Gesammelte Werke von Gottfried Keller. Готфрид Келлер

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Название Gesammelte Werke von Gottfried Keller
Автор произведения Готфрид Келлер
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027225873



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pünktlich, aber gegen reichliche Entschädigung, da ich ihm gute Dienste zu leisten imstande wäre, zufolge seiner Erziehung. Es sei dies, erklärte er, das zweite Stadium, wo ich, indessen ich mich vorläufig immer mehr ausbilde, mich an vorsichtige Arbeit gewöhnen und zugleich Ersparnisse machen könne, um in einigen Jahren in die Welt zu gehen, wozu es doch noch zu früh sei. Er versicherte, daß es nicht die Schlechtesten unter den berühmten Künstlern wären, welche sich durch jahrelange anspruchlosere Arbeit endlich auf die Höhe der Kunst geschwungen, und eine mühevolle und bescheidene Betriebsamkeit dieser Art lege manchmal einen tüchtigern Grund zur Ausdauer und Unabhängigkeit als eine vornehme und ausschließliche Künstlererziehung. Er habe, sagte er, talentvolle Söhne reicher Eltern gekannt, die es nur deswegen zu nichts gebracht hätten, weil sie nie zu Selbsthilfe und raschem Erwerb gezwungen gewesen und in ewiger Selbstverhätschelung, falschem Stolze und Sprödigkeit sich verloren hätten.

      Diese Worte waren sehr verständig, obgleich sie auf einigem Eigennutze beruhen mochten; allein sie fanden keinen Anklang bei mir. Ich verabscheute jeden Gedanken an Tagelohn und kleine Industrie und wollte allein auf dem geraden Wege ans Ziel gelangen. Das Refektorium erschien mir mit jedem Tage mehr als ein Hindernis und eine Beengung; ich sehnte mich darnach, in unserm Hause mir eine stille Werkstatt einzurichten und mir selbst zu helfen, so gut es ginge, und eines Morgens verabschiedete ich mich, noch vor Beendigung meiner Lehrzeit, bei Herrn Habersaat und erklärte der Mutter, ich würde nun zu Hause arbeiten, wenn sie verlange, daß ich etwas verdienen solle, so könne ich dies auch ohne ihn tun, zu lernen wüßte ich nichts mehr bei ihm.

      Vergnügt und hoffnungsvoll schlug ich meinen Sitz zuoberst im Hause auf, in einer Dachkammer, welche über einen Teil der Stadt weg weit nach Norden hin sah, deren Fenster am frühen Morgen und am Abend den ersten und letzten Sonnenblick auffingen. Es war mir eine ebenso wichtige als angenehme Arbeit, mir hier eine eigene Welt zu schaffen, und ich brachte mehrere Tage mit der Einrichtung der Kammer zu. Die runden Fensterscheiben wurden klargewaschen, vor dieselben auf ein breites Blumenbrett, mit der Mutter Beihilfe, ein kleiner Garten gepflanzt und inwendig die Pfosten sowie die nächste Wand mit Efeu bezogen, zu welchem im Sommer noch blühende Schlingpflanzen kamen, so daß das helle große Fenster von einem grünen Urwald umgeben war. Die geweißten Wände behing ich teils mit Kupferstichen und solchen Zeichnungen, welche irgendeinen abenteuerlichen Knalleffekt enthielten, teils zeichnete ich mit Kohle seltsame Larven oder schrieb Lieblingssprüche und gewaltsame Verse, die mir imponiert hatten, darauf. Ich stellte die ältesten und ehrwürdigsten unserer Geräte hinein, schleppte herzu, was nur irgend einem Buche gleichsah, und stellte es auf die gebräunten Möbeln, die verschiedensten Gegenstände häuften sich nach und nach an und vermehrten den malerischen Eindruck; in der Mitte aber ward eine mächtige Staffelei aufgepflanzt, das Ziel meiner langen Wünsche, und auf große Blendrahmen gespanntes Papier darauf gestellt; denn ich sehnte mich nach tüchtigem Hantieren in weitläufiger, handgreiflicher Materie, und da ich noch keinen Weg zur Ölmalerei offen sah, so half ich mir dadurch, daß ich einstweilen auf grobem Papiere mit Kohle, Kreide und kräftigen Farbentönen sattsam herumfegte. Ich freute mich großer Baumgruppen und Gebirgsformen, die ich ohne vieles Grübeln hervorrief, die Einzelnheiten, die sich mir während meines Herumtreibens in der freien Natur mehr oder minder eingeprägt hatten, harmlos anwendend, Gestein und Bäume reichlich mit Moos, Wurzel- und Flechtwerk bekleidend. Das Beste davon waren noch die mannigfaltigen bewegten Lüfte; da ich von meiner hohen Warte aus ein weites Himmelsfeld beherrschte, so sah ich den ganzen Tag die Wolken kommen und gehen in allen Farben, und dies erregte in mir den Gedanken, eigene Luftstudien zu machen. Sooft ich daher eine schöne Wolkenmasse entdeckte, bildete ich sie schnell mit meinen Wasserfarben nach, indessen mich die kompakten und doch schmelzvollen Gebilde eine unbestimmte Sehnsucht nach der Ölpalette empfinden ließen. Doch erreichte ich eine ziemliche Übung und begann den lebendigen Himmel zu verstehen; ich ging leidenschaftlich den tausend Reizen der Wolken nach, besonders wandelten meine Blicke friedevoll durch die tiefen plastischen Täler, über die weißen Höhen und um die sonnigen Vorsprünge und Abhänge dieser luftigen Gebirge herum, sie schlichen verwegen unter der schattigen blauen Basis hindurch, die ungeheure Ausdehnung in der scheinbaren Verkürzung ermessend. Als ich später hörte, daß diese Übung allerdings ein sehr eifrig gepflegter Weg landschaftlicher Kunst sei, war ich nicht wenig stolz darauf, in meiner Abgeschiedenheit von selbst darauf verfallen zu sein, wie ich überhaupt erfuhr, daß das Bedürfnis solche Hilfen immer selbst erfindet und die allgemeine Wahrheit sich in jedem abgeschiedenen, aber lebendigen Bestreben Bahn bricht.

      Erst jetzt, als die erste Begierde nach Staffelei und umfangreichen Flächen gestillt war, gewann es neuen Reiz für mich, daneben kleine saubere und zierliche Arbeiten auszuführen, und ich hatte immer einen idyllischen Gedanken in Bereitschaft, welchen ich in kleinem Umfange mit bunten und glänzenden Farbentönen aufs sorgsamste ausführte, im Gegensatze zu den größeren verwegenen Unternehmungen. Diese doppelte Art der Tätigkeit entsprach einem natürlichen Bedürfnisse und mochte als ein weiterer Beweis gelten, daß sich solches immer von selbst ausbildet und hilft, wo es nicht durch einseitige Schule gehindert wird.

      Ich war nun ganz mir selbst überlassen, vollkommen frei und unabhängig, ohne die mindeste Einwirkung und ohne Vorbild noch Vorschrift. Ich knüpfte abwechselnden Verkehr an mit jungen Leuten, an denen mich ein verwandter Hang oder ein freundliches Eingehen anzog, am liebsten mit ehemaligen Schulgenossen, die in der Zeit ihre Studien fortsetzten und mir, mich in meiner Klause besuchend, getreulich Bericht erstatteten von ihren Fortschritten und von allem, was in den Schulen vorkam. Diese Gelegenheit benutzte ich, noch ein und andere Brocken aufzuschnappen, und sah öfter schmerzlich durch die verschlossenen Gitter in den reichen Garten der reiferen Jugendbildung, erst jetzt recht fühlend, was ich verloren. Doch lernte ich durch meine Freunde manches Buch und manchen Anknüpfungspunkt kennen, von wo aus ich weitertappte am dürftigen Faden, und das Gefundene verschmelzend mit dem phantastischen Wesen meiner Abgeschiedenheit, gefiel ich mir in einer komischen, höchst unschuldigen Gelehrsamkeit, welche meine Beschäftigungen seltsam bereicherte und vermehrte. Ich schrieb am frühen stillen Morgen oder in später Nacht hochtrabende Aufsätze, begeisterte Schilderungen und Ausrufungen und war besonders eitel auf tiefsinnige Aphorismen, die ich, mit Skizzen und Schnörkeleien vermischt, in Tagebüchern anbrachte. So glich meine Zelle, in welcher sich gesuchte Gegenstände und Zieraten immer mehr anhäuften, dem kochenden Herde eines Hexenmeisters oder Alchimisten, auf welchem ein ringendes Leben gebraut wurde. Das Anmutige und Gesunde und das Verzerrte und Sonderbare, Maß und Willkür brodelten durcheinander und mischten sich oder schieden sich in Lichtblicken aus.

      Und ungeachtet meines äußerlich stillen Lebens trat doch manche frühe Trübung hinzu, welche mich sorgenvoll oder leidenschaftlich bewegte. Mein Trieb, mich zu unterrichten und zu unterhalten, und meine Sammlungslust führten mich überallhin, wo alte Bücher, Kupferstiche und sonstige Dinge zu kaufen waren; denn die Bücher meines Vaters, deren Hauptzierde Schiller war, hatte ich längst, soweit sie mir verständlich, durchgelesen und zu eigen gemacht, und selbst das Unverständliche übersetzte ich in eine eigens erfundene fabelhafte Wissenschaft, mit Worten spielend; Kupferstiche aber, wenn ich sie sah, reizten mich zum Besitz und bildeten überdies fast die einzige äußere Hilfsquelle für mich, so daß ihre Erwerbung mir Pflicht schien. Unsere Stadt zeugte in einer Menge alter guter Sammlungen von Büchern und Kupferstichen, welche für wenig Geld fast unerschöpflich in Winkeln und Magazinen zu finden waren, daß in den guten Häusern, aus welchen sie herrührten, in der vergangenen Zeit große Bildung gepflegt worden sei. Je mehr ich in Büchern und Bildwerken mich zurechtfand und mir was zugute tat, in Namen und Zeit bewandert zu sein, desto eifriger wurde meine Besitzlust; ich kaufte anfänglich manches für meine wenige Barschaft, dann entdeckte ich den verführerischen Ausweg schon früh, zu wählen und zu bestellen und sich, von der Bereitwilligkeit der Handelsleute unterstützt, reichliche Sendungen zuschicken und größere Rechnungen anlegen zu lassen. Diese waren nun bei alledem nie sehr bedenklich, und der Name meiner sparsamen Mutter gab mir einen guten Kredit. Allein da ich für mich allein handelte und meine Einkäufe selbst bezahlen wollte durch verkaufte Arbeiten, diesen Verkauf aber nicht einmal versuchte und vor dem Augenblicke scheu zurückwich, wo ich jemanden etwas antragen sollte, ohne was doch kein Anfang denkbar war, blieben meine Rechnungen so lange unbezahlt, bis es den Antiquaren und wunderlichen Trödelleuten endlich auffiel und sie mich durch höfliche Briefe mahnten. Dadurch geriet ich in tausend Ängsten, dachte aber nur