Fünf Minuten vor Mitternacht. Celina Weithaas

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Название Fünf Minuten vor Mitternacht
Автор произведения Celina Weithaas
Жанр Контркультура
Серия Die Chroniken des Grauen Mannes
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783347090866



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es an der Spitze der Macht. Die Reichsten sind die engsten Freunde und mindestens genauso arge Feinde. Jeder weiß es. Ein offenes, gepflegtes Geheimnis, das dafür sorgt, dass es Neulingen schwerfällt, in den hohen Kreisen Fuß zu fassen. Sie müssen von vorneherein ebenso abgebrüht und kaltblütig sein, wie es ein jeder von uns ist. Wozu das Können und die Diamanten uns geformt haben. Unter anderen Umständen gehört ihr Geld uns und ihr weiteres Schicksal ist gänzlich irrelevant für einen jeden Aktionär.

      „Chrona, es ist mir eine Ehre.“ Monsieur Depóts kleine Verbeugung wirkt nahezu lächerlich. Gegenüber jeder anderen Person würde ich abfällig lächeln und gehen. Bei ihm ist es anders. Mir fällt es schwer, die Fassung zu bewahren. Es gibt keine größere Ehre. Ich bete dafür, dass einer der Fotografen diese kleine Geste mit einem kleinen Klicken für die Ewigkeit festhält. Frankreichs erfolgreichster Aktionär verneigt sich vor der Königin des Abends. Das wäre genau die Schlagzeile, die mich in meine Volljährigkeit begleiten sollte. „Ich hörte von Ihrer Verlobung.“ Monsieur Depót sieht an mir vorbei. „Der junge Mann, der die Augen nicht von Ihnen lassen kann, ist er der Glückliche?“ Ich drehe mich kurz um. Achim ist seinerseits in ein Gespräch verwickelt worden, die junge Dame scheint die Cousine des russischen Oligarchen Koroljow zu sein. Sie ist eine durchaus vielversprechende Partie für jeden Mann im Raum, der noch keine Fiancé vorzuweisen hat. Hübsch, intelligent, reich. Kurz hebt Achim den Blick und lächelt mir zu, dann konzentriert er sich erneut auf die Russin vor sich. „Ja, Achim Jameson“, antworte ich. Monsieur Depót nickt nachdenklich. „Der Wunderknabe, der binnen von zwei Jahren sein Jurastudium absolviert hat, wenn ich mich recht entsinne.“ „Das tun Sie.“ Ich entspanne mich nach und nach. Dieses Gespräch läuft gut. Bis jetzt habe ich nichts gesagt, das unpässlich wäre oder Monsieur Depót vor den Kopf stoßen könnte. Tatsächlich scheine ich auf dem besten Weg zu sein, die geschäftlichen Beziehungen meiner Eltern auf mich zu übertragen. „Ein äußerst intelligenter, junger Mann. Es ist beinahe eine Peinlichkeit zu gestehen, dass er mir im Alter von gerade einmal zwanzig Jahren eine halbe Milliarde Dollar abluchste.” Glucksend hebt Monsieur Depót sein Glas und nippt daran. „Ich bemerkte es erst, als die Unterschrift gesetzt und der Vertrag verstaut war.“ Ich widerstehe dem Impuls, überrascht zu blinzeln. Das hat Achim nie erwähnt. Monsieur Depót schenkt mir ein aufrichtiges, kleines Lächeln. „Ich nehme es ihm nicht übel. Tatsächlich bewundere ich diese Fähigkeit an jungen Menschen. Durch Sie mit ihm bekannt zu werden, Chrona, wäre mir eine Ehre.“ Ist das ein Angebot? Ich nehme es als solches und spiele den Ball zu ihm zurück. „In unserem Haus sind Sie stets herzlich willkommen, Monsieur Depót. Achim wird es mit Sicherheit gutheißen, wenn wir uns zu Verhandlungen niederließen. Soweit ich hörte, haben Sie vielversprechende Einsätze in der Robotik vorzuweisen. Ich habe vor kurzem in Sensomotorik investiert und Achim konzentriert sich auf das Unternehmen Theesla. Sie scheinen einen vielversprechenden Kurs zu fahren, Sir.“ Monsieur Depót lacht leise und zieht die Hände aus seinen Taschen. „Das hört sich nach einem erfüllten und interessanten Abend an. Wenn Sie sich wieder um die Weinauswahl bemühen, werde ich erscheinen, sobald es mein Terminkalender zulässt.“ Eine zufriedene Wärme steigt mir in die Wangen. Innerlich jubelnd, schenke ich ihm ein schwaches Lächeln. „Selbstverständlich. Ich hoffe, Sie verübeln es mir nicht, wenn ich Sie nun der Gesellschaft überlasse.“ Monsieur Depót schüttelt den Kopf und macht einen Schritt rückwärts. „Durchaus nicht. Chrona, meine Schöne.“ Ich biete ihm meine Hand an und er nimmt sie entgegen, verabschiedet sich mit dem gleichen, anständigen Kuss mit dem er mich begrüßte, ehe Monsieur Depót in der Menge untertaucht. Augenblicklich drehe ich mich zu meinem Mittelpunkt der Feier um. Die Cousine des Oligarchen nimmt soeben ein neues champagnergefülltes Glas von einem der dargebotenen Tabletts, ehe sie vor Achim knickst und sich neuen Partnern zuwendet.

      Nie erschien es mir anstrengender, langsam und mit Stolz erhobenem Kinn die Menge zu durchqueren. Am liebsten würde ich rennen und ihm überschwänglich um den Hals fallen. Wir haben eine Verabredung mit Monsieur Depót. Wir beide! Niemand sonst. Er ist bereit, mit uns über Geld zu reden. Das ist ein größerer Erfolg, als ich mir von diesem Abend erhofft habe.

      Letzten Endes hindert mich die Schleppe daran, schneller zu laufen, als es angemessen wäre, und jede Sekunde, die vergeht, kommt einer zähen Ewigkeit gleich. Meine Mutter tritt gerade zu Achim, als ich die Empore erklimme. Ich knickse leicht vor ihr, sie quittiert das mit ihrem professionellsten Lächeln. „Die Zeit des Verneigens ist für dich vorüber, Chrona.“ Sie streicht sich energisch eine helle Strähne aus dem Gesicht. „Wie ist dein Gespräch mit Monsieur Depót verlaufen?“ Ich halte meine Mundwinkel nur durch jahrelang geübte Kontrolle davon ab, unaufhaltsam zu zucken. „Er möchte so bald wie möglich mit Achim und mir am runden Tisch sitzen.“ Mein Verlobter legt einen Arm um meine Hüfte und drückt mir einen verdienten Kuss auf die Wange. Ich seufze leise auf. Für diesen Moment, dieses kribbelnde, übersprudelnde Glücksgefühl in meiner Brust, würde ich tausende Monate der Trennung hinnehmen. Das ist mein Lohn für die Geduld der letzten Zeit. Er fühlt sich bedeutsamer an, als ich zu hoffen wagte.

      „Ich bin stolz auf dich“, flüstert Achim mir ins Ohr. Meine Brust schwillt an und ich will ihm um den Hals fallen, ihn vor versammelter Gesellschaft küssen und mich mit ihm freuen, mein Glück in die Welt hinausschreien. Stattdessen drücke ich einmal kurz Achims Finger und lehne mich gegen seine Schulter. Heute habe ich mir diese Nähe, diese Zuneigung verdient. Ganz egal was die Presse schreibt. Achim runzelt die Stirn. „Was hast du da?“ Er nickt in Richtung meines Dekolletés. Mir schießt die Hitze in die Wangen, als ich die winzige, weiße Ecke des Umschlages zwischen meinen Brüsten entdecke. Ein anständiger Gentleman hätte sie nicht entdeckt. Ich unterdrücke den Impuls mir in den Ausschnitt zu fassen und den Umschlag wieder zu verstecken. Meine Finger zucken. Ich atme tief durch und schmiege mich tiefer in seine Umarmung. Griffe ich in mein Dekolleté, würde das Bild mit Sicherheit in jedem Klatschmagazin auftauchen. Das sind nicht die Schlagzeilen, auf die ich es anlege. Neckisch tippe ich Achim gegen die Wange. „Warum hast du das überhaupt entdeckt“, hauche ich ihm ins Ohr. Sein kurzes, unangebrachtes Grinsen ist Antwort genug.

      Tadelnd ziehe ich eine Augenbraue nach oben und wende mich wieder meiner Mutter zu. „Was sagst du zu Monsieur Depóts Willen, mit uns zusammenzuarbeiten?“, knüpfe ich an dem alten Faden an. Kleine Fältchen werden um Mutters Mund herum erkennbar. „Das Angebot ist ein voller Erfolg. Sollten die Verhandlungen mit Monsieur Depót gutlaufen, werden mit Sicherheit weitere folgen. Ich bin beeindruckt, wie gewissenhaft du den Abend bis hierhin genutzt hast.“ Ich auch. Und überglücklich. Über dieses Erfolgserlebnis hinweg spüre ich kaum meine schmerzenden Füße oder den Anflug von Müdigkeit. Auch nicht mehr den sanften Nebel des Alkohols in meinem Kopf. „Ich danke dir, Mama“, flüstere ich, seltsam gerührt, und kann beim besten Willen nicht sagen, ob das an dem Alkohol oder der Tatsache liegt, dass Achim mich noch immer in der Öffentlichkeit berührt entgegen allen Anstandes. Es fühlt sich fast wie ein kleiner, rebellischer Akt an, vor aller Augen zu demonstrieren, dass wir zusammengehören. Ich entschuldige unsere Nähe nicht nur mit meinem Verlobungsring, sondern auch mit den gegebenen Umständen. Wir sehen uns viel zu selten für ein junges Paar. Wenn wir Glück haben, lassen Zeitverschiebung und Meetings eine Stunde wöchentlich zu, in der wir skypen können. Ich wünsche mir nichts mehr, als eine Woche allein mit Achim, in der wir Zeit miteinander verbringen und uns vor keiner reichen Gesellschaft der Welt verstecken müssen, obwohl alles an unserer Haltung, jede Nachricht der Presse, beweist, dass wir zusammengehören. Mutter betont, dass es am gesündesten ist, wenn man sich nur sieht, sobald es dringend notwendig wird. Dadurch entwickeln sich die notwendigen Freiheiten in einer Beziehung. Das mag wahr sein. Momentan würde ich es vorziehen, mit Achim in meinem Zimmer zu verschwinden, anstatt zu spüren, wie er den Arm von meinem Körper löst. Die Blicke liegen wieder auf mir allein.

      „Die skandinavische Milliardärstochter möchte mit mir sprechen“, sagt Achim und entfernt sich, ehe ich protestieren oder nur ein Wort sagen kann. Wie hat er sie überhaupt bemerkt? Ich hatte nur Augen für ihn. Ein Verhalten, das meine Eltern nur zu gerne tadeln. Und wenn nicht sie, dann die Öffentlichkeit. Ich wünschte, ein Mal, nur ein einziges Mal würde nicht nur ich mich alleinig in diesen kostbaren Momenten verlieren.

      Der Schluck, den ich aus meinem Champagnerglas nehme, ist etwas größer, als es der Anstand gebietet. Verstimmt beobachte ich Achim. Die Dame, auf die er zueilt,