Название | Rubinrot |
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Автор произведения | Керстин Гир |
Жанр | Учебная литература |
Серия | |
Издательство | Учебная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783401800141 |
Wenn Mum mir Asrael geglaubt hatte, würde sie die Zeitreise wohl auch glauben. Ich wartete auf einen günstigen Augenblick, um mit ihr zu sprechen. Aber irgendwie wollte der günstige Augenblick nicht so recht kommen. Kaum war sie von der Arbeit nach Hause gekommen, musste sie mit meiner Schwester Caroline diskutieren, weil Caroline sich dafür eingetragen hatte, während der Sommerferien das Klassenterrarium in Obhut zu nehmen, inklusive des Klassenmaskottchens, eines Chamäleons namens Mr Bean. Obwohl es bis zu den Sommerferien noch mehrere Monate hin war, ließ sich die Diskussion offenbar nicht aufschieben.
»Du kannst Mr Bean nicht in Pflege nehmen, Caroline! Du weißt genau, dass deine Großmutter Tiere im Haus verboten hat«, sagte Mum. »Und Tante Glenda ist allergisch.«
»Aber Mr Bean hat gar kein Fell«, sagte Caroline. »Und er bleibt die ganze Zeit in seinem Terrarium. Er stört keinen.«
»Er stört deine Großmutter!«
»Dann ist meine Großmutter blöd!«
»Caroline – es geht nicht! Hier hat auch niemand Ahnung von einem Chamäleon. Stell dir nur vor, wir würden was falsch machen und Mr Bean würde krank werden und sterben!«
»Das würde er nicht. Ich weiß, wie man sich um ihn kümmert. Bitte, Mummy! Lass mich ihn nehmen! Wenn ich ihn nicht nehme, nimmt ihn wieder Tess und die gibt immer so an, dass sie Mr Beans Lieblingskind wäre.«
»Caroline, nein!«
Eine Viertelstunde später diskutierten sie immer noch, auch als Mum ins Badezimmer ging und die Tür hinter sich abschloss. Caroline stellte sich davor auf und rief: »Lady Arista müsste ja nichts davon merken. Wir könnten das Terrarium ins Haus schmuggeln, wenn sie nicht da ist. Sie kommt doch so gut wie nie in mein Zimmer.«
»Kann man hier nicht wenigstens auf dem Klo mal seine Ruhe haben?«, rief Mum.
»Nein«, sagte Caroline. Sie konnte eine fürchterliche Nervensäge sein. Sie hörte erst auf zu quengeln, als Mum versprach, sich höchstpersönlich bei Lady Arista für den Ferienaufenthalt von Mr Bean in unserem Haus zu verwenden.
Die Zeit, die Caroline und Mum mit ihrer Diskussion verplemperten, nutzte ich, um meinem Bruder Nick Kaugummi aus den Haaren zu entfernen.
Wir saßen im Nähzimmer. Er hatte ungefähr ein halbes Pfund von dem Zeug auf dem Kopf kleben, konnte sich aber nicht erinnern, wie es da hingekommen war.
»Das muss man aber doch merken!«, sagte ich. »Ich muss dir leider ein paar Strähnen abschneiden.«
»Macht nichts«, sagte Nick. »Du kannst die anderen gleich mit abschneiden. Lady Arista hat gesagt, ich sähe aus wie ein Mädchen.«
»Für Lady Arista sehen alle wie ein Mädchen aus, deren Haare länger als ein Streichholz sind. Bei deinen schönen Locken wäre es eine Schande, sie so kurz zu scheren.«
»Die wachsen ja wieder. Schneid sie alle ab, ja?«
»Das geht nicht mit einer Nagelschere. Dafür musst du zum Friseur.«
»Du kannst das schon«, sagte Nick vertrauensvoll. Er hatte offenbar vollkommen vergessen, dass ich ihm schon einmal mit einer Nagelschere die Haare geschnitten hatte und dass er damals ausgesehen hatte wie ein frisch geschlüpftes Geierküken. Ich war sieben, er vier Jahre alt gewesen. Ich hatte seine Locken gebraucht, weil ich mir eine Perücke daraus hatte basteln wollen. Das hatte allerdings nicht geklappt, dafür hatte ich aber einen Tag Hausarrest aufgebrummt bekommen.
»Untersteh dich«, sagte Mum. Sie war ins Zimmer gekommen und nahm mir sicherheitshalber die Schere aus der Hand. »Wenn überhaupt, dann macht das ein Friseur. Morgen. Jetzt müssen wir zum Abendessen nach unten.«
Nick stöhnte.
»Keine Sorge, Lady Arista ist heute nicht da!« Ich grinste ihn an. »Niemand wird wegen des Kaugummis meckern. Oder wegen des Flecks auf deinem Sweatshirt.«
»Was für ein Fleck?« Nick sah an sich herab. »Oh, Mist, das muss Granatapfelsaft sein. Hab ich gar nicht bemerkt.« Der arme Kleine, er kam ganz auf mich.
»Wie gesagt, niemand wird schimpfen.«
»Aber heute ist doch gar nicht Mittwoch!«, sagte Nick. »Sie sind trotzdem weggefahren.«
»Cool.«
Wenn Lady Arista, Charlotte und Tante Glenda dabei waren, war das Dinner immer eher eine anstrengende Angelegenheit. Lady Arista kritisierte vor allem Carolines und Nicks Tischmanieren (manchmal auch die von Großtante Maddy), Tante Glenda erkundigte sich ständig nach meinen Schulnoten, um sie dann mit Charlottes zu vergleichen, und Charlotte lächelte wie Mona Lisa und sagte: »Das geht euch nichts an«, wenn man sie etwas fragte.
Alles in allem hätten wir auf diese abendlichen Versammlungen also gut verzichten können, aber unsere Großmutter bestand darauf, dass jeder teilnahm.
Nur wer eine ansteckende Krankheit hatte, war entschuldigt. Zubereitet wurde das Essen von Mrs Brompton, die montags bis freitags ins Haus kam und sich neben dem Essen auch um die Wäsche kümmerte. (An den Wochenenden kochten entweder
Tante Glenda oder Mum. Essen vom Pizzadienst oder vom Chinesen gab es zu Nicks und meinem Kummer nie.)
An den Mittwochabenden, wenn Lady Arista, Tante Glenda und Charlotte ihren Mysterien nachgingen, war das Dinner deutlich entspannter. Und wir fanden alle herrlich, dass heute, obwohl erst Montag, schon Mittwochsverhältnisse herrschten. Nicht dass wir dann laut schlürften, schmatzten und rülpsten, aber wir trauten uns durcheinanderzureden, die Ellenbogen auf den Tisch zu legen und Themen zu erörtern, die Lady Arista unpassend fand.
Chamäleons zum Beispiel.
»Magst du Chamäleons, Tante Maddy? Würdest du nicht gerne mal eins haben wollen? Ein ganz zahmes?«
»Also, ähm, eigentlich, doch ja, wo du es jetzt so sagst, da merke ich, dass ich wirklich schon immer mal ein Chamäleon haben wollte«, sagte Großtante Maddy und häufte sich Rosmarinkartoffeln auf den Teller. »Unbedingt.«
Caroline strahlte. »Vielleicht geht dein Wunsch ja bald in Erfüllung.«
»Haben Lady Arista und Glenda etwas von sich hören lassen?«, erkundigte sich Mum.
»Deine Mutter hat am Nachmittag angerufen, um zu sagen, dass sie beim Abendessen nicht dabei sein werden«, sagte Großtante Maddy. »Ich habe in unser allen Namen unser großes Bedauern darüber ausgesprochen, ich hoffe, das war euch recht.«
»Oh ja.« Nick kicherte.
»Und Charlotte? Ist sie. . .?«, fragte Mum.
»Bis jetzt wohl nicht.« Großtante Maddy hob die Schultern. »Sie rechnen aber jeden Augenblick damit. Dem armen Mädchen ist
unentwegt schwindelig und jetzt hat sie auch noch Migräne bekommen.«
»Sie ist wirklich zu bedauern«, sagte Mum. Sie legte ihre Gabel beiseite und starrte geistesabwesend auf die dunkle Täfelung unseres Esszimmers, die in etwa so aussah, als hätte jemand die Wände aus Versehen mit dem Boden verwechselt und dort Parkett verlegt.
»Was passiert denn, wenn Charlotte gar nicht in der Zeit springt?«, fragte ich.
»Früher oder später wird es passieren!«, imitierte Nick die salbungsvolle Stimme unserer Großmutter.
Alle außer Mum und mir lachten.
»Aber wenn es nicht passiert? Wenn sie sich vertan haben und Charlotte dieses Gen überhaupt gar nicht besitzt?«, fragte ich.
Diesmal äffte Nick Tante Glenda nach: »Gleich als Baby konnte man Charlotte ansehen, dass sie zu Höherem geboren