Название | Fixin |
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Автор произведения | Rayton Martin Villa |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347108936 |
Man hatte zwar begonnen, mit nordafrikanischen Ländern Verträge zu schließen, um unter den dort herrschenden etwas günstigeren klimatischen Bedingungen neue Agrarflächen anlegen zu dürfen. Aber das benötigte natürlich viel Zeit.
Monsieur Morrisant warf trotz der Kälte seine Bettdecke zur Seite, stand auf und ging zur Terrassentür. Die Scheiben waren innen beschlagen und verhinderten den Blick nach draußen. Als ob er sich vergewissern wollte, was sich hier seit Tagen abspielte, öffnete er sie ein wenig und blickte nach Süden, hinunter auf die Stadt in Richtung des alten Papstpalastes. Avignon lag komplett im Dunkeln. Nur der Mond warf noch etwas Licht auf das Geschehen. Eiskalte Luft zog ins Zimmer. Er konnte es immer noch kaum fassen, was er sah. Jetzt, mitten im Hochsommer, waren die Häuser und Straßen unter einer dicken Schneedecke verschwunden. Seit gestern Abend waren mindestens noch einmal dreißig Zentimeter Schnee gefallen und es schneite immer noch. Die Schneehöhe betrug jetzt über einhundertzwanzig Zentimeter, denn selbst von der Balustrade seiner Terrasse war nichts mehr zu sehen. Hier an der Tür reichte ihm der Schnee sogar bis zur Brust.
Der Blizzard, der seinen Ursprung im Arktischen Ozean nördlich von Sibirien hatte, war mit Orkanstärke über Skandinavien und das Baltikum nach Polen und Weißrussland gezogen und weiter über Mitteleuropa und die Bergketten der Alpen und Pyrenäen bis nach Mittelitalien und Nordspanien. In Norwegen, Schweden Dänemark, Polen und Deutschland war schon vor Wochen wegen lokaler Wintereinbrüche der Notstand verhängt worden. Jetzt hatte es auch Mittel- und Südeuropa getroffen.
Der Sturm hatte überall meterhohe Schneeverwehungen aufgetürmt. Straßen und Wege waren unpassierbar. Die Natur war schon sehr in Mitleidenschaft gezogen. Unter der Schneelast brachen die Äste der Bäume und Sträucher. Da die gesamte Infrastruktur zusammengebrochen war, hatte der Präsident den nationalen Notstand ausgerufen und die Nationalgarde eingesetzt. Mit schweren Räumfahrzeugen wurden die wichtigsten Straßen und Flughäfen vom Schnee befreit. Es gab jedoch wie in ganz Europa viel zu wenige Helfer und Räumungsgeräte, um die Lage schnell in den Griff zu bekommen. Seit vier Tagen war die Armee im Dauereinsatz, auch um Plünderungen der größten und wichtigsten Einrichtungen, Läden und Häuser zu verhindern. Natürlich gelang dies nur an wenigen Orten.
Monsieur Morrisant bekam weiche Knie bei der Vorstellung, wie sich die Situation weiter entwickeln könnte. Ihm wurde bewusst, dass es jetzt auch für ihn bald um das nackte Überleben gehen könnte, denn seine Nahrungsmittelvorräte waren fast aufgebraucht. Morgen musste er unbedingt das Allernötigste besorgen. Wie er dies allerdings ohne Fahrzeug bewältigen sollte, war ihm momentan noch völlig unklar. Er konnte nur hoffen, dass das Militär jetzt die Versorgung der Bevölkerung aus der Luft übernahm. Er spürte, wie sich sein Brustkorb vor Angst anspannte und das Atmen erschwerte.
Ein heftiger Windstoß drückte die Tür plötzlich nach innen. Herr Morrisant konnte nicht mehr reagieren und die Türkante knallte ihm mit voller Wucht gegen Stirn und Nase. Er torkelte nach hinten, stolperte über den Teppich und schlug mit dem Hinterkopf gegen das eiserne Bettgestell. Nach dem ersten schmerzvollen Schlag zunächst ins Gesicht dröhnte jetzt sein Kopf durch den weiteren Aufprall. Völlig benommen blieb er am Boden liegen.
Enorme Mengen Schnee wehten von der Terrasse durch die weit aufgedrückte Tür herein und begruben ihn und alles im Raum innerhalb von Sekunden unter einer dicken Schicht. Nur weil die Kälte in seinem blutverschmierten Gesicht und an seinen nackten Beinen und Füßen ihn schnell wieder zu sich kommen ließ, erstickte er nicht darunter. In höchster Atemnot und völlig desorientiert, weil er nichts mehr sah, gelang es ihm, sich im letzten Moment durch den schweren Schnee nach oben zu drücken. Auf die Hände gestützt schnappte er nach Luft und blieb einige Zeit sitzen.
Als er sich etwas erholt hatte, erhob er sich mühsam. Voller Wut und Verzweiflung schwankte er zur Terrassentür, um sie zu schließen.
12. Februar 2203
Europa / Svalbard
Svalbard, die auf halber Strecke zwischen Europa und dem Nordpol liegende Inselgruppe, war neben Antarktika die einzige Region der Erde, die heute noch bewohnt war.
Heute würde hier auf dem neunundsiebzigsten nördlichen Breitengrad die Polarnacht zu Ende gehen, die Sonne also nach vielen Wochen zum ersten Mal wieder über den Horizont kommen.
Jia Giacomelli hatte die Schutzkuppel des Forschungsinstitutes zusammen mit einigen anderen aus dem Labor für einen kurzen Aufenthalt im Freien durch die Sicherheitsschleuse verlassen.
Die Wetterbedingungen erlaubten selbst hier in Svalbard nur selten, ohne Schutzkleidung nach draußen zu gehen. Im Moment jedoch war der Wind ungewöhnlich schwach, der Himmel nur wenig bewölkt und die Luftqualität war mit Werten im gelbgrünen Bereich ziemlich gut.
Jia gehörte der hier beschäftigten Forschungselite von Nature-Scientists an, die sich der Wiederherstellung der Lebensbedingungen auf der Erde verschrieben hatten. Sie nannten ihr Projekt 'Fixin', ein Kunstwort, wie viele heute verwendete Begriffe, das von den chinesischen und amerikanischen Gründern des Projekts aus 'Fùxīng' und 'Fixing' zusammengesetzt worden war, was soviel wie Wiedergeburt und Reparieren bedeutete.
Das Projekt bestand aus zwei großen Teilprojekten. Hier in Svalbard befanden sich die Forschungseinrichtungen des CC-Projekts, in dem Meeresalgen erforscht wurden, die als Grundlage für ein intaktes Klima benötigt wurden.
Der Standort auf dieser abgelegenen, nördlichsten Inselgruppe war gewählt worden, weil sich hier auf der Hauptinsel immer noch der erste globale Gen-Tresor befand, der aus der Zeit vor der Klimakatastrophe stammte. In dieser Anlage hatten viele Pflanzensamen und Mikrolebewesen bis heute überleben können. Zudem war Svalbard mit seiner riesigen Entfernung von Antarktika gut vor Sabotage geschützt, was von höchster Bedeutung war, denn das Projekt hatte viele Gegner in der Bevölkerung.
Der zweite wichtige Forschungsbereich befasste sich mit Flora und Fauna, also der Pflanzen- und Tierwelt, wie sie einmal auf den alten Kontinenten existiert hatte. Sie nannten es abgekürzt daher auch das FF-Projekt. Darin wurde versucht, alte Arten an neue Lebensbedingungen anzupassen, wie es sie möglicherweise in Zukunft geben könnte.
Der Hauptstandort des FF-Projekts befand sich auf Finistere, einer Insel in der nördlichsten Region Antarktikas, ebenfalls weit abgelegen vom antarktischen Festland.
Die kleine Gruppe hatte sich bis etwa zwanzig Meter Entfernung von der flachen Schutzkuppel vorgewagt, die den gesamten Gebäudekomplex bis zum Boden überspannte und so rundum hermetisch von der Außenwelt abschirmte.
Alle blickten jetzt gespannt über die leere, graubraune Felswüste zum südlichen Horizont. Die dort gelegene Bergkette erschien als dunkle Silhouette unter dem schon sehr hell orangeviolett leuchtenden Himmel. In wenigen Minuten würde zwischen zwei der 'Blue End'-Gipfel, wie sie diese nannten, zum ersten Mal wieder ein kleines Stück der Sonne zu sehen sein.
Dies war ein besonderes Ereignis, denn nach dem Eingeschlossensein in der Svalbard-Anlage während der langen Dunkelperiode, sehnten sie sich nach Abwechslung von der sterilen Umgebung der Labore.
Anders als die Städte in Antarktika war dieser Außenposten der Zivilisation weder mit einem künstlichen Himmel noch einem der wunderschönen Naturparks ausgestattet. Svalbard war ein reiner Forschungsstandort. Antarktika dagegen bot seinen Bewohnern natürlich die verschiedensten Annehmlichkeiten, sodass sie die Polarnacht kaum wahrnahmen.
Die Bergspitzen der Umgebung und die weiße Kuppel der Anlage wurden jetzt schon von den ersten rötlich violetten Strahlen getroffen und zum Leuchten gebracht. Wenige Sekunden später erschien der obere Rand der Sonne am Horizont. Jia lief beim Anblick des gleißenden Lichts ein angenehmer Schauer über den Rücken, auch wenn sie wusste, dass von der extremen UV-Strahlung Gefahr für die ungeschützten Hautpartien ausging. Die Anzeige ihrer Eyefoil schnellte auch sofort auf den Wert von sechzehn und begann rot zu blinken. Der UV-C-Index lag also gefährlich hoch.
Obwohl auch sie versucht war, den Anblick noch einige Sekunden