OPERATION LONDON (Outbreak 2). Luke Duffy

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Название OPERATION LONDON (Outbreak 2)
Автор произведения Luke Duffy
Жанр Языкознание
Серия Outbreak
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958353572



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überhaupt nicht wahr. Bald waren es nur noch wenige Meter bis zu der grauen Mauer des Bauwerks, obwohl Tina rasch erkannte, dass es in einer Senke stand, weshalb sie noch eine Böschung hinuntersteigen und an einem Grundstückszaun entlanggehen mussten, um es betreten zu können. Ohne zu bremsen, stieß Tina ihren Bruder das steile Gefälle hinab.

      Durch sein Gewicht gewann Chris an Schwung und nach ein paar hastigen Schritten trippelte er schnell von der niedrigen Anhöhe auf den Maschendrahtzaun zu, der das gesamte Gebäude umgab. Panisch kreischend ruderte er mit seinen Armen, während seine Beine ihn immer weiter mitrissen, bis er schließlich mit einem hörbaren Klingeln gegen das rostige Metallgeflecht stürzte und beim Zurückprallen kurz vom Boden abhob. Der Zaun rappelte laut bei dieser heftigen Erschütterung und die Vibration wanderte daran entlang, während Christopher rückwärts segelte und unsanft auf dem Boden landete. Er schlug unglücklich auf und stöhnte laut, wobei der rote Sand, den sein wuchtiger Körper beim Aufkommen aufgewirbelt hatte, in einer kleinen Wolke hochstieg.

      Tina stieß beinahe mit ihrem Bruder zusammen, schaffte es dann aber doch noch, über ihn zu springen, als er vor ihren Füßen niederging wie ein nasser Sack, der vor Schweiß und Urin triefte. Einen Augenblick lang blieb er einfach nur liegen, rief nach seiner Mutter und zog die Knie an, als er die Beherrschung über seine Körperfunktionen verlor.

      Links neben der Stelle, wo Christopher gelandet war, sah Tina einen Zaunpfahl, der sich verbogen hatte, sodass er aus seiner Halterung gerutscht war. In einem weiteren Anflug von Hoffnung drehte sie sich um und fing an, auf die bebende Menschenmasse vor ihr einzutreten.

      »Los, hoch mit dir«, brüllte sie bei jedem Treffer.

      Sie trat immer fester zu und spürte ein ums andere Mal, wie das weiche Gewebe rings um die stattliche Taille ihres Bruders herum abwechselnd nachgab und sich wieder glättete.

      »Steh endlich auf, du Fettsack!«, schrie sie genervt.

      Christopher brüllte auf, weil seine Schwester einfach nicht von ihm abließ. Ihre Tritte taten wirklich weh, allerdings nicht annähernd so sehr wie ihre Worte und der Tonfall, der damit einherging. So hatte er sie noch nie zuvor schimpfen gehört, schon gar nicht mit ihm. Sie war stets fürsorglich, verständnisvoll und behutsam mit ihm umgegangen, schien jetzt aber nur noch Hass für ihn zu empfinden.

      »Troll dich endlich, du Nichtsnutz. Sie sind gleich hier, und ich werde dich, wenn nötig, für sie hierlassen«, schrie sie ihm vor Zorn spuckend ins Gesicht. »Kapierst du? Ich lass dich hier, ohne Scheiß.«

      Am oberen Rand der Böschung erschien nun der erste Infizierte. Seine abgehärmten Züge und die knochigen Schultern gerieten in Sicht. Eingetrübte Augen durchforsteten die Umgebung, während er grunzend und schnaubend verharrte. Schließlich entdeckte er die beiden. Laut stöhnend schwang er sich mit nach vorn gestreckten Händen den Hang hinunter. Den Mund sperrte er dabei so weit auf, dass seine schwarze Zunge zwischen den Zähnen hin und her wackelte, solange der zittrige Laut anhielt, den er in seiner gierigen Erwartung ausstieß.

      Die beiden durften jetzt keine Zeit mehr verlieren. Sie waren in die Enge getrieben worden und Tina ahnte, dass sie gleich sterben würden. Ihr Bruder weinte laut, und sowohl sein Selbstmitleid als auch seine Angst nahmen weiter zu, sein Schreien wurde allerdings fast von dem ohrenbetäubenden Kreischen der Untoten übertönt, die gerade drauf und dran waren, sich auf sie zu stürzen, aber momentan noch durch das Gehölz oben am Hang trampelten.

      Tina fiel keine Alternative ein, also machte sie sich darauf gefasst, zu kämpfen. Sie rückte nicht von der Stelle, sondern zog stattdessen das Brecheisen aus dem Gürtel und umklammerte die Stange fest. Ihr Herzschlag hämmerte in ihren Ohren und ein letzter Rest Energie brachte ihren Körper in Wallung, der dafür sorgte, dass Adrenalin in ihre Blutbahn ausgeschüttet wurde.

      Der erste Infizierte wollte gerade angreifen, konnte aber offenbar genauso wenig wie Christopher bremsen und holperte deshalb rapide auf sie zu. Mit der Einsicht, dass sie sich die Fliehkraft zunutze machen konnte, trat Tina aus dem Weg, sodass der verwesende Leib an ihr vorbeischnellte und gegen den Zaun krachte. Er prallte gegen dieselbe Stelle wie ihr Bruder kurz zuvor, doch dieses Mal hielten die korrodierten Metallpfosten dem Aufprall nicht stand. Geschwächt von Christophers Gewicht knickte der Zaun nun unter dem überwältigenden Druck endgültig ein. Es klirrte einmal durchdringend, dann fiel der Pfosten mit einem heftigen Knall um, und mit ihm auch ein Großteil des verrosteten Geflechts. Dessen Aufhängung ächzte kurz und Drahtstücke sirrten, als sie sich ruckartig unter der Spannung, unter der sie gestanden hatten, lösten.

      Die bereits stark verrottete Leiche bewegte sich weiter auf das Gelände zwischen der Gebäudemauer und dem Grundstückszaun zu. Sie schlug mit dem Gesicht auf einen betonierten Weg auf, der um die Anlage herumführte, und rutschte anschließend über die harte Oberfläche, wobei sich das faule Fleisch schichtweise abschälte, bis man eindeutig die Knochen knirschen hörte.

      Plötzlich spürte Tina, wie sie zurückgezogen wurde, fuhr instinktiv herum und holte mit ihrer Waffe aus, um sich zu verteidigen. Aber es war nur ihr Bruder. Einen flüchtigen Moment lang starrte sie ihm erschrocken in die Augen, denn irgendwie hatte er den Willen und die Kraft dazu aufgebracht, wieder auf die Beine zu kommen, und sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

      »Los, Tina«, rief er und half ihr durch das Loch im Zaun. Er führte sie nun auf eine Feuertür im Gemäuer zu.

      Sie sprangen über den Untoten, der sichtlich Mühe hatte, sich wieder aufzurichten. Er zuckte auf dem gepflasterten Gehweg vor sich hin und fuchtelte mit den Armen. Als er seinen Kopf anhob, erkannten die beiden, welchen Schaden sein Gesicht genommen hatte. Am Schädel, dessen Knochen zertrümmert oder gänzlich zermahlen waren, haftete nur noch eine blutige breiige Masse, gerade noch so festgehalten von zerfledderten Muskeln und Sehnensträngen. Die Augen fehlten ganz, ebenso die meisten Zähne, trotzdem versuchte er, Bruder und Schwester anzugreifen, als er sie witterte.

      Christopher sprang daraufhin mit seinem vollen Gewicht gegen die Tür, doch sie war fest verriegelt. Seine Bemühungen – er rammte sie immer wieder mit einer seiner wulstigen Schulter – konnten dem dicken Stahl allerdings kaum etwas anhaben. Immer wieder warf er seinen Körper vergeblich gegen das undurchdringliche Hindernis.

      »Das bringt nichts«, klagte er zwischen seinen Versuchen. »Sie gibt einfach nicht nach.«

      Oben an der Böschungskante hatte sich jetzt eine Schar verrunzelter Leiber mit fratzenhaften Gesichtern versammelt. Sie bemerkten die beiden Lebenden, die sich an der Feuertür abarbeiteten, sofort und torkelten daraufhin an der Schräge hinab auf sie zu. Zum Glück waren sie nicht intelligent genug, um nach der Lücke zu suchen, durch die Chris und Tina das Gelände betreten hatten. Stattdessen stürzten sie sich einfach auf die Teile des Zauns, die noch mehr oder weniger intakt waren. Sie kreischten und schnappten mit ihren Mündern nach ihnen und krallten ihre spindeldürren Finger in die Drahtmaschen. Aufgebracht rüttelten und zerrten sie an der Barriere, die sie auf Abstand hielt und gaben Tina damit Zeit, um sich eine neue Vorgehensweise zu überlegen.

      Die Tür ging zwar nicht auf, doch in einem lichten Augenblick verschwand ihre Panik kurz und sie konnte endlich wieder einen klaren Gedanken fassen. Wenn diese Tür stabil genug war, um ihrem Kraftaufwand standzuhalten, dann konnte man annehmen, dass das Gebäude so sicher war, dass sie sich eine Weile darin verstecken konnten.

      »Das führt doch zu nichts, Chris, wir kriegen sie nicht auf«, sagte sie, packte einen seiner Arme und drehte sich um. »Komm mit … dorthin.«

      Tina orientierte sich an dem Gehweg, der um das Gebäude herum nach rechts führte. Die Infizierten vor dem Zaun vollzogen ihre Bewegung mit und folgten ihnen, während sie immerzu auf das Drahtgewebe einschlugen, das sie von ihrer Mahlzeit trennte. Aus der weiteren Umgebung trafen immer mehr von ihnen ein und stürmten ebenfalls die Hügel hinunter, um sich an der Jagd zu beteiligen. Der Krach, den sie dabei erzeugten, klang gespenstisch, und konnte einen beinahe taub machen, und ihr Verwesungsgeruch verpestete die ganze Luft. Der Gestank nach Zersetzung war auf dem schmalen Streifen rings um das Gebäude herum so intensiv, dass Tina beim Laufen sogar würgen musste.

      Am Ende des Weges bog sie schließlich um die Mauerecke und zog ihren Bruder dabei hinter sich