HELL WALKS - Der Höllentrip. David Dunwoody

Читать онлайн.
Название HELL WALKS - Der Höllentrip
Автор произведения David Dunwoody
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958351363



Скачать книгу

»Oder einen Steinwurf; verstehst du das unter einem Steinwurf, Quebra?«

       Der Soldat antwortete zunächst nicht, sondern starrte Frank nur merkwürdig an. Dann hakte er nach: »Der Höllengänger steht fünfhundert Meilen weit weg im Nordosten, und?«

       »Ich weiß nicht«, fuhr Frank fort. »Als die Little Ones aus ihm kamen, verbreiteten sie sich in alle Himmelsrichtungen. Ich dachte nur, in dieser Richtung sei es vielleicht sicherer, näher hin zu der Stelle, an der sie ausgeschwärmt sind.«

       Quebra blinzelte und wischte sich einen Schweißfilm aus dem Gesicht. Frank sah sich versucht, dem Soldaten anzubieten, seinen Rucksack zu tragen, ahnte aber irgendwie, dass der Mann sich im Moment nicht darauf einlassen würde.

       »Der Höllengänger hat sich, wie lange nicht mehr bewegt? Seit dem Zusammenbruch?«, fragte Quebra.

       »Richtig.«

       »Frank, was verleitet dich zu der Annahme, dass er nicht morgen plötzlich aufwachen und weiterwüten könnte?« Quebra erhob seine Stimme. »Darf ich dich daran erinnern, dass wir erst vor ein paar Stunden erlebt haben, wie ein ›schlafender‹ Little One aufstand und Mills zerdrückte? Das Gleiche hätte er auch fast mit dir getan, mein Freund. Geht es dir noch gut?«

       Er dachte, Frank drehe nach dem Vorfall am Morgen langsam durch. Konnte man es ihm aber andererseits verübeln?

       »War ja nur so eine Idee«, entschuldigte sich Frank nun. »Ich dachte, wir sollten einfach mal Vorschläge in die Runde werfen.«

       »Vernünftige Vorschläge!«, betonte Dodger. »Ich würde sagen, wir gehen nach Südwesten, also in die entgegengesetzte Richtung. Auf der Karte runter ist immer gut.«

       »Spielt es denn überhaupt eine Rolle?«, fragte Autumn.

       »Jawohl, das tut es«, bekräftigte Dodger. »Dass man sich mit manchen Strecken wirklich keinen Gefallen tut, ist doch wohl bekannt. Andere sind da wesentlich aussichtsreicher – wenigstens insofern, dass sie nicht nach Chicago führen. Kapiert?«

       »Warum spuckst du mir gegenüber nie so große Töne, Dodgman?«, stichelte Quebra, der sich sein Gewehr nun auf eine Schulter gelegt hatte. Dodger blickte reichlich angesäuert, sagte aber nichts mehr.

       »Fick dich, Dodger«, ätzte Autumn.

       Das brachte ihn wieder in Fahrt. »Ach, wirklich?«, echauffierte er sich. »Ihr alle wünscht euch, dass ich abhaue? Ihr wollt mich verstoßen? Wäre schließlich nicht das erste Mal für mich. Ich komme auch sehr gut alleine klar, versuche aber trotzdem, euch zu helfen.«

       »Du versuchst gar nichts«, brummte Chia, »und darüber haben wir uns schon unterhalten. Treib es nicht zu weit.«

       Frank hockte derweil am Straßenrand und zog ein kleines Feldfläschchen von seinem Gürtel. Es war ein rotes Ding aus Plastik mit dem verblassten Aufdruck eines Ninjas, Campingspielzeug für Kinder. Nachdem er einen Schluck Regenwasser daraus getrunken hatte, schloss er seine Augen.

       Achtzehn Jahre lag der Weltuntergang nun schon zurück; achtzehn Jahre und er dauerte immer noch an.

       Begonnen hatte es mit außergewöhnlich heftigen Stürmen rund um den Globus. Man war gar nicht dazu gekommen, jedem einen Namen zu geben, zumindest soweit sich Frank noch daran erinnerte. Die Wissenschaft hatte sich vielmehr um die anormalen Bewegungen der Winde gesorgt. Sie waren den Gesetzen der Natur selbst zuwidergelaufen und nordwärts gerauscht, und jeder hatte in seinem Sog eine schreckliche Verwüstung hinterlassen. Frank wusste noch, dass es insgesamt siebenundzwanzig gewesen waren, viele davon mit Ausläufern in Form von Hurrikanen oder Tornados, die Stadt- und Landgebiete verheert hatten. Jeder Ort war zu einem potenziellen Katastrophengebiet geworden. Die Regierungen hatten höchste Alarmbereitschaft ausgerufen und waren rasch dazu übergegangen, Schuldige zu bestimmen, genauso wie die Religionen. Während die Hauptstädte gefallen, und Wind und Wasser gewütet hatten, war jede Erklärung recht gewesen, angefangen bei Sünden über geheime Technologien bis hin zu Außerirdischen. Jedermann hatte es sich einfach gemacht, seinen jeweiligen Erzfeind zu verleumden. Unterdessen waren die Stürme nicht abgeflaut, sondern hatten sowohl Flugzeuge als auch Gebäude niedergerissen und sich schließlich in der Arktis unmittelbar nördlich von Grönland vereint.

       Genau über dem Litketief waren sie zusammengestoßen, einem Meerestief im eurasischen Becken, dessen Bett dreieinhalb Meilen unter der Wasseroberfläche liegt. Es gibt tiefere auf dem Planeten, doch da dieser keine perfekte runde Kugel ist, reicht es näher an den Erdkern als alle anderen. Dies war für Frank seit jeher eine interessante Fußnote, ergab aber nach wie vor überhaupt keinen Sinn.

       Die Wirbel hatten sich dort zu einem »Ultrasturm« vereint – so der geprägte Begriff –, einer monolithischen Wand aus Wind und Schnee, die fast bis in die Exosphäre gestoben war. Sie hatte Satelliten aus ihren Bahnen geworfen und so ganz allmählich das globale Kommunikationsnetz lahmgelegt – schlecht für die weltlichen und geistigen Führer an der Schwelle zu einem Krieg, schlecht auch für die aufgekratzten Bevölkerungen kurz vor den sogenannten »Bürgerunruhen«.

       Man hatte die Höhe des Ultrasturms auf vierhundert Meilen geschätzt, erneut ein Widerspruch gegen alles Natürliche. Prediger hatten dies als Beweis dafür erachtet, dass die Forschung schon immer falschgelegen habe. Die Forscher wiederum hatten um Zeit gebeten, um sich einen Reim darauf machen zu können und die Herrschenden auf der Welt davon abzuhalten, den roten Knopf zu drücken.

       Für den Sturm war das alles einerlei gewesen. Einen höllischen Monat lang hatte er getobt, während die Menschen in ihren Häusern, vor ihren Fernsehern, Tablets und Handys geblieben waren, bis ihr Empfang nach und nach ausgesetzt hatte. An dem Tag, als der Sturm endlich abgeklungen war, hatte man noch einige aktuelle Berichte abrufen können, genauer gesagt waren viele Betreiber, sobald sich der Himmel gelichtet hatte, wieder ans Netz gegangen, wenn auch nur vorübergehend. An jenem Tag, als sich die Arktis beruhigt und der Himmel begonnen hatte, blau durch den weißen Wall zu schimmern, war es einigen Menschen besser gegangen … besser im Sinne von: Jetzt wird alles wieder gut. Es schien so, als gäbe es bald Antworten und man könne dann etwas bauen oder eine Resolution verabschieden, um zu verhindern, dass so etwas je wieder geschah, woraufhin alle wieder ihren normalen Alltag hätten, aufnehmen dürfen.

       Aber dann sahen wir, was sich hinter den Wolken verbarg.

       Sieben Meilen hoch, sein Körper, wie es aussah, bedeckt mit Platten aus Obsidian oder Metall. Es erinnerte an eine gepanzerte Echse aus einem Kinderbuch über prähistorische Tiere, nur dass dieses Ding nicht irdisch war. Das wusste jeder sofort. Es stand mitten im Litketief, weshalb die Welt zunächst nur die Hälfte von ihm sah. Dann allerdings fing es an, herauszusteigen.

       Die Tsunamis entstanden prompt und blieben in der dokumentierten Geschichte ohne Beispiel. Man hatte keine Zeit – nicht einmal als Beobachter auf der anderen Seite der Welt –, um sich auf die apokalyptischen Flutwellen vorzubereiten. Eine Stunde nach dem Ende des Sturmes waren komplette Städte bereits versunken. Hunderttausende hatten während der ersten Minuten den Tod gefunden, und dabei war dies erst der Anfang gewesen.

       Der Höllengänger. Er trampelte auf dem Ozeanboden der Arktis herum, und jeder Tritt löste Erdstöße aus, die sich über die gesamte Nordhalbkugel fortpflanzten. Seine Bewegungen waren schwerfällig träge, weshalb er Tage brauchte, um der Tiefe zu entsteigen. Mit jedem Tag wurde er größer und größer, bis sich sein Kopf – ein undefinierbares Etwas, geformt wie eine kosmische Pfeilspitze – in den gewöhnlichen Wolken verlor.

       Er war so hoch wie die Troposphäre der Erde, und die Zahl der Todesopfer stieg mit jeder kleinsten Bewegung, die er vollzog. Aus Hunderttausenden wurden rasch Millionen. Als er Grönland erreichte, verließ er das Meer. Das Land war innerhalb weniger Tage ausgelöscht – vollkommen, alle waren tot.

       Alles in allem brauchte das Monster vierzehn Jahre, um bis nach Chicago zu gelangen, und jeder Tag während dieser Zeit bedeutete für sich genommen schon ein Armageddon.

       Der Höllengänger war so massiv und bewegte sich so langsam, dass viele behaupteten, es sei schlichtweg unmöglich, dass er existiere. Sie zeigten direkt auf ihn, wenn er über Mattscheiben flimmerte, und sagten, er wäre bestimmt nur ein Hologramm zur Verschleierung einer Wettermaschine, die von den USA, China oder