... denn alles ist Vorherbestimmt. Elisabeth Schmitz

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Название ... denn alles ist Vorherbestimmt
Автор произведения Elisabeth Schmitz
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967526776



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zog die Drainage, und Tina war dankbar dafür. Immer mit diesem Beutel gehen, das ging ihr total gegen den Strich. Die Schiene wurde wieder angelegt, und ihr orange-roter Fuß wurde wieder umwickelt.

      Mühselig stand sie auf und bedankte sich. Andy half ihr und Tina zuckte bei seiner Berührung zusammen. Er merkte es und fragte sie, ob es weh täte. Nein, der Fuß tat nicht weh. Sie wurde ganz verlegen.

      Tina spürte, dass mit dem Arzt etwas nicht stimmte. Er war gestern noch so fröhlich.

      Was hat er bloß, dachte sie. Hab ich was Falsches gesagt? Sie war sich keiner Schuld bewusst. Er hielt ihr die Tür auf und mit ein paar knappen Worten verabschiedete er sich. Als Nils sie sah, beschwerte er sich.

      »Du bist ganz schön lange da drin geblieben. Ich dachte schon, dass du den Hinterausgang genommen hast. Das wäre echt fies gewesen.« Tina lachte.

      »Nils, wenn ich sage, dass ich mit dir Eis essen gehe, dann tu ich es auch. Ich glaube, du schaust zu viel Fernsehen. Warte, ich hole eine Schwester, die dich da hinfährt.«

      »Brauchst du nicht, ich kann das alleine«, meinte er und sauste schon los.

      »Nils, warte, ich kann doch nicht so schnell, und außerdem ist das der falsche Weg. Nun komm schon zurück, wir müssen auch noch kurz in mein Zimmer. Ich muss noch Geld holen.« Nils machte ein langes Gesicht.

      »Ach nein, das auch noch! Ich hab da schon so lange gewartet. Nun mach schon. Kannst du nicht ein bisschen schneller laufen?«

      »Nein, das kann ich nicht. Noch nicht. Nun maule nicht rum und komm mit.«

      Als Tina ihre Station betrat, fiel ihr ein, dass die Leute auf der Kinderstation wissen müssen, wo der Kleine abgeblieben ist.

      Sie ging zur Stationsschwester und erzählte ihr, dass sie nun zur Cafeteria ginge mit Nils und ob sie wohl bitte auf seiner Station Bescheid geben würde, damit man ihn nicht suchen würde. Die Schwester versprach, es sofort zu tun.

      Tina holte das Geld und nun endlich würde der kleine Zappelphilipp sein lang ersehntes Eis bekommen.

      Die Cafeteria war ziemlich besetzt, aber Nils hatte schnell einen freien Tisch entdeckt und fuhr keck in dessen Richtung. Bevor Tina etwas sagen konnte, war er schon da und hielt mit dem Rollstuhl vor einem Stuhl, damit niemand ihn wegnehmen konnte.

      Tina setzte sich und streckte das kaputte Bein lang unter den Tisch. Nils schob einen Stuhl zur Seite, damit er mit dem Rollstuhl Tina gegenüber sitzen konnte.

      Als ein junges Mädchen kam und fragte, was sie möchten, sagte er wie aus der Pistole geschossen: »Zwei Eis. Mit Schokosoße und Schokostreusel. Zwei Kugeln für jeden.« Die junge Frau mit weißer Schürze lächelte.

      »Du weißt ja ganz genau, was du willst.« Tina lachte auch.

      »Er hatte ja eine Menge Zeit zum überlegen, was er will, nicht wahr Nils?« Nils nickte.

      »Hattest du einen Unfall?«, fragte er nun betreten. Tina sagte ihm, dass es auch ein Unfall war, aber kein Verkehrsunfall. Sie sei umgeknickt und auf einen Stein aufgeschlagen. Nun wäre der Fuß gebrochen und in einer Operation mit Schrauben wieder zusammengeflickt worden.

      Nils rückte nervös in seinem Rollstuhl hin und her.

      »Wann kommt denn endlich das Eis? Soll ich mal hinfahren und fragen?« Tina fasste über den Tisch seine kleine Hand.

      »Du bleibst hier sitzen, mein Freund. Es wird schon gleich kommen. Da sieh mal, sie stellt es schon auf das Tablett.«

      Endlich kam das Eis und sah sehr lecker aus. Nils hatte noch zusätzlich ein paar Schokoladenbonbons darauf. Das Kind war überglücklich, und Tina freute sich auch. Sie mochte eigentlich gar kein Eis, aber sie konnte es dem kleinen Kerl ja wohl schlecht absagen.

      »Darfst du eigentlich gar nicht aufstehen?«, fragte Tina.

      »Doch, aber nur wenn Bernd dabei ist. Ich muss jeden Tag Sport machen mit ihm. Alleine darf ich das noch nicht.«

      Tina beugte sich etwas vor und meinte: »Ich muss auch jeden Tag mit Bernd Sport machen. Wollen wir ihn mal fragen, ob wir es zusammen machen dürfen?« Nils war begeistert.

      »Ja«, rief er laut und danach gehen wir wieder hierher zum Eis essen. Das ist eine tolle Idee.«

      Tina musste lachen. »Nein, nein, so haben wir nicht gewettet. Du platzt ja irgendwann und dann wird deine Mama sich wohl bei mir bedanken.« Nils schaute auf einmal ganz traurig drein und sah aus, als ob er anfangen würde zu weinen.

      »Meine Mama ist tot. Ich wohne nun bei Oma.« Tina schaute betreten auf ihr Eis.

      »Und dein Papa?«

      »Der ist abgehauen. Der hat immer nur geschrien und hat Mama sogar mal gehauen. Da hat sie die Polizei angerufen und Papa ist weggelaufen. Aber das macht nichts. Oma ist voll in Ordnung.« Der kleine Junge tat Tina so leid.

      »Woran ist denn deine Mama gestorben«, fragte sie voller Mitgefühl. Ein dickes Stück Eis fiel Nils auf den Pullover. Tina beugte sich vor, nahm es mit ihrem Löffel auf und legte es auf den Teller, auf dem ihr Glas mit dem Eis stand.

      »Das macht nichts. Es gibt Wasser und Waschpulver und dann sieht man gar nichts mehr. Magst du mir erzählen, wie deine Mama gestorben ist, Nils?«

      Er nickte. »Ja, aber ich will es nun noch nicht.«

      Tina schob den Stuhl, der neben ihr stand, zur Seite und sagte: »Komm, stell deinen Rolli neben mich. Dann nehme ich dich in den Arm, wenn du willst.«

      »Das will ich aber nicht«, sagte Nils empört.

      »Was denken denn die Leute? Wir sind doch kein Liebespaar.« Aller Kummer war vergessen.

      »Ist gut, dann erzählst du mir ein anderes Mal von deiner Mama, okay? Wir sehen uns ja morgen schon wieder.«

      Nils wechselte schnell das Thema. »Das Eis ist voll lecker, nicht Tina? Ich mag so gerne Schokoladeneis. Sieh mal, ich habe es schon fast auf. Du bist aber langsam. Du hast ja noch eine Kugel und noch mehr in deinem Glas.«

      Als er anfangen wollte, das Glas auszulecken, nahm Tina es ihm weg.

      »Nils, du bist ein Ferkel. Dein ganzes Gesicht ist schon voller Schokolade. Man macht sowas nicht! Auslecken geht gar nicht! Möchtest du mir helfen? Ich schaffe das ganze Eis nicht, denn eine Kugel ist für mich genug.«

      Nils riss das Glas von Tina zu sich herüber und nahm die schon angetaute Kugel heraus. Man sah ihm an, was er dachte: So ein toller Tag!

      Hoffentlich bekommt er keine Bauchschmerzen, dachte Tina. Sie wollte ihn gleich auf die Kinderstation begleiten und der Stationsschwester sagen, dass er eine Riesenportion Eis verdrückt hatte.

       13.

      

      

      

      

      Als sie die Cafeteria verließen, sah Nils am Ausgang ein Regal mit kleinen Autos. Er blieb davor stehen und liebäugelte mit einem schwarzen Landrover mit orangefarbenen Flammen darauf.

      »Ist das Auto schön?«, fragte Tina. Nils nickte.

      Er erzählte Tina, dass er zu Hause noch mehr Landrover habe, aber in anderen Farben. Er nahm es in die Hand und schaute genau hin. Dann hängte er es wieder auf die Stange und wollte losfahren. Tina schaute auf das Preisschild. 3,49 €. Das ist ein teurer Nachmittag, dachte sie. Aber sie empfand so viel Freude in ihrem Herzen, dass sie gar nicht anders konnte, als ihm nun 3,50 € in die Hand zu drücken und das Auto noch dazu.

      »Gehst du bitte bezahlen?«, fragte sie ihn. Nils stierte auf das kleine Auto.

      »Ist der für mich?«, fragte er erstaunt. Tina nickte und freute sich über das Leuchten in den Augen des kleinen Jungen. Als er sah, dass an der Kasse einige Leute