Münchner Gsindl. Martin Arz

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Название Münchner Gsindl
Автор произведения Martin Arz
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783940839725



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Wirkt nach rund zwanzig Minuten, und wenn man dazu Alkohol getrunken hat, erinnert man sich an nichts mehr. Was war gewesen? Pfeffer hatte seinen Schnitt ausgetrunken und war gegangen. Der Gärtner war auch gegangen. Nein, der war auf die Toilette. Pfeffer glaubte sich zu erinnern, dass er das Lokal alleine verlassen hatte. Dann in der Hans-Sachs-Straße war ihm irgendwie anders geworden. Schwummerig, aber nicht unangenehm. Ob er es bis zur Jahnstraße geschafft hatte? Keine Ahnung. Keine Ahnung, was seitdem passiert war.

      »Du bist von allen der Interessanteste. Ich hatte noch nie einen gleich alten Mann. Du bist meine Premiere. Weißt du, der Stefan damals, mei, das war eher ein Zufall. Am Anfang dachte ich, das war ein Unfall, aber als ich dann darüber nachgedacht habe, wurde mir klar, dass es eben kein Unfall war. Dass ich es wollte. Dass ich ihn sterben sehen wollte beim Liebesspiel. Gott, wenn du jetzt reden könntest, würdest du dich sicher über das gezierte Wort Liebesspiel amüsieren. Ja, so bin ich eben. Ich mag diese rüden modernen Ausdrücke nicht. Stefan jedenfalls war beim Sterben so schön. Der Elvedin auch. Letztlich habe ich denen etwas Gutes getan, nicht wahr? Ich habe sie schön sterben lassen. Und der Hamed, der war nicht schön, nein, der war ein Gott. Ein indischer Gott. Da kann man nicht mehr von Schönheit reden, das war mehr. Da habe ich mir ganz viel Zeit genommen. Ich hatte schon beinahe Angst, dass er mir aufwacht, … haha … Ob ich mir ein Andreaskreuz anschaffen sollte? Das wäre was. Das sieht dann sicher noch schöner aus. Ein Andreaskreuz. Ich kann mich immer noch nicht ganz durchringen. Es würde auch einiges erleichtern. Aber dann hat man das Ding die ganze Zeit rumstehen und so.«

      Vorsichtig drehte Pfeffer die Augen unter den halb geschlossenen Lidern. Er lag festgeschnallt auf einem Bett, das hatte er schon erfühlt. Nicht auf einem weichen Laken, sondern auf Plastik. Was er nun noch sah, war, dass der Raum wandhoch mit durchsichtiger Plastikfolie beklebt war. Ihm kamen sofort Schlachthaus-Assoziationen. Max Pfeffer gab ein Grunzen von sich.

      »So ist brav.« Er wurde am Oberschenkel getätschelt. »Das arme Polly-Ding. Du hast dich sicher gefragt, wie sie in dieses Puzzle passt. Wobei – nein, du hast ja gar nicht gewusst, dass sie nur aus Versehen Teil des Puzzles wurde. Sie gehörte überhaupt nicht dazu. Sie hat sich einfach selbst zum Teil gemacht. Ich musste sie aus dem Weg schaffen. So wie ich dich auch aus dem Weg schaffen muss, weil du einfach zu nah dran bist.« Die Hand streichelte seinen Oberschenkel hinauf, ausgiebig über den Intimbereich und dann den anderen Schenkel wieder hinunter. »Das arme dumme Ding. Hat die doch glatt beim Schatz­suchen mit den verzogenen Rotzgören den Armreif von Elvedin gefunden. Zufällig. Und dann rennt die damit zu mir, um ihn mir zu zeigen. Ausgerechnet zu mir! Na, ich sagte doch, dass sie mir vertraut hat.«

      Nun spürte Max Pfeffer etwas Glattes, Metallisch-Kaltes über seine Schenkel wandern, erst links, dann rechts. Ein Messer, vermutetet er. Wenn er dieses Messer irgendwie schnappen könnte … Beinahe hätte er gelacht, weil das in seiner aktuellen Lage so aussichtslos war. Die Fesseln an Händen und Füßen waren immerhin nicht ganz stramm gezogen, der Täter hatte offenbar etwas Bewegungsspielraum für sich eingebaut.

      »So, von hier kommt das Signal.« Cosmo parkte den Wagen in zweiter Reihe an der Schleißheimer Straße. Sie waren schon ein gutes Stück stadtauswärts gefahren und hatten eben die Kreuzung zur Ackermannstraße hinter sich gelassen. Florian zeigte den beiden anderen im Wagen das Display seines Smartphones. »Hier. Eindeutig.«

      »Cosmo, stell dich doch da vorne auf den Bürgersteig vor die Sparkasse«, schlug Severin vor. »Dann können wir uns ein bisschen umsehen. Nach einem Unfall siehts hier allerdings nicht aus.«

      Cosmo stellte sein Elektroauto auf dem Gehsteig ab und sie stiegen aus. Die Schleißheimer Straße war auch noch zu dieser späten Stunde ziemlich stark befahren. Auf den Trambahnschienen in der Straßenmitte ratterte eine Tram in Richtung Norden vorbei. Das harte Licht der Straßenlaternen ließ die Gesichter zombiefahl leuchten.

      »Vielleicht ist Papa schon von einem Rettungswagen abgeholt worden, und nur noch sein Handy ist hier, weil er es verloren hat«, sagte Florian.

      »Sevy hat recht, es sieht hier gar nicht nach einem Unfall aus«, meinte Cosmo. »Sein Auto steht nirgendwo und sein Fahrrad sehe ich ebenfalls nicht. Was ist denn das für eine Gegend hier?«

      Die Sparkassenfiliale war im Erdgeschoss eines türkis gestrichenen charmebefreiten Wohnblocks mit großen Balkonen zur Straße. Auf der anderen Straßenseite erhob sich ein völlig gesichtsloser Sechzigerjahrebetonklotz. Unten zwei Läden, der eine als Physiotherapiepraxis genutzt, der andere ein Fahrradgeschäft. Links daneben lag ein kleiner Park.

      »Schaut ja gruselig aus, voll berlinmäßig«, kommentierte Cosmo. »Wen sollte Dad hier kennen?«

      Florian starrte auf sein Smartphonedisplay und ging ein paar Schritte die Straße entlang. Nun holte auch Cosmo sein Handy hervor und öffnete die Tracking-App. Das Signal kam eindeutig von hier. Aber nicht aus einem der Häuser. Cosmo wartete auf eine Lücke im Verkehr und lief dann hinüber zur Trambahnhaltestelle in der Straßenmitte. Er ahnte, wo er suchen musste und wurde schnell fündig.

      »Ich hab es!«, rief der den anderen über die Straße zu. Er holte das zertrümmerte Mobiltelefon seines Vaters aus dem Mülleimer an der Haltestelle.

      »Scheiße, das hat einer kaputt getreten«, kommentierte Severin, als sie unter einer Straßenlaterne das Telefon begutachteten. »Erstaunlich, dass die Tracking-App f noch unktioniert.«

      »Wahrscheinlich ist nur das Display wirklich hinüber«, sagte Cosmo.

      »Scheiß auf das kaputte Handy«, rief Florian mit zitternder Stimme. »Wo ist denn jetzt Papa?« Er schaltete die Taschenlampe seines Smartphones an und lief suchend zwischen den parkenden Autos herum.

      »Fuck.« Severin rief seine Frau an. »Bella-Maus, sorry, dass ich … ja, haben wir. … Nein … nein. Eben … darum rufe ich an. Habt ihr einen Fall, bei dem sich Max in Schwabing herumtreiben könnte? … Ah, okay. … Förster, Elisabethstraße … ja, kenn ich … okay, und welche Hausnummer?«

      34

      Tanja Heinbuch sah nervös auf ihre Uhr. Wo blieb der Trottel! Sie hätte schon längst bei den anderen Mädels im Gsindl sein müssen, bei der Geburtstagsparty von Nicky. Fuck. Gut, es war noch nicht ganz zehn Uhr, und vor halb elf war die ganze Blase eh nicht im Gsindl, aber Tanja hasste es, die Letzte zu sein. Sie zündete sich eine Zigarette an und hüpfte ungeduldig von einem Bein aufs andere, während sie an dem Pickel herumpulte, der ihr heute Abend wie aus dem Nichts an der rechten Schläfe aufgetaucht war. Nie wieder, so schwor sie sich, wirklich und diesmal definitiv endgültig, nie wieder würde sie für Geli die Schlüsselübergabe machen. Die machte sich einen faulen Lenz in Barcelona und Tanja durfte Gelis Airbnb-Geschäft managen. Sicher, sie verdiente ein bisschen Geld damit, dass sie Schlüssel übergab und wieder abnahm, dass sie nach Abreise der Gäste die Wohnung kon­trollierte und saubermachte, wenn Geli nicht da war. In letzter Zeit war Geli häufig nicht da. Fuck, Geli!

      Da kam ein ziemlich übergewichtiger Kerl mit riesigem Rucksack und ›Make America Great Again‹-Käppi schnaufend auf sie zugewankt. Voll der Abtörner, der Typ, und dann auch noch Trump-Fan.

      »Hi, I’m Riley Meusebach, are you Tanja?« Er streckte ihr die fleischige Hand entgegen und versuchte zu lächeln. Er sah völlig übermüdet und fertig aus.

      Hatte er eben ihren Namen als ›Tänscha‹ ausgesprochen? Hatte er ›Mjusibäck‹ gesagt? Laut Anmeldung hieß er doch Meusebach. Egal, Riley – das war er. Tanja übergab ihm die Schlüssel und erklärte ihm die nötigsten Dinge in der Wohnung in dem holprigen Englisch, zu dem sie gerade so fähig war. Englisch war noch nie eine ihrer Stärken gewesen. Eigentlich funktionierte alles ganz normal, war ihre Schlussbemerkung: »Efrising is normäl.« Dann gab sie ihm noch den Zettel mit dem Wlan-Passwort und verabschiedete sich hastig.

      Wenn etwas sei, so rief Riley ihr hinterher, dann könne er sie doch anrufen?

      »Kall mi? Jes, ju känn«, rief sie über die Schulter hinweg. Ihre Nummer hatte er ja. »Ach«, sie kehrte noch mal kurz um. »Ganz vergessen, äh, nierly forgotten. Se apartment is on se eleven floor. Eleven, okay?«

      »Okay, got it!« Riley winkte ihr nach, obwohl sie