Münchner Gsindl. Martin Arz

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Название Münchner Gsindl
Автор произведения Martin Arz
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783940839725



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Aber Becky war es das wert. Keinen Bock auf Fahrrad! Schnell heim in die Heia. Sie ließ sich vom Fahrer am Taxistand unter der Candidbrücke absetzen und lief die Straße hinunter in Richtung Agilolfinger­straße. Es stank nach Pisse. Als sie an dem Gebüsch vor der Sparkasse vorbeikam, wurde sie plötzlich von hinten gepackt und ins Dunkel des Eingangsbereichs der Bank gezerrt. Eine Hand versiegelte ihren Mund, eine andere hielt sie am Hals umklammert. Sie bekam kaum noch Luft.

      »Schschschsch«, machte der Mann neben ihrem linken Ohr. »Ganz ruhig, okay? Dann passiert niemandem was.«

      Becky bäumte sich auf. Er griff fester zu. Ihr blieb die Luft weg.

      »Was habe ich gesagt?«, raunte er. »Versprichst du jetzt, brav zu bleiben? Dann, nur dann passiert dir nichts.«

      Sie sog panisch Luft durch die Nase, konnte keinen klaren Gedanken fassen. Schließlich nickte sie leicht, weniger aus Zustimmung, als aus dem Drang heraus, irgendwas zu tun. Die Hand löste sich vorsichtig von ihrem Mund, jederzeit bereit, ihn wieder zu verschließen, falls sie schreien sollte. Die andere Hand am Hals lockerte sich ebenfalls. Schließlich zog er beide Hände weg. Becky schnappte nach Luft und drehte sich langsam um.

      »Du?«, entfuhr es ihr überrascht. »Du Arschloch! Was soll das?«

      Er packte sie wieder mit einer Hand bei der Gurgel und drückte so weit zu, dass sie begriff, wer Herr der Lage war.

      »Schon gut«, röchelte sie. »Was willst du?«

      »Ich finde es nicht sehr nice von dir, dass du mich an die Bullen verpfiffen hast«, sagte Mortimer Olberding leise. »Gar nicht nice.«

      »Hör mal, es geht um Mord. Und du bist doch ihr Dealer … Oder, meine Güte, hast du etwa Polly …« Sie biss sich auf die Unterlippe.

      Er lachte kurz auf. »Bestimmt nicht. Aber es ist nicht gut, wenn alle Welt weiß, welchen lukrativen Nebenerwerb ich habe, kapiert?«

      »Was soll das dann hier?« Becky machte einen Schritt zurück. Abstand gewinnen.

      »Ich möchte, dass du begreifst, dass das alles eine Nummer zu groß für dich sein könnte. Ich hätte dich … tja, meinen Jungs überlassen können – und glaub mir, ich kenne Jungs, denen würde ich kein Mädchen mal eben so überlassen – oder dafür sorgen, dass dein wunderschönes Madonnengesicht der Vergangenheit angehört oder, oder, oder.«

      Becky gewann langsam ihr Selbstvertrauen zurück. »Ach wirklich? Und wenn du das alles hättest machen können, warum laberst du mich stattdessen hier voll?«

      Mortimers Lächeln ließ sich auch in der Dunkelheit erahnen, es ließ sie schaudern. »Weil ich dir lieber einen Deal anbieten möchte. Im Gsindl wirst du als Barfrau sicher oft nach gewissen Stimulanzien gefragt, die über Alkohol hinausgehen. Ich möchte, dass du all diese Interessenten an mich verweist oder an meine Mitarbeiter, die ich dir noch zeigen werde.«

      »Was springt für mich dabei raus?«

      »Zunächst, meine Liebe, dass du dein hübsches Madonnengesicht behältst und vorerst weiter darüber bestimmst, wer dein Schmuckdöschen von innen sieht.« Er griff ihr in den Schritt. In dem Moment riss Becky ihr Knie nach oben und trat Mortimer wuchtig zwischen die Beine. Er machte »uff« und kippte nach vorne. Die eine Hand in seinem Schritt, packte er sie fest am Kragen. »Unklug«, keuchte er.

      »Ich denke nicht«, antwortete sie, sie taumelte unter seinem ­Gewicht, das an ihrem Kragen hing, blieb jedoch stehen. »Ich möchte zwanzig Prozent von deinem Umsatz, wenn ich dir die Kunden zuschiebe.«

      »Zehn«, schnaufte er unter Schmerzen.

      »Okay, fünfzehn.« Becky gab Mortimer die Hand, er ließ ihren Kragen los. Sie drehte sich um und ging die Straße entlang. Sie ging nicht, sie schritt, beherrscht, bemüht, Haltung zu zeigen. Nicht rennen, sagte sie sich, wobei sie so gerne weggerannt wäre. Als sie endlich die Tür zu ihrer Wohnung aufschloss, horchte sie noch einmal ins Treppenhaus. Nichts, er war ihr nicht gefolgt. Erleichtert schlüpfte sie in die Wohnung, zog die Tür zu und sperrte sie ab.

      »Lucky«, rief sie. »Ich muss dir was erzählen.« Sie machte Licht und ging in Luckys Schlafzimmer. Zu ihrer größten Enttäuschung sah sie, dass sein Bett leer war. Sie ärgerte sich über sich selbst. Lucky war ja für ein paar Tage am Gardasee mit seinem neuen Stecher, diesem blöden Schwanzpic-Sender von der App, ›Bullock23‹ oder so. Gemeldet hatte er sich auch noch nicht bei ihr. Scheiß Kerle.

      Nachdem der Schmerz nachgelassen hatte, zog Mortimer sein Smartphone aus der Tasche und wählte eine Nummer. »Yo, hier ist Mo«, sagte er dann. »Die Sache ist abgeblasen … Ja, wir haben uns geeinigt … nein … nein, ihr lasst sie in Ruhe, okay … Willst du Ärger mit mir? … Okay, will ich dir auch geraten haben. Pfoten weg von der Braut.« Er legte auf.

      27

      »Und jetzt?«, fragte Bella Hemberger am nächsten Morgen. »Ihr prügelt euch wie zwei Vollpfosten, und danach ist dicke Freundschaft, oder wie? Ihr wisst schon, dass das disziplinarische Folgen hat.«

      »Hat es nicht.« Max Pfeffer blinzelte mit dem blauen Auge. Er hatte es den ganzen Abend über gekühlt. Das hatte die Schwellung eingedämmt. Blauviolett war es trotzdem. »Außer dir weiß niemand, dass wir eine kleine unglückliche Begegnung hatten, und dabei bleibt es auch.«

      Erdal Zafer nickte zaghaft. Seine linke Gesichtshälfte war angeschwollen und schillerte türkis. Da er sich nun nicht rasieren konnte, ließ er den Bart wachsen. Das hatte den Vorteil, dass in wenigen Tagen niemand mehr die Blessuren sehen würde.

      »Warum deckst du den Vollpfosten?«, fragte Bella wütend und deutete auf Froggy. »Der lästert über dich bei jeder sich bietenden Gelegenheit, der homophobe Sack, und dann greift er dich auch noch körperlich an.«

      »Sei still!«, herrschte Froggy sie an.

      »Von dir lass ich mir nicht den Mund verbieten!«, konterte Bella.

      »Ich decke ihn nicht«, antwortete Pfeffer ruhig. »Er hat mich nicht angegriffen, und ich weiß, dass die Lästerei ab heute ein Ende hat. Nicht wahr, Erdal?«

      Froggy nickte verlegen und grinste schief. Dann nahm er eine Aldi-Einkaufstüte hoch und holte daraus eine große Tupperdose mit Tiramisu hervor. Als er den Deckel öffnete, wirbelte ein feiner Nebel aus Kakaopulver hoch. »Hier, Chef, hat meine Frau gemacht. Sie macht immer ganz viel Kaffeelikör mit rein. Sie sagte: ›Wenn dein Chef Espresso mag, dann mag er auch mein Tiramisu.‹ Ich denke, Baklava wäre zwar passender, weil du so sauber hinlangst wie ein Türke, aber meine Frau ist Deutsche, die kann nur Tiramisu.«

      »Danke. Sag deiner Frau lieben Dank. Freut mich. Holt euch Teller und Löffel aus der Küche, Tiramisu für alle und Frieden auf Erden. Ich mach ’nen Espresso dazu.«

      »Wie jetzt?« Bella Hemberger blickte entnervt von Pfeffer zu Froggy. »Das wars?«

      »Ja«, sagte Pfeffer entspannt.

      »Ja«, sagte Froggy glücklich lächelnd.

      »Was ist übrigens mit der Videoüberwachung von Hellabrunn?«, fragte Pfeffer.

      »Nichts«, antwortete Froggy. »Die Kameras sind nur auf den Tierparkbereich ausgerichtet, nicht auf den öffentlichen Grund. Dürfen sie gar nicht.«

      »Wäre ja auch zu schön gewesen.«

      »Okay, dann eben business as usual. Was wir inzwischen haben«, sagte Bella Hemberger, »ist noch ein Bericht aus dem Labor. Ja, peu à peu kommen die ganzen Ergebnisse rein. Es gibt tatsächlich eine Übereinstimmung von einem Sohlenabdruck, den die Kollegen neben der Kreuzwegsäule sichergestellt haben, an der die Leiche lehnte, mit einem Laufschuh. Also, es ist zwar kein ganzer Sohlenabdruck, sondern nur ein kleines Fragment, aber die Laborjungs sagen, dass das reicht. Der dazu passende Schuh gehört unserem Herrn Nowak.«

      »Was ich nicht verstehe, lieber Max, ist, was diese beiden Asylbewerber mit dem Fall zu tun haben sollen«, sagte Kriminaldirektorin Jutta Staubwasser und tippte mit dem rechten Zeigefinger auf die Unterlagen, die vor ihr auf dem Schreibtisch lagen. Sie hatte Max