Ein Buch für Keinen. Stefan Gruber

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Название Ein Buch für Keinen
Автор произведения Stefan Gruber
Жанр Афоризмы и цитаты
Серия
Издательство Афоризмы и цитаты
Год выпуска 0
isbn 9783347043282



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ausgedrückt in der jeweiligen Währung, oder einen Marktwert, wenn es zur Deckung von Schuldkontrakten verwendet wurde (Goldstandard). Um es also noch einmal ganz klar zu sagen: Das libertäre Geld, das sich Hayek, Rothbard und Co vorstellen, ist nicht einmal ansatzweise so wertstabil wie das sozialistische Geld. Genaugenommen ist es gar nichts wert.

      Geld herauskristallisieren (Du gibst mir x, dafür gebe ich dir y in einem Jahr), die beispielsweise einen Anspruch auf eine bestimmte Menge Nahrungsmittel oder eine bestimmte Dienstleistung verbriefen, weil ein solcher Schuldschein bis zur Fälligkeit praktischerweise jederzeit zediert werden könnte. Selbstverständlich wäre ein solcher aber ohne einen Machtapparat, der den Schuldner bei Androhung von Strafe zur Erfüllung der Schuld zwingen kann, nicht gerade begehrt, um es gelinde zu formulieren. Realiter würde nichts dergleichen dauerhaft Bestand haben.

      Wir sehen also: Ohne Macht geht es nicht. Bauen wir also einen Gold abfordernden und Eigentum garantierenden Staat in unser Gedankenexperiment ein. Schon hätte das Gold zumindest einen Wert, der in Relation zur Sanktion bei Nichterfüllung der Zwangsabgabe steht. Im Falle der Todesstrafe wäre sein fiktiver Wert also sehr hoch. Doch auch hier gilt: Wie kann etwas von tatsächlichem Wert sein, das jeder hat? Und wie kann etwas für den Staat von Wert sein, das jeder hat? Wie kann mit so einer Abgabe der Machtkreislauf initiiert werden? Stellen wir uns vor, der Staat würde das gesamte Gold, das er zuvor an seine Inselbewohner ausgeteilt hat (realiter teilt der Staat im Regelfall1 kein Geld aus, sondern fordert es einfach ab), im nächsten Monat wieder als Steuer einnehmen. Dann wäre nichts geschehen. Das Gold wäre ausgeteilt und wieder eingesammelt worden. Ein Wirtschaftsprozess kann damit nicht gestartet werden. Offensichtlich kann ein Ding erst dann Wert haben und damit Preise schaffen, wenn es zum Termin eines darunterliegenden Schuldkontraktes, dem Staat oder einem Privaten gegenüber, knapp ist. Etwas, das nicht knapp ist, regt nicht zum Erwirtschaften eines Surplus an (mit dessen Hilfe man an die Abgabe kommt) – und damit auch nicht zum Wirtschaften an sich. Etwas, das jeder hat, schafft keine Preise, und was noch wichtiger ist: Etwas, das jeder hat, schafft keine Mehrproduktion, die man mit dem Gold kaufen könnte. Offenbar muss Gold also zum Steuertermin knapp sein, um Wert zu haben. »Knapp sein« aber bedeutet, dass dieses Gold nicht jedermann zum Steuertermin hat oder umgekehrt: Dass die Macht eben mehr (!) Gold als Abgabe verlangt, als jedermann zum Steuertermin haben wird. Die Macht muss die Steuer so weit erhöhen, dass sie nicht mehr für alle leistbar ist. Jetzt ist der »Zinnß« in der Welt, der primäre Zins, aus dem sich der private Zins entwickelt.2 Nun erst beginnt der Kampf um das Abgabentilgungsmittel und erst jetzt wird gewirtschaftet, d.h. erst jetzt werden unter Privaten Kontraktschulden abgeschlossen, Gold geliehen, Kredite vergeben, Unternehmen vorfinanziert usw., um schließlich durch den Verkauf der Produkte an das Gold zu kommen. Es ist ein ewiger Konkurrenzkampf, weil nie genug Abgabentilgungsmittel für alle da ist, so wie auch in der Natur nie genug für alle Lebewesen da ist – erst das erzeugt den evolutionären Druck und mit ihm eine immer komplexere Fauna und Flora, so wie der Schuldendruck des Kapitalismus die immense Vielfalt und Komplexität des Wirtschaftsraumes hervorbringt. Das ist die fraktale Abfolge: Aus der Urschuld entsteht die Abgabenschuld und aus der Abgabenschuld die Kontraktschuld; und wieder fungiert Gold nur als Schuldentilgungsmittel dem Staat gegenüber oder um private Schulden zu bezahlen. Die Neoklassiker, die kapitalistisches Wirtschaften auf irgendwelche »ungestillten Bedürfnisse« zurückführen, statt auf den Zwang, Schulden zu bedienen, sollen einmal erklären, warum es diese Bedürfnisse in einer Stammesgemeinschaft für Jahrzehntausende nicht gab und gibt. Warum wächst die Produktion im Stamm nicht? Warum spezialisiert sich niemand auf ein Handwerk? Und warum wird im Kapitalismus das Schlagwort »Wirtschaftswachstum« zum sich bis zum Exzess repetierenden Mantra? Um die letzte Frage ausführlich beantworten zu können, müssen wir uns den Zusammenhang zwischen Geld und Wirtschaftsleistung im Detail ansehen.

      Während im Sozialismus das Volk, sinnbildlich gesprochen, mit der Peitsche zur Produktion von Waren und Dienstleistungen angetrieben werden muss, die dann mit Hilfe irgendwelcher absurder Bewertungsmodelle vom Staat mit einem Preisettikett versehen werden, und man im libertären Disneyland mit sogenanntem »Geld« ohne Nutzwert überschüssige Waren geschenkt bekommt, die zuvor niemand hergestellt hat, bedarf es im Kapitalismus keiner Intellektuellen, die sich um Wirtschaftswachstum und Geldversorgung Gedanken machen müssten – das alles regelt das Geld als solches. Schauen wir uns hierfür die Abläufe konkret an: Wenn ein Schuldner A einen Kredit von 100 € aufnimmt und damit eine Geldmenge von 100 € in die Welt setzt, die vorher noch nicht existiert hat, dann muss er innerhalb der Laufzeit seines Kredits diese 100 € (plus Zinsen) am Markt nachfragen, um seinen Kredit zu tilgen. Das bedeutet: Alles Geld im Kapitalismus wird nach seiner Schöpfung durch einen Akt der Verschuldung bereits im annähernd selben Moment nachgefragt (nominal sogar darüber hinaus, wenn man den Zins berücksichtigt), um damit den Kredit tilgen zu können. Es gibt also beim vom Staat definierten, debitistischen Geld nicht nur den Nachfragezwang nach Geld, um damit seine Steuern entrichten zu können. Es gibt darüber hinaus und darauf aufbauend einen Zwang, die Kredite zu bedienen, durch die das Geld überhaupt erst erschaffen wurde. Das bedeutet aber auch, dass man die Predigten von Anhängern eines Goldstandards, die aufgrund aufgeblähter Giralgeldmengen oder Zinsmanipulationen der Notenbanken vor einem Vertrauensverlust in Geld über Nacht warnen (Hyperinflation), getrost vergessen kann. Das kann auf die von ihnen beschriebene Weise niemals passieren, da existierendes Geld immer (!) nachgefragt werden muss. Eine Hyperinflation selbst ist dagegen eine durchaus reale Gefahr, auf deren tatsächliches Zustandekommen wir aber erst an späterer Stelle näher eingehen können.

      Zuvor kommen wir noch einmal auf unseren einzelnen Kreditnehmer zurück, weil es hier noch viel mehr zu entdecken gibt. Mikroökonomisch würde die Schöpfung und Vernichtung von Geld so aussehen: Der Kreditnehmer A nimmt einen Kredit von 100 € auf, geht mit diesem Geld einkaufen und muss schließlich durch Feilbietung von Waren und Dienstleistungen das Geld wieder zurückerlangen, um seinen Kredit bedienen zu können. Danach würde das Geld im Nichts verschwinden, aus dem es kam. Realiter sind es, statistisch gesehen, natürlich nicht dieselben 100 €, die nachgefragt werden, sondern es wird das Geld anderer Leute durch das Anbieten von Waren und Dienstleistungen nachgefragt. Diese Betrachtung hat Sprengkraft. Sie zeigt nämlich, dass Geld (Giralgeld oder gesetzliches Zahlungsmittel), sobald es existiert, immer an ein Leistungsversprechen gebunden ist, so wie auch die Steuer erst durch eine Mehrleistung (Surplus) erwirtschaftet wird. Der Kreditnehmer A, der erst Zahlungsmittel zusammen mit der Geschäftsbank (Gläubiger) erzeugt, muss etwas leisten, um für die Tilgung des Kredits das Geld wieder am Markt einzusammeln. Und der Markt bewertet seine Leistung, d.h. erst wenn der Kreditnehmer genug Waren und/oder Dienstleistungen am Markt verkauft hat, damit er die zu tilgende Kreditsumme beisammen hat, kann er sich von seiner Schuld befreien.

      Um das nochmals zu verdeutlichen: Der Nachfragezwang nach Zahlungsmittel (Geld oder Giralgeld) gibt diesem zuerst einmal einen grundsätzlichen Wert, aber erst die Leistung, die der Kreditnehmer zu erbringen hat, um diesen abzubezahlen, ist die Ursache für die Wertstabilität des Geldes, weil das Geld dadurch direkt an das Wirtschaftswachstum in einem kapitalistischen System gekoppelt ist. All das gibt es im libertären Entenhausen nicht. Dort buddelt der Goldgräber im Schweiße seines Angesichts nach Gold und meint dann Werte in der Hand zu haben, weil er sich so viel Mühe dabei gegeben hat (»intrinsischer Wert«). Das ist aber völlig irrelevant, wenn andere Marktteilnehmer ihren Wirtschaftsoutput nicht auch gleichzeitig hochgefahren haben, denn sonst stünde ein Mehr an Gold einem gleichbleibenden Output an Waren und Dienstleistungen gegenüber, was nichts anderes ist als Inflation und auch nichts anderes aussagt, als dass dieses ausgegrabene Gold eben überhaupt keinen Wert hat. Es ist Nettogeld! Wie wir sehen, ist Geld im Kapitalismus immer an das Wirtschaftswachstum gekoppelt, weil der Kreditnehmer, der letztlich Geld erzeugt, auch gleichzeitig Leistung erbringen muss, um seinen Kredit zu tilgen. Die wichtigste aller Fragen aber ist: Woher kommt das Geld anderer Leute? Wie kann der Kreditnehmer seine Waren und Dienstleistungen überhaupt am Markt absetzen? Das Geld anderer Leute hat abermals durch einen kreditären Akt das Licht der Welt erblickt. Der Kredit von A wird durch einen später fälligen Kredit von B, C, D … abbezahlt. Und die Schuldner B, C, D … müssen ihrerseits ihren Kredit mit später fälligen Krediten anderer Kreditnehmer zurückzahlen. Das ist im Debitismus der berühmte »Nachschuldner«: Früher fällige Kredite werden von später fälligen Krediten abgelöst. Und jetzt kommen wir neben dem