Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835246



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      »Vielleicht … besser … tot …« – jedes Wort quälte er über die verschwollene Zunge.

      »Unsinn!!« Ich zwang mich zur Munterkeit. »Oben an Deck werden dir andere Gedanken aufgehen … Die Sonne ist eine Zauberin …«

      »Faß’ an!« mahnte Jörnsen hinter mir.

      Wir trugen ihn nach oben. Und nun lag er da und schaute zu den Felswänden empor, in deren tiefen Kluften die fröhlichen Möven hausten und unser Deck mit weißen Klecksen beehrten.

      Jörnsen ging in die Heckkajüte, und ich setzte mich neben den Kameraden auf einen Klappstuhl, rauchte und hatte Falten auf der Stirn. Soeben hatte der Kapitän mich beiseite genommen. »Abelsen, eine Bitte … Du wirst Boche Boche nichts von deiner Jugendfreundin Gerda Arnstör erzählen – nichts! Erzähle, gewiß … Es wird ihn ablenken. Aber – du bist allein in dem Versteck gewesen, verstanden! Hast es zufällig gefunden. Rege ihn nicht auf. Die Gefahr, daß das Wundfieber ihn packt, ist noch nicht vorüber.«

      Und nun saß ich neben Boche Boche, dem einzigen Freunde, und wußte mit aller Bestimmtheit, daß er Gerda kannte … Vermutet hatte ich’s ja schon. Sein Ohnmachtsanfall, seine Andeutungen nachher, sein Kampf mit seinem toten Gedächtnis. Er kannte Gerda. Vielleicht besser als ich. Und ihre zweifelhafte Rolle hier in diesem Rätseldrama sollte, so wünschte Jörnsen es, geheim bleiben: Nicht aufregen!

      Ich erzählte … Und Gerda blieb ausgeschaltet. Ganz allein hatte ich drei Tage Haft in der Kammer durchlebt. Ich berichtete halb scherzend von dem Kielraum und der Flasche Lysol. Ich machte Witze – ohne Erfolg. Boche Boche starrte in den blauen Himmel. Ich schilderte Samuel und Manuel … Boche Boche verzog keine Miene. Nur als ich dann von dem Ende meiner Haft berichtete, da schaute er mich an … Ich berichtete in knappen Worten von dem Leichenschiff: Zyankali!

      Er bewegte die Lippen … »Wie … konnte der Weiße … entrinnen …?« Und lauter: »Ich … glaube … nicht, daß er … den … Kaffee … vergiftet … hat – – nein!«

      »Wer sonst?! Ich bitte dich …!«

      »Nur … ein Dummkopf … hätte … den Kutter … aufgegeben …! – Olaf, bedenke … das! Jörnsen … ist … auch jetzt … nicht ehrlich … mit uns … Hier … waren … stets … fünf an Bord, Olaf … Das Lied … damals … die Gitarre, Olaf …«

      Er schloß die Augen … Und ich schwieg. Mein Hirn durchflog die jüngste Vergangenheit. Mein Hirn war nicht trainiert für folgerichtige Schlüsse. Die Widersprüche lösten sich nicht, schmolzen nicht ineinander. Ich tappte weiter im Dunkeln.

      Der Kamerad war eingeschlafen. Schnarchte sogar. Die Sonne strahlte stechend auf uns herab. Aber sie heilte. Der feine Schweiß, der mir aus allen Poren drang, machte meine Gelenke geschmeidig. Ich erhob mich leise und ging wieder zum Heck. Drüben in der Ferne tobte das Meer. Auf den Riffen vor uns sonnten sich Robben, kaum vom dunklen Fels zu unterscheiden. Um den Torstensen spielte eine Horde Delphine. Das grünblaue Wasser war so klar, daß ich die Unterseeriffe schimmern sah – steinerne Schwerter, denen kein Schiffsboden, noch so gut gepanzert, widersteht.

      Fünf an Bord!! Der Gedanke kehrte immer wieder. War hartnäckig wie ein italienischer Bettler, umschlich mich, winselte mir Fragen in die Ohren, die ich nicht beantworten konnte.

      Frau Jörnsen rief mich zu Tisch. Jetzt war die Heckkajüte kein verbotenes Gebiet mehr. Wir drei aßen, und der Alte würzte das Mahl mit Berichten über Feuerland … Manche humorvolle Bemerkung streute er ein, manch’ geradezu unwahrscheinlich Abenteuerliches schöpfte er aus dem Vorrat eigenen Erlebens. Den argentinischen Gelehrten Gonzales Silvio, der nach dem Schiffbruch seiner Jacht auf einer der Clarence-Inseln noch weiter südlicher als Santa Ines ein volles Jahr als Robinson gelebt hatte, den fand er durch einen Zufall bei der Jagd nach einem schachmatten, durch Harpunenschuß schwer verletzten Walfisch auf. – Und so wie diese Mahlzeit verliefen auch die folgenden. Jörnsens Erzählertalent berauschte mich. Er war ein gänzlich anderer, wenn er auf solche Erlebnisse romantischen Beigeschmacks zu sprechen kam. Er hatte genau wie Boche Boche und ich eine ausgeprägte Ader für alles Abenteuerliche. Nur von etwas sprach er nie – nie: Von Gerda, dem Feinde und dem Zweck dieser Fahrt nach Ultima Thule! –

      Zwei Tage Sonnenschein und strahlender Himmel, Wärme, Sturm und Einsamkeit. In zwei Tagen ein Wunder: Boche Boche erholte sich verblüffend schnell. Seine zähe Katzennatur spottete der noch eiternden Wunde. Am zweiten Tage abends wagte er die ersten unsicheren Schritte, nahm er zum ersten Male eine Zigarre und trank einen vollen Becher Kognak mit Wasser, halb und halb. Die Zunge war auch wieder völlig in Ordnung, und längst wußten wir nun, wie es dem Kameraden ergangen war, nachdem ich ihn scheinbar so schmählich im Stiche gelassen hatte. – Während des Kampfes in unserer Kajüte war er, von der Dunkelheit begünstigt (er hatte ja die Lampe zertrümmert) bis an die Treppe gelangt. Hier erst empfing er den furchtbaren Hieb mit einem großen Schraubenschlüssel, konnte trotzdem noch an Deck flüchten und glitt an einer losen Leine vom Bugspriet ins Wasser. Die Meuterer fanden ihn nicht. Erst nach Stunden kroch er dann mit letzter Kraft in das Boot, befestigte die Persenning wieder und verlor das Bewußtsein, erwachte immer nur für kurze Zeit, fiel wieder zurück in die gräßlichen Arme des rasenden Fiebers, erwachte von neuem, trank das in kleine Löcher auf der Innenseite des Persennings angesammelte Regenwasser, kühlte die Wunde, wurde von neuem hinabgezerrt in das unheimliche Reich der Fieberphantasien. Bis das Fieber von selbst nachließ und die Erschöpfung des nahenden Endes sich immer mehr steigerte. Da fand ich ihn. Stunden später wäre es … zu spät gewesen! –

      Boche Boche war am dritten Morgen bereits munter, als ich noch schlaftrunken und gähnend dem Plätschern eisiger Regengüsse lauschte. In der Back war es kalt – bitter kalt. Der Kamerad kniete vor dem eisernen Ofen, und das Prasseln des trockenen Holzes übertönte fast das andere, gleichmäßige Geräusch: der Motor arbeitete, der Kutter war in Fahrt!

      »Morgen, Olaf …!« – Vom Ofen her, die Stimme war klar und laut … Aber schon gestern, als es ihm so wesentlich besser ging, hatte ich’s gemerkt: Es war etwas Fremdes an ihm und besonders in seinem Blick. Auch jetzt. Es fehlte die Herzlichkeit. Diese grauen Augen, in deren Tiefen stets das melancholische Dunkel nimmer erlöschender Seelenpein schimmerte, waren verschlossen, forschend und kalt.

      »Morgen, Kamerad …!« Ich mußte Zwanglosigkeit heucheln … »Ein Leichtsinn von dir! Mute dir nicht zu viel zu …!«

      Ich kleidete mich schnell an. Boche Boche hatte derweil den Ofen gründlich gefüttert und sich dann auf einen Schemel gesetzt. Aber nichts mehr gesprochen. Die Stille wurde peinlich.

      »Wir sind also schon wieder unterwegs,« begann ich von neuem.

      »Noch nicht, Olaf … Jörnsen probiert den Motor, den er gründlich gereinigt hat. Er war vorhin hier. Der Wind soll nach Süd gedreht haben. Daher auch die Kälte. Und in der Magelhaens-Straße steht nur noch schwache See. Der Alte will sehr bald Anker lichten. Was ihn zur Eile treibt, weiß ich nicht. Ich weiß ja überhaupt nichts. Ich bin hier im abenteuerlichen Spiel jetzt die blinde Kuh.« – So, wie er dies vor sich hinsprach – mit gesenktem Kopf, mit Augen, die am Boden hingen, mit krankem, müdem Zug um den blassen Mund, war er für mich wie der verkörperte Vorwurf. Eine unklare Ahnung kam mir, daß seine letzte Bemerkung »ganz die blinde Kuh« für mich die Andeutung enthielte, er schenke auch meinen Angaben über das, was während seiner Leidenstage im Boote geschehen, keinen Glauben mehr. Ich wurde dadurch noch unsicherer. Ich fühlte, daß er mir als Freund entglitt, daß meine unwahre Schilderung meiner Haft in der Geheimkammer drüben von ihm, der so kritisch zu prüfen verstand, allerlei Zweifel geweckt hatte! Zum Glück erschien jetzt Frau Jörnsen, schlumpig und schmutzig wie immer, und brachte den Kaffee. Sie begrüßte uns kurz. Redselig war sie nie gewesen. Für Boche Boche fand sie ein paar kühl-freundliche Worte über die überraschende Besserung in seinem Aussehen und seinen Bewegungen. Er half ihr den Tisch decken. »Ich bin eben doch noch nicht reif für das Ende gewesen,« sagte er nur, und auch der Satz war vielleicht nicht ohne Doppelsinn.

      Wir waren wieder allein. Ich rasierte mich flink. Der Kamerad füllte seinen Becher und begann zu frühstücken. Als ich ihm gegenüber Platz nahm, schob