... denn alles ist Vorherbestimmt. Elisabeth Schmitz

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Название ... denn alles ist Vorherbestimmt
Автор произведения Elisabeth Schmitz
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967526776



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sie würde eine Schwester bitten, ob sie ihr wohl einen besorgen könnte, denn Kaffee wäre nun gut und die Schwester meinte, dass sie ihn ihr sofort bringen würde. Das war der Service der Privatstation, dachte Tina. Kurz darauf klopfte es kurz, und die Tür wurde gleich drauf geöffnet.

      »Zimmerservice«, sagte eine Männerstimme. Andy stand in der Tür mit einem Becher Kaffee.

      »Den hab ich gerade der Schwester abgenommen. Ich wollte noch mal eben schauen, ob alles in Ordnung ist.«

      Schon wieder war Dr. Bergheim so seltsam. Sie spürte, dass er witzig sein wollte, aber es gelang ihm nicht. Tina ging immer den direkten Weg und fragte ihn einfach.

      »Sie sind so komisch, Dr. Bergheim. Habe ich Ihnen vielleicht etwas getan? Heute Morgen habe ich es auch schon gemerkt. Sie wollen zwar immer noch witzig und freundlich sein, aber es ist nicht echt.«

      Andy blickte sie intensiv an und sagte zunächst nichts. Dann setzte er sich zu ihr aufs Bett und meinte, dass er ein paar private Probleme hätte.

      »Sie müssen ein ganz empfindsamer Mensch sein«, meinte er.

      »Ich versuche, so normal wie möglich zu sein. Aber manchen Menschen kann man eben nichts vormachen.«

      Tina nickte und meinte: »Wollen Sie darüber reden? Ich rede immer sehr viel, aber ich kann auch gut zuhören. Probieren wir es mal aus?«

      Dr. Bergheim schüttelte den Kopf, aber irgendetwas trieb ihn an, nun doch zu reden.

      »Ich lebe schon seit längerem mit einem Mann zusammen. Als ich gestern nach Hause kam, war da noch einer, und ich traf die beiden in eindeutiger Position an. Ich dachte, ich falle in ein tiefes Loch. Ich bin kurzerhand ausgezogen und wohne nun in der Gästewohnung meines Freundes Peter Weber. Meine Arbeit fordert meine ganze Aufmerksamkeit, aber es ist schwer, bei der Sache zu sein. Immer schweifen meine Gedanken wieder ab.«

      Tina hörte nur: »Mit einem Mann zusammen.«

      Oh nein, es ist doch immer dasselbe! Die tollen Männer sind schwul. Warum hatte sie nur so viel Pech?

      Dann erzählte er ihr alles, und sie hörte nur zu. Als er zu weinen anfing, nahm sie ihn wie den kleinen Nils Kramer in den Arm und streichelte seinen Rücken, und er ließ es willenlos geschehen.

      Dann fing sie an, alles von Markus und sich selber zu erzählen, und am Ende sagte sie ihm, dass es zuerst weh täte, dass es dann wütend machen würde und dass es dann verblassen würde. Immer mehr.

      Ganz automatisch waren die beiden zum »Du« übergegangen. Sie hatten solange geredet, dass darüber der Kaffee kalt geworden war.

      »Ich hol dir einen neuen«, meinte Andy.

      »Ich meine den Kaffee, nicht einen Markus.«

      »So einen will ich auch nie wieder haben«, lachte Tina.

      Andy ging Kaffee holen, und Tina schaute auf die Uhr. Gleich gab es Abendbrot und danach musste sie wieder zu Nils. Und sie musste pünktlich sein.

      Als Andy zurück kam, erzählte Tina ihm von Nils.

      »Sag das bitte noch einmal. Hat Nils wirklich geweint? Seit dem Unfall arbeiten Psychologen mit ihm. Manchmal dachten sie, dass sie nahe dran wären, dass Nils nun seinen Kummer heraus spülen könne, aber er wirkte immer verschlossen, wenn es um seine Mutter ging. Und nun sagst du, dass du nach einer Stunde dieses Wunder erreicht hast? Morgen haben wir Dienstbesprechung, und da werden sich aber manche wundern, wenn ich das erzähle.

      Nils Kramer ist ein Kind, das schon sehr viel in seinem kleinen Leben mitgemacht hat.

      Erst der Vater weg, dann die Mutter weg, der kleine Bruder weg, und die Oma ist auch nicht mehr so fit. Es ist lieb von dir, wenn du dich ein wenig kümmerst. Ich hoffe, wir kriegen ihn wieder vollkommen hin. Ich habe seine Hüfte gut hergestellt, und er wird bald wieder laufen können.

      Aber am Freitag steht eine Hirn-OP an, denn es hat sich bei dem Unfall ein Stückchen Knochen in die Hirnmasse gebohrt. Es dauert nicht mehr lange, und er kann die Schmerzen nicht mehr aushalten. Wir geben schon so viel Morphin, wie es sein kleiner Körper verkraftet.

      Für Peter Weber wäre es ein Kinderspiel, aber er operiert nicht mehr, seit seine Frau gestorben ist. Mal sehen, wie es wird. Er bereitet die Operation bis ins kleinste Detail vor.

      Ich hoffe, dass die Kollegen es auch so ausführen können. Danke Bettina, für dein Zuhören.«

      »Bitte sag Tina zu mir. Keiner nennt mich Bettina. Wenn du noch mal ein Ohr brauchst, dann komm ruhig wieder. Ich laufe ja nicht weg.«

      »Danke, Tina. Du erinnerst mich sehr an meine verstorbene Freundin Martha. Sie war so ein wundervoller Mensch. Ich vermisse sie ganz schlimm. Ob sie wohl gewusst hat, wie sehr wie sie geliebt haben?« Tina schmunzelte.

      »Da bin ich mir sowas von sicher. Vielleicht kann sie uns nun sogar sehen. Manchmal spüre ich etwas um mich herum, das ich nicht erklären kann.

      Vielleicht ist es nur ein Wunschdenken, vielleicht aber auch nicht. Es ist ein gutes Gefühl, wenn ich meine, dass Marie bei mir ist. Siehst du Dr. Weber gleich noch?«, fragte Tina.

      »Nein, ich denke nicht. Wieso fragst du?«

      »Er wollte nachher noch kommen und mir was bringen. Es wäre schade, wenn ich dann nicht im Zimmer bin. Ich muss ja noch zu Nils Kramer.« Andy nickte.

      »Ach ja, die Schlafanzüge. Schreibe doch einen Zettel mit einer Notiz, wo du dich befindest. Dann kann er entweder die Tasche mit den Schlafanzügen hinlegen oder zu dir auf die Kinderstation kommen. So hast du keinen Stress.«

      Tina sagte: »Ein toller Tipp. So mache ich es. Oh, mein Essen kommt. Nun aber flott. Ich muss um 18 Uhr bei Nils sein.«

      Andy ging in Richtung Tür und sagte: »Nochmals danke, Tina. Das Gespräch mit dir hat mir sehr gut getan. Wenn ich mich mal revanchieren kann, dann komm gerne zu mir. Und bitte vergiss, was ich dir über Nils gesagt habe. Ich hätte es eigentlich gar nicht tun dürfen. Aber ich habe so viel Vertrauen zu dir.«

      Tina hatte sich schon Tee eingegossen und schmierte sich nun ein Brot.

      Sie schaute Andy an und meinte: »Das ist ja wohl klar. Ich verstehe zwar nicht, warum Dr. Weber ihn nicht operiert, aber das ist ja nicht meine Aufgabe, mich da einzumischen.

      Aber eines noch, Andy: Vergiss den Kerl. Er hat dich nicht verdient, glaub mir. Du hast mir gesagt, es sei deine Wohnung, in der ihr lebt.

      Ich kann dir nur eines raten: Geh noch heute Abend hin und setze den Schmarotzer vor die Tür. Egal, was er dir sagt, alles ist Lüge. Schmeiß ihn raus. Achtkantig! Sowas hat ein toller Mann wie du nicht nötig. Auch andere Mütter haben hübsche Söhne.«

      Andy konnte nun wieder lachen.

      Er zeigte mit dem Finger auf Tina und sagte: »Genau das werde ich auch tun. Bis morgen, du Engel.«

      Sie hauchte ein angedeutetes Küsschen in die Luft. Als Andy die Tür hinter sich schloss, dachte Tina, dass es doch so schade sei, dass dieser Mann auf Männer stand. Die Natur ist manchmal ungerecht, aber sie wusste, dass sie es akzeptieren musste.

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