Münchner Gsindl. Martin Arz

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Название Münchner Gsindl
Автор произведения Martin Arz
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783940839725



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Knopf ins Ohr, damit man ihm Anweisungen geben konnte.

      Während Froggy sich im Nil an die Bar setzte, wie immer so, dass Pfeffer und Bella Hemberger von gegenüber ihn und sein Date gut im Blick haben konnten, schloss Riley Meusebach aus Fredericksburg, das in Texas, nicht das in Virginia, von den Einwohnern liebevoll Fritztown genannt, den Sicherheitsgurt um seinen speckigen Bauch auf dem Flug ba 960 von London-Heathrow nach München. Die Anschnallzeichen waren angegangen, weil leichte Turbulenzen erwartet wurden. Der Flug würde ohnehin nur noch knapp eine halbe Stunde dauern. Endlich München! Was hatten ihm seine Kumpels von seiner Burschenschaft Phi Gamma Delta nicht alles für Geschichten über good old Germany erzählt. Endlich würde er alles selbst erleben können. Die Kultur – wobei sie in Waco, wo Riley studierte, durchaus Kultur zu bieten hatten, das Dr Pepper Museum zum Beispiel – und dann das Bier – vor allem das Bier! Wobei ihm das Bier von der Fredericksburger Altstadt Brewery durchaus gut schmeckte, ja, die Brauerei hieß wirklich Altstadt, man war stolz auf das deutsche Erbe in Texas. Einige Straßenschilder waren zweisprachig, zumindest stand unter der Mainroad auch ›Hauptstrasse‹. Mehr noch: Riley selbst stammte aus der Gründerfamilie! Sein Urahn war Otfried Hans Freiherr von Meusebach, der als Generalkommissar des Vereins zum Schutze deutscher Einwanderer in Texas 1846 die Ortschaft Friedrichsburg, benannt nach Prinz Friedrich von Preußen, später als Fredericksburg amerikanisiert, gegründet hatte und sich später nur noch John O. Meusebach nannte. Ja, Riley Jayden Maddox Meusebach, zweiundzwanzig Jahre alt, Informatikstudent an der Baylor University in Waco, hatte einen Stammbaum!

      Also: Kultur (na ja), Bier (au ja) und dann das easy living! Eine Woche München, zwei Tage Dillenburg, denn da kamen die Meusebachs her, und schließlich noch eine Woche Berlin. In München, so hieß es, lebten ja vor allem Katholiken oder »Those fucking liberals!«, wie Onkel Hank zu sagen pflegte, und das bedeutete, dass die Mädels locker und willig waren. Hatten zumindest Dwayne und Kyle, seine Kumpels von der Uni, bekräftigt. Und letztlich, Riley wurde schon allein beim Gedanken daran rot, die Nackerten! Die ziehen sich in München tatsächlich komplett nackt aus und legen sich in die öffentlichen Parks, wo sie jeder sehen kann. Riley glaubte das noch nicht so recht, das konnte eigentlich nicht sein. Europa und Liberale hin oder her. Das wäre wirklich ein sehr starkes Stück.

      Aktuell allerdings, kurz vor dem Landeanflug auf München, dachte er weniger an Nackerte, ihm steckte die ewig lange Reise gewaltig in den Knochen. 6.41 p.m. Start am Waco Regional Airport, umsteigen in Dallas, 10.15 p.m. Abflug vom Dallas Fort Worth International Airport, dann Ankunft um 13.15 Uhr in London-Heathrow, Zeit totschlagen beziehungsweise unbequeme Schlafversuche auf Flughafenbänken bis zum Weiterflug um 17.05 Uhr, der genau um 20.00 Uhr in München enden würde. Geschlafen hatte er in der ganzen Zeit höchstens ein bis zwei Stunden. Er fühlte sich am Ende seiner Kräfte und freute sich auf sein Airbnb, eine Dusche, ein Bett …

      31

      Es war bereits 19.50 Uhr, und Froggy saß immer noch alleine an der Bar und zappelte nervös mit den Beinen. Er wusste nicht mehr, wohin er schauen sollte. Er hasste es, so von den anderen Männern angestarrt zu werden, so unverhohlen, so geil, so, wie Männer Frauen anschauen. Als wenn er eine Frau wäre! Perverses Pack. Er machte das alles nur, um bei seinem Chef wieder vollends in Gnade zu fallen. Seine Frau hatte es ihm eingebläut. Drum biss er die Zähne zusammen und tat so, als wäre es völlig sein Ding, Frischfleisch zu sein. Er hatte schon bei drei Dates tapfer über zwischenmännliche Intimitäten gesprochen, es fiel ihm immer leichter, und er würde auch noch weitere Dates überstehen.

      Seine Verabredung war bisher nicht aufgetaucht, und sie glaubten auch nicht mehr, dass sie noch auftauchen würde. Gerade als Pfeffer seiner Kollegin sagen wollte, dass sie abbrechen, klingelte sein Telefon. Sein jüngerer Sohn Florian. »Flo, was gibts. Ganz kurz bitte, ich bin im Einsatz.«

      »Hi, Papa«, sagte Florian, »okay, dann ruf ich dich später noch mal an. Ich brauche dringend deinen Rat.«

      »Okay, dann in … um halb neun.«

      »Nee, passt bei mir nicht, ich muss noch schnell zu Micky. Dann um neun, ich ruf dich um neun an. Auf die Sekunde!«

      »Alles klar«, antwortete Pfeffer und legte schmunzelnd auf. Wie er seinen Sohn kannte, würde der tatsächlich genau auf die Sekunde anrufen. »Unser Klient kommt heute nicht mehr«, sagte er zu Bella Hemberger.

      »Glaube ich auch.« Sie winkte dem Kellner, um zu zahlen.

      Pfeffer gab Froggy inzwischen über den Knopf im Ohr die Information, dass sie gehen würden. Froggy nickte erleichtert zu ihnen hinüber, zahlte und ging.

      »Depp. Noch auffälliger gehts wohl nicht«, brummte Pfeffer.

      »Kommst du noch mit ins Präsidium«, fragte Bella Hemberger.

      »Nein, die Sachen könnt ihr zwei doch alleine zurückbringen, oder? Ich geh noch auf ein Bier rüber ins Nil und dann heim. Bis morgen.«

      Er schlenderte über die Straße, rauchte dabei eine Zigarette und betrat schließlich das Lokal. Kurz nach 20 Uhr, es war noch nicht viel mehr los als vor einer halben Stunde. Der Barhocker, auf dem Froggy gewartet hatte, war noch frei. Pfeffer setzte sich und bestellte ein Bier. Er dachte an Tim und kämpfte die Welle aufkommender Einsamkeit mühsam herunter. Als das Bier kam, stürzte er die Hälfte schnell hinunter. Nicht an Tim denken, oder schon an Tim denken, aber ohne Trauer und mit Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit. Blödes Gequatsche. Er hätte sofort in Trauer versinken können, doch seine Selbstdisziplin war (wie immer) stärker. Er leerte das Bier mit dem zweiten Zug und bestellte gleich noch eins. Er sah sich um. Er kannte niemanden und niemand kannte ihn. Die Zeiten, in denen er regelmäßig ausgegangen war und einige Leute kannte, wenn auch nur vom Sehen, waren längst vorbei. Er wusste, dass er wieder rausmusste, dass er nicht nur zu Hause sitzen sollte, dass er sich langsam wieder in die Szene eingliedern sollte, um vielleicht irgendwann mal eine neue Liebe zu finden. Aber wenn er sich so umsah, dann musste er sich die Frage stellen: Welchen dieser Typen hier würdest du einem lang­wei­ligen Abend vor der Glotze vorziehen? Und die Antwort hieß: keinem. Zu jung, zu alt, zu gepierct, zu tätowiert, zu fett, zu langweilig, zu spießig, zu tuntig, zu arrogant … Sicher, alles Äußerlichkeiten, doch irgendwo musste man ja anfangen. Bei Tim hatte es auf den ersten Blick gezischt, man hatte sich angesehen, und sofort war klar, dass man zusammen mehr machen konnte als nur Sex. Und dann dachte er daran, dass er bei den anderen vermutlich ebenso durch viele Raster fiel. Er musste schmunzeln.

      »Holla, Herr Kriminalrat, so fröhlich«, sagte da eine Stimme links neben ihm. Pfeffer drehte den Kopf.

      »Na, so eine Überraschung«, sagte Pfeffer. »Der Herr Schubert. Das hätte ich nicht erwartet.«

      »Das glaube ich Ihnen jetzt nicht«, antwortete der Gärtner schelmisch zwinkernd.

      »Okay, ich gebs zu, ich hätte das schon erwartet, aber ich glaube, dass meine Kollegin sehr traurig sein wird, wenn ich ihr von unserer Begegnung hier erzähle.«

      »Sehr nette Frau, Ihre Kollegin Hemberger.« Beppo Schubert sah sich nach einem freien Barhocker um. Es gab keinen, also lehnte er sich nah bei Pfeffer an den Tresen. Er roch nach frischer Wiese und ein bisschen Schweiß, nicht unangenehm. »Ja, ich weiß«, fuhr ­Schubert fort, »die meisten Damen haben keinen richtigen Radar dafür. Ist auch gut so. Ich muss nicht geoutet sein. Darf ich fragen, ob wir uns duzen können?«

      »Fragen können Sie«, antwortete Pfeffer, »aber ich möchte das nicht. Wir ermitteln immer noch in Sachen Polina Komarowa, da bleiben wir besser beim Sie.«

      »Verstehe«, nickte Beppo Schubert. »Klingt halt nur blöd, wenn man sagt: Sie haben aber tolle Augen.«

      Pfeffer prustete los, und auch der Gärtner lachte.

      »Danke. Aber am besten lassen wir Themen wie diese«, sagte Max Pfeffer dann. »Ich will Ihnen nicht die Illusionen rauben, aber auch ohne das ganze Drumherum wären Sie nicht ganz mein Beuteschema.«

      »Sie meins auch nicht.« Schubert gab sich beleidigt. »So hübsch sind Sie nun auch wieder nicht.« Wieder lachten beide. »Okay, das war gelogen. Und das wissen Sie. Sie sind ein sehr attraktiver Mann …«

      »Okay, das reicht.«

      »Sorry.