Münchner Gsindl. Martin Arz

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Название Münchner Gsindl
Автор произведения Martin Arz
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783940839725



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Obdachlose eingenistet hatten. Vor dem Haus begann die Candidbrücke, die den Mittleren Ring hinauf auf den Giesinger Berg zur Tegernseer Landstraße führte. Unter einem Teil der Brücke befand sich ein großer Parkplatz. Die Brückensäulen waren auf Wunsch der Stadt von Streetartkünstlern bemalt worden, um dem unschönen Ort ein wenig Farbe zu geben. Hier standen immer auch einige alte Wohnmobile oder stillgelegte Transporter, in denen Menschen lebten. Wer es nicht einmal zu einem Wohnmobil gebracht hatte, schlief ganz am Anfang der Brücke zwischen Autos und Mauer. Pappkartons und Deckenberge zeugten von ihrer Anwesenheit. »Von denen sind mal zwei in die Wohnung unter uns eingestiegen. Oder wollten das. Das habe ich von oben gesehen«, fuhr Becky fort. »Die sind die Regenrinne hochgeklettert. Ich hab die sofort angeschrien, und dann sind sie wieder runtergesprungen und weggerannt. Seitdem lassen wir die Balkontür nicht mehr auf, wenn niemand auf dem Balkon ist. Wer weiß …«

      »Wurde die Balkontür aufgebrochen?«, fragte Max Pfeffer.

      Lucky deutete wortlos hin. Sie war unversehrt.

      »Eben«, sagte Pfeffer. »Es gibt nirgendwo Einbruchsspuren. Das bedeutet, dass der Täter einen Schlüssel hatte. Ich vermute stark, dass es Polinas Schlüssel ist.«

      »Wir müssen sofort das Schloss austauschen«, flüsterte Becky.

      »Es sieht ganz danach aus, dass der oder die Täter gezielt in Polinas Sachen nach etwas gesucht und vielleicht auch gefunden haben. Wer weiß. Ihr Schmuck ist jedenfalls noch da«, sagte Pfeffer. »Was könnten die Täter Ihrer Meinung nach gesucht haben?«

      Becky und Lucky zuckten gleichzeitig die Schultern. Während ­Lucky sich mit eingezogenem Kopf seiner Erdbeermilch hingab, schob Becky ein Blatt Papier über den Tisch. »Hier«, sagte sie, »alle Kontakte von Polly, die uns eingefallen sind. Von manchen haben wir die Telefonnummern, von manchen die Adressen oder auch nur ein Insta-Profil. Keine Ahnung.«

      Pfeffer nahm den Zettel und las. Die Familie Förster stand darauf, der Gärtner Beppo, der Nachbarsjunge Mo sowie noch weitere Kurz- oder Spitznamen.

      »Der Dennis«, sagte Becky, beugte sich vor und deutete auf den Zettel, »der war ihr Freund letztes Jahr im Herbst. Ein Wiesn-Flirt. Das ging nur einen Monat. Und hier der Robbie, der war danach mal mit ihr kurz zusammen. Den kenn ich aber nicht, den hat sie nie mit hergebracht. Der hat sie, glaube ich, dann genervt, weil er so super anhänglich war. Von dem weiß ich leider nur das Insta-Profil.«

      »Danke Ihnen, das wird uns hoffentlich weiterhelfen.« Pfeffer steckte den Zettel ein. »Sagt Ihnen zufällig ›Pops23‹ etwas?«

      Beide schüttelten den Kopf.

      »Eins noch«, Becky sah angestrengt auf die Tischplatte und holte Luft. »Also, es geht hier um Mord, darum muss ich es Ihnen sagen, oder? Also, dieser Mo, der hat der Polly Drogen verkauft.«

      »Wie bitte?«, entfuhr es Pfeffer.

      »Ja, er hat mich neulich vor dem Haus der Försters angesprochen und gesagt, dass ich Polly ausrichten soll, dass er neuen Stoff dahat. Da hab ich ihm gesagt, dass die Polly tot ist, und er hat ganz schön das Zittern bekommen.«

      »Damit haben Sie uns sehr geholfen«, sagte Bella Hemberger.

      Als die beiden Polizeibeamten die Wohnung verlassen hatten, meinte Bella nur: »Was für ein Früchtchen!« In der Wohnung zündete sich Lucky eine neue Zigarette an und flüsterte, damit es die Spurensicherer nebenan nicht hören konnten: »Musste das sein? Den hätten wir doch gleich für uns … Weißt schon.«

      »Ja, hab ich auch gedacht.« Becky schlürfte geräuschvoll vom Kaffee. »Aber das wird hier eine Nummer zu groß, Lucky. Polly ist brutal ermordet worden, falls es dir nicht in deinen süßen Erdbeermilchschädel geht. Die haben hier eingebrochen. Hier bei uns! Das fühlt sich für mich alles echt scheiße an. Und da habe ich auch kein Problem damit, mal einen kleinen Dealer zu opfern.«

      17

      »Dann auf zu Mister Green Eyes. Hamed Bakhtari.« Pfeffer schnallte sich an. »Ich habe vorhin mit deinem heimlichen Schwarm Beppo, dem Gärtner, telefoniert. Der hat mir gesagt, dass Hamed in der Unterkunft in der Blumen-, Ecke Pestalozzistraße lebt.«

      »Das ist eine Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge«, sagte Bella Hemberger. »Auf den Fotos sah der mir nicht mehr minderjährig aus.« Sie schnallte sich an. Pfeffer startete den Wagen. Er hatte Musik der kapverdischen Sängerin Cesária Évora eingelegt. Musikalische Erinnerungen an die Zeit mit Tim. Es machte ihn nicht mehr traurig, die Musik zu hören, er fühlte sich dadurch mit Tim verbunden.

      »Der oder die Täter haben was gesucht?« Pfeffer stellte die rhetorische Frage und beantwortete sie gleich selbst. »Unseren Silberreif von Elvedin Saqqaf.«

      »Sieht ganz danach aus«, bestätigte Bella. »Was ist nur daran? Wertvoll ist er nicht, und er ist auch nicht mit Drogen oder Diamanten oder Mikrochips gefüllt.«

      Das blaue Gebäude an der Pestalozzistraße, Ecke Altstadtring war ein dreigeschossiger Behelfsbau. Man hatte vor einigen Jahren ein altes marodes Mietshaus abgerissen und den Behelfsbau zur Zwischennutzung hochgezogen, bis irgendwann der richtige Neubau angegangen werden würde. Damals ein neues Konzept, dass die Stadt Flüchtlinge nicht mehr in Randgebieten unterbrachte, sondern mitten in der Innenstadt. Die Jungs hier teilten sich zu zweit die einfach eingerichteten Zimmer. Schon im Eingangsbereich müffelte es nach Käsefüßen und Jungsumkleide.

      »Hamed Bakhtari.« Die Hausleiterin nickte. Sie trug ihre braunen Haare asymmetrisch kurz, war kräftig gebaut, hatte große Hände, die garantiert zupacken konnten, und besaß die roten Bäckchen einer Bilderbuchlandfrau. Sie sah aus wie eine Erna – und hieß tatsächlich so. Erna Grieshuber. Sie saß mit den Kriminalbeamten in der Gemeinschaftsküche der Unterkunft. »Klar. An den kann ich mich gut erinnern. War ein netter Junge.« Sie reichte Bella Hemberger das Foto aus dem försterschen Garten zurück.

      »War?«, fragte Bella Hemberger.

      »Ja, war. Er ist weg.«

      »Und wohin?«

      »Weg.« Erna Grieshuber machte mit beiden Pranken eine Verpuffungsgeste. »Hat sich in Luft aufgelöst, der Hamed. Eines schönen Tages ist er nicht mehr heimgekommen. Wir haben eine Vermisstenmeldung gemacht, was übrigens Ihre Kollegen damals nicht die Bohne interessiert hat, und das wars dann. Bisher. Nun sind Sie da, und es scheint etwas zu geben, warum Hameds Schicksal doch jemanden interessiert. Oder ändert sich der Status seiner Aufenthaltserlaubnis? Soll er abgeschoben werden?«

      »Nein. Wir sind, wie gesagt, von der Kriminalpolizei. Er könnte womöglich ein wichtiger Zeuge für uns sein«, sagte Pfeffer. »Wie war er so? Was hat er gemacht? Auf dem Foto wirkt er gar nicht mehr minderjährig, nicht wahr?«

      »Er war recht fleißig in der Schule, wollte unbedingt einen Abschluss machen. Mit Quali. Und dann vielleicht sogar die Mittlere Reife. Er war nur in Mathe schwach, ansonsten hatte er eine gute Prognose.« Die Heimleiterin beugte sich vor und spielte mit einem Kugelschreiber. »Hören Sie, ich will Ihnen mal was über solche Jungs wie Hamed sagen. Ja, der war bestimmt keine sechzehn mehr, ich schätze mal zwanzig, einundzwanzig. Damit ist er hier beileibe nicht allein. Aber wenn es so in seinen Papieren steht, dann gilt das für uns. Und glauben Sie mir, viele kennen tatsächlich nicht ihr wahres Alter. Die anderen müssen beim Alter schwindeln, was bleibt ihnen auch anderes übrig, wenn sie in der Fremde die Chance auf eine Ausbildung, eine Zukunft haben wollen?«

      »Frau Grieshuber, wir sind nicht hier, um die möglichen Chancen von Flüchtlingen zu diskutieren. Uns geht es nur um Hamed …«, sagte Bella Hemberger.

      »Wissen Sie, was die Jungs hier manchmal für ein beschissenes Heimweh nach Afghanistan haben?« Erna Grieshuber ließ sich nicht beirren. »Die sind teilweise schon seit Jahren unterwegs. Die meisten sind tatsächlich als Minderjährige, als Kinder losgegangen, von ihren Familien losgeschickt worden, damit sie nicht den Taliban in die Hände fallen und damit …«

      »Frau Grieshuber«, unterbrach nun Pfeffer. »Bitte konzentrieren wir uns auf Hamed Bakhtari. Es geht nicht um seinen Aufenthaltstitel!«

      »Wussten