Название | Der Seele tiefer Grund |
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Автор произведения | Beate Berghoff |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347094444 |
Doch Heinrich unterbrach ihn: „Schon gut, Ulrich. Ich glaube, jeder war froh, als Markwart endlich tot war. Ich auch.“
Ulrich nickte. Dann holte er Luft für den Rest: „Markwart hatte Veit unter Kontrolle, weil Veit furchtbare Angst vor ihm hatte. Nach der schlimmen Zeit im Kerker hat sich Veit an seinen Freund Simon gehängt, Ihr wisst schon, Simon der Schmied.“
Heinrich wusste, wer Simon war. Als Kind hatte er immer Veits Freund sein wollen, aber da war auch immer Simon gewesen. Heinrich war damals wirklich vor Eifersucht vergangen. „Veit hat sich an Simon gehängt, aber er hat nie irgendwem erzählt, was ihm im Kerker widerfahren ist. Simon hat wohl angenommen, Veit würde sich schon wieder beruhigen und hat sich nicht viel dabei gedacht. Eines Tages gab es wohl irgendein Missverständnis und Veit hat Simon an Markwart verraten. Simon wurde hart gestraft, und seitdem verachten die Leute Veit als Verräter. Wohin er kommt, niemand spricht mit ihm, niemand isst mit ihm, niemand sitzt mit ihm. Wenn ich nicht dabei bin, dann spucken sie ihn an und werfen Steine nach ihm. Es ist furchtbar. Wenn ich in der Nähe bin, dann tun sie ihm nichts, aber ich kann nicht überall sein. Das ist der Grund, warum sich Veit immer zurückzieht, wenn es geht. Er ist nicht gerne unter anderen Menschen.“
Wieder schwiegen die beiden Männer, jeder war damit beschäftigt, die eigenen Gedanken zu sortieren.
Dann fügte Ulrich noch hinzu: „Euer Vater hat dann noch lange versucht, zusammen mit Markwart Pferde zu bereiten und zu züchten, aber das ist nicht gut gegangen. Sie haben beide zu viel getrunken und hatten keine Disziplin. Veit hatte ja immer die ganze Arbeit gemacht. Sie haben ihn weiterhin gezwungen, mitzuarbeiten, aber er durfte nicht mehr reiten. Veit war nicht mehr mit Freude bei der Sache, wie es immer ist, wenn jemand Zwangsarbeit verrichten muss. Mit der Pferdezucht ist es abwärts gegangen und Euer Vater hat aufgehört. Den Rest wisst Ihr selbst.“
Heinrich war erstaunt. Sein Vater war ein noch größerer Idiot gewesen als gedacht. Etwas aufzugeben, woran sein Herzblut hing, nur um ein versoffenes, abartiges Ungeheuer zufrieden zu stellen. Wie dumm das gewesen war. Seine Gedanken wurden zerschnitten von Ulrichs Stimme: „Heinrich, Veit trägt diese Fußketten jetzt seit über zehn Jahren. Er hat genug gelitten. Könnt Ihr sie nicht einfach abnehmen lassen? Er hilft Euch bestimmt gerne bei Euren Pferdeplänen.“
In Heinrichs Kopf tobten die Gedanken. Es wurde eng. Und immer, wenn es eng wurde, musste er raus, am besten reiten. Er würde ausreiten, so lange und so schnell er konnte. Ausreiten half immer. Er stand auf und bedankte sich bei Ulrich. Er sagte ihm, dass er ausreiten würde und über die ganze Sache nachdenken müsste.
Das, was er gerade gehört hatte, beschäftigte ihn sehr. Heinrich hatte selbst genug schlimme Dinge getan im Krieg. Aber einen wehrlosen Mann zu quälen, der irgendwo angekettet war, das ging zu weit. Das war gegen jede Ritterehre, das war einfach nur feige und widerlich.
Heinrich ging zum Stall, um sich Alba zu holen, aber Alba war nicht da. Normalerweise waren seine Pferde im Stall, wenn er nachmittags kam. Jetzt aber war Vormittag, und einer der Stallknechte teilte ihm mit, dass die Pferde auf der Weide am anderen Ende des Gutes wären. Heinrich überlegte kurz, ob er Martin mitnehmen sollte, verwarf den Gedanken aber wieder. Martin war bei seinem heißgeliebten Unterricht, und Heinrich wollte nicht stören. Außerdem brauchte er dringend einen freien Kopf und wollte nicht reden. Und natürlich würde er so richtig schnell reiten, um sich abzureagieren, da würde Martin vermutlich gar nicht mitkommen.
Also würde er alleine ausreiten. Seltsam, wie schnell er seine Vorsätze vergessen hatte, genau das nicht mehr zu tun. Aber es lag ja kein Schnee, und Eis war auch nicht da, also würde schon nichts passieren. Er würde reiten so schnell er konnte, und zwar zum See. Dort würde er Brotzeit halten, das wäre sicher wunderbar. Dieser Gedanke munterte ihn auf, und er holte sich Brot, Käse und ein paar Äpfel aus der Küche.
Dann lief er Richtung Weide, die hinter den Ställen Richtung Wald lag, gut geschützt von einem stabilen Holzzaun. Er kam an. Eine einsame Gestalt lief gerade mit Eimern zum Bach, um Wasser zu holen. Eine andere Gestalt war in einer Ecke der Koppel damit beschäftigt, den Zaun auszubessern. Ein paar Pferde standen um ihn herum und beäugten neugierig, was er da tat.
Leise, um die Pferde nicht zu erschrecken, kam Heinrich näher. Frustriert musste er feststellen, dass der einzige greifbare Knecht ausgerechnet der war, den er aus dem Kopf haben wollte. Da stand, hochkonzentriert an der Arbeit, Veit mit seinen Fußketten. Heinrich wollte langsam rückwärts weg gehen und sich den anderen Pferdeknecht schnappen, der bald mit dem Wasser wiederkommen musste. Aber sein Pferd, Alba, hatte ihn gesehen, schnaubte freudig und kam näher.
Veit drehte sich um und fuhr entsetzt zusammen. Für ein paar Momente starrte er den Herrn mit aufgerissenen Augen an, bevor er sich fing und den Kopf senkte, so wie es sich gehörte. Heinrichs Frust stieg an. Er wollte einfach nur ausreiten. Veits Reaktion war so ermüdend. Er wollte das alles nicht mehr. Die Leute sollten sich normal verhalten und nicht so tun, als wenn er ein Ungeheuer wäre.
Ein Ungeheuer.
Heinrich musste an das denken, was ihm der Verwalter vorhin erzählt hatte. Veit hatte Übles erfahren, aber doch nicht von ihm. Ja, er war schadenfroh, als er die Fußketten bekam und nicht mehr reiten konnte, aber er selbst hatte Veit nichts getan. Er bemerkte, dass er kurz davor war, die Nerven zu verlieren. Zuviel brodelte in ihm.
Heinrich trat zwei Schritte von Veit weg und meint nur kurzangebunden: „Sattle mir mein Pferd“.
Veit nickte leicht, sagte nichts weiter und holte Alba von der Weide. Sie folgte ihm sofort, schmiegte ihren Kopf an seine Wange. Veit ging mit dem Pferd Richtung Stall, seine Fußketten machten ein feines, schepperndes Geräusch.
Heinrich ging hinterher. Er musste fort von hier! Wohin er auch kam, wurde er mit den Schatten der Vergangenheit konfrontiert. Gerade erst hatte er das eine große Unrecht ausgebügelt und sich mit Martin zusammengerauft, nun wurde er mit dem nächsten großen Unrecht konfrontiert. Heinrich hatte keine Lust mehr. Veit richtete geübt das Pferd her. Er vermied jeglichen Augenkontakt und versuchte einfach nur, unauffällig und schnell zu sein. Je schneller der Herr wieder weg war, desto eher konnte er aufatmen. Veit war froh, dass der junge Herr Heinrich so selten in den Ställen auftauchte. Er war ein verwöhntes reiches Söhnchen, dem sein Gut egal war. Hauptsache, es brachte genug Geld, um ihm sein faules Leben zu ermöglichen. Es war ungerecht, dass jemand wie Heinrich dieses Gut geerbt hatte. Aber was war nicht ungerecht?
Veit liebte die Pferde und konnte gut mit ihnen umgehen. Und er war der Beste gewesen, der die Pferde bereiten und ausbilden konnte. Was könnte man mit dieser Pferdezucht alles machen! Welche grandiosen Pferde könnten sie wieder verkaufen! So wie früher. Schmerzlich zog es in seiner Brust.
Veit ließ den Gedanken fallen, was ihm gut gelang. Er hatte lange geübt und konnte Gedanken und auch Gefühle vorübergehend einfach wegdrängen. Er konnte kurzfristig Ruhe schaffen in seinem Kopf und Denken und Fühlen abwehren und sich dann langfristig in seinen Fantasiewelten vergraben. Ohne diese Fähigkeit wäre er wohl draufgegangen in den letzten Jahren, die so erfüllt waren von Gewalt, Demütigungen und dieses entsetzlich…. Halt!
Veit stoppte sich selbst. Nur nicht daran denken! Er versuchte, einen Tag nach dem anderen zu leben, sich immer auf die nächste Arbeit zu konzentrieren. Die Leute, die ihm so zugesetzt hatten, waren nicht mehr hier. Die anderen Dienstboten mieden ihn als Verräter, aber hatte sich an das Alleinsein gewöhnt. Er machte seine Arbeit und war froh, wenn ihm keiner zu nahekam. Er war froh, wenn ihn niemand anfasste. Außer den Pferden und den anderen Tieren. Sie gaben ihm viel Trost und Wärme. Nur schade, dass er nicht mehr reiten konnte. Er fühlte das altbekannte schmerzhafte Ziehen im Herz, und stellte mit viel Willenskraft dieses Gefühl ab. Dieses Ziehen im Herz, das wusste er, das konnte ihn vernichten. Er zwang sich selbst zur Ruhe, führte das Pferd die paar Schritte vor, verbeugte sich und hielt dem Herrn die Zügel hin. Das Ziehen im Herz versuchte sehr hartnäckig, sich bemerkbar zu machen. Dieser Mann würde jetzt AUSREITEN! Frei sein, der Wind würde ihm ins Gesicht blasen, sein Herz würde leicht werden.
Veit versuchte verzweifelt, seinen innerlichen Aufruhr im