anstatt mich damit zu befassen, dass Achim nicht mit mir vor die Tür gehen will, sollte ich mich auf seine durchdachten Gründe konzentrieren. Verrückte gibt es überall. Was würden sie dafür tun, um mit mir ein Foto zu erhaschen? Nur von hinten auf mich springen, die Kamera gezückt? Achim allein könnte mich nicht vor ihnen beschützen und ich verstehe ihn, dass er mich in unseren wenigen Stunden mit niemandem teilen möchte. Am wenigsten mit Fans oder Paparazzi. Das was wir haben, ist besser. Mit dem Kopf an seiner Brust einzuschlafen und den Atem regelmäßig kommen und gehen zu hören.
Achim dämmert schnell weg. Vorsichtig fahre ich mit den Fingerspitzen die Schatten unter seinen geschlossenen Augen nach. Sie erinnern an Blutergüsse. Ich möchte nicht wissen, wie viel Make-Up man ihm aufdrängen musste, um das zu retuschieren. Es ist eine kleine Ehre, ein großer Beweis von Vertrauen,