Drei Wanderer. Helmut Tack

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Название Drei Wanderer
Автор произведения Helmut Tack
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783347055377



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durch den Kopf, als sie das Zimmer betraten. Sie wuschen sich an der Pumpe im Hof ausgiebig und gingen bald zu Bett. Der Morgen graute schon, als Hannibal sich an seine Kumpane wandte.

      «Nun, was meint Ihr? Ob wir uns hier ein paar Tage aufhalten können, ohne dafür zahlen zu müssen?» Er bekam keine Antwort, denn die anderen schliefen schon.

      «Alte Schlafmützen», brummte er noch, bevor auch er einschlief.

      *

      Ein Strecken lief durch den erwachenden Körper des Wirtes.

      Sein Bauch unter der Decke schien noch zu schlafen, denn erst nachdem der restliche Leib sich wieder entspannt hatte, streckte sich der Bauch. Er trat als große runde Kugel hervor und ließ das Bett plötzlich voller erscheinen.

      Der neben ihm liegende Körper schien nicht nur aus der Rippe gemacht, er formte das Bett nach seinem Bilde, groß und rund.

      Der Wirt richtete sich auf und warf einen Blick auf den noch warmen Körper neben ihm. Sie hatten für sie ein extrabreites Federbett anfertigen lassen, denn sonst wären ihre Seiten nicht bedeckt worden.

      ‹Ob sie Dich vermissen wird, wenn Du einmal nicht mehr bist?›, fragte er sich.

      Seine Frau lebte gut bei ihm. Sie musste zwar hart ran wie er, aber wem tut das nicht gut?

      Er tastete den Leib mit seinen Blicken ab.

      «Bist ganz schön fett geworden, unter meiner Fuchtel», murmelte er leise.

      Plötzlich regte sich der angesprochene Körper fast unmerklich. Er verbarg ob seiner Fülle kleinere Bewegungen.

      «Du bist aber auch nicht gerade das Abbild des Apoll.»

      Der Wirt zuckte zusammen.

      Sie war zwar nicht boshaft zu nennen, aber er legte sich lieber nicht mit ihr an. Ihre Zunge und Blicke konnten sehr spitz sein. Er nannte das DEN BLICK. Seit ewigen Zeiten fürchten sich Männer davor. Nur Frauen beherrschen ihn. Männer können ihn nicht erlernen. Ohne ihre Hilfe und vor allem ihr Geld wäre er nie zu solchem Wohlstand gekommen.

      «Ich hab es nicht böse gemeint», versuchte er einzulenken und schwang sich aus dem warmen Bett.

      «Das sagst Du immer, wenn Du bei einer Bosheit ertappt wirst.» Sie kicherte mädchenhaft.

      Als er in der Tür stand, rief sie ihn zurück.

      «Wart doch mal. Ich hab da noch eine Frage.»

      ‹Oh Gott›, dachte der Wirt, ‹jetzt kommt es.›

      «Wer sind denn diese drei Typen, die Du heute Morgen aufgenommen hast?»

      Der Wirt begann die Mundwerkzeuge zu bewegen, als hätte er zähes Fleisch am Gaumen kleben. Ein Zittern durchfuhr ihn und ließ den Bauch wie einen übergroßen Pudding beben.

      «Niemand weiter. Ähm. Nur ein paar Wanderer, die hier schlafen wollen.»

      Sie sah ihn prüfend an.

      «So! Ein paar Wanderer!», antwortete sie, wobei sie das: So besonders dehnte.

      «Ja wirklich, nur ein paar Landstreicher. Ich weiß auch nicht, wohin sie wollen», sagte er leichthin und zog die Mundwinkel herunter.

      «Was interessiert mich, wohin die wollen? Solche Typen haben kein Ziel. Die kennen doch nur eins: Dem lieben Gott den Tag stehlen.» Sie zog missbilligend die Augenbrauen zusammen.

      «Mich interessiert nur, ob sie auch zahlen können.»

      Der Wirt entspannte sich.

      «Ach, wenn Dir das Sorgen bereitet, dann kann ich Dich beruhigen.» Für diesen Fall hatte er sich Geld von seiner heimlichen Rücklage geholt. Er kramte in der Hosentasche.

      «Hier sind Zeche und Miete. Denkst Du, ich will die umsonst beherbergen?» Er lachte künstlich, um seinen Worten Gewicht zu verleihen.

      «Gut!», war alles, was seine Frau dazu noch zu sagen hatte. Er war entlassen und konnte so seinem Tagewerk nachgehen.

      *

      Als der Abend anbrach, sich die Gaststube füllte, sah der Wirt zur Treppe hin. Er hatte die drei Wanderer den ganzen Tag noch nicht gesehen. Nun konnte er ihr Kommen nicht mehr erwarten. Es konnte sein, die hatten sich verdrückt, und er kam um seinen Lohn. Es wurde immer später, die ersten Gäste gingen schon, als der Wirt, stramm hinter dem Tresen stehend, den ersten der drei sah.

      Als würde er einen alten Bekannten nach Jahren wiedergesehen, lief er quer durch die Gaststube. Mancher Gast sah wegen der ungewohnten Behändigkeit des Wirtes beunruhigt auf. Der Wirt fasste ihn um die Schultern und fragte ihn nach seinen Kameraden aus.

      «Wo wart Ihr denn. Ihr hättet auch gut bei mir essen können. Heute gab es Bratkartoffeln mit Sülze. Die Remoulade macht meine Alte selber.» Er formte die Fingerkuppen zu einer Spitze und presste sie an seine Lippen.

      «Köstlich, sage ich. Wenn sie eins richtig gut kann, dann kochen!»

      Der Wanderer, er nannte sich Siegfried, befreite sich aus der Umarmung des Wirtes.

      «Sie kommen ja, sie kommen», mehr brachte er nicht heraus.

      Der Wirt gab sich damit zufrieden, drückte Siegfried einen Becher Wein in die Hand und ging an seinen Platz hinter dem Tresen. Kaum, dass er dort angelangt war, besser, sich aufgebaut hatte, kamen Hannibal und sein Adlatus die Treppe herunter.

      Sie gingen selbstbewusst an den Stammtisch, riefen Siegfried herüber. Der Wirt nahm es mit ungewohnter Geschwindigkeit. Sonst rief er dem Gast zu:

      «Ja gleich. Wenn ich hier fertig bin!»

      Als einer der Stammgäste sich über die Belagerung des Stammtisches beklagen wollte, verteidigte er die Drei.

      «Lass mal gut sein Herbert, die sind meine Gäste.» Dagegen war nichts einzuwenden, denn wer legt sich in einem verlassenen Ort wie diesem, schon mit dem einzigen Wirt an? Die Stunden schlichen dahin. Der Wirt konnte es nicht mehr erwarten, bis der letzte Gast ging. Mit seinen Blicken schien er die Uhr aufzufordern die Zeit schneller vergehen zu lassen. Endlich hörte er das Knarren der Tür, hinter der der letzte einsame Trinker verschwand. Der Wirt mahnte seine Frau, zu Bett zu gehen. Sie ging kopfschüttelnd und er konnte sich endlich zu den Wandergesellen setzen. Um nicht mit leeren Händen zu kommen und gleichzeitig anzudeuten, wie erwartungsvoll er war, brachte er eine Karaffe Wein mit.

      «So, meine Freunde, dann wollen wir mal», eröffnete der Wirt das Gespräch.

      Hannibal tat entrüstet.

      «Was soll denn das heißen? Denken Sie, eine Geschichte schwebt wie Kaffeeduft im Raum?» Er machte eine vieldeutige Geste.

      «Man kann sie nicht einfach so inhalieren, sie muss in einem aufsteigen, wie Bauchschmerzen etwa.» Hannibal schmunzelte vielsagend.

      Zwischen den drei Wanderern entstand eine Diskussion über die Geschichte des Vorabends.

      Hannibal erwies sich als der streitbarste, ohne rechthaberisch zu werden. Er verteidigte seine Geschichte, als gelte es den Ursprung des Menschseins zu schützen. Doch Siegfried war ein gerechter, aber unbarmherziger Gegner.

      «Gurre nicht, wie eine Taube, die ihr erstes Ei gelegt hat. Nun gut, sie war ganz aufschlussreich, aber was hat sie gesagt. Nichts, als dass ein ohnehin alter Mann noch älter wird in seiner Erkenntnis.» Er schaute bedeutsam in die Runde.

      «Was ich aber erlebt habe, das ist, was uns nachdenklich machen sollte.» Hannibal schürzte die Lippen.

      «Deine Geschichten kannst Du Dir sparen, wir kennen sie alle schon. Durch und durch vor Liebe triefend.»

      «Ja, Ihr kennt sie schon. Glaubst Du zumindest. Hast aber vergessen, dass wir uns schon fast ein Jahr nicht mehr gesehen haben.» Siegfried war sichtlich verärgert.

      «Nein, bitte erzählen Sie», bat der Wirt, dieser vermeintlichen Liebesgeschichte entgegenfiebernd. Er mochte Liebesgeschichten, Sie hatten etwas