Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835246



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vom Motorkutter, fremde Gesichter, – sie brachten mich hierher. Ich sah natürlich nichts von der Burg, nichts … Ich war krank und elend. Der Ritt hatte volle zwei Wochen gedauert. Ich erholte mich. Am 3. September erschien hier mein Neffe Armand Dobber. Er gab sich keine Mühe, seinen Schurkenstreich zu bemänteln. Ich solle ein Testament zu seinen Gunsten niederschreiben. Ich weigerte mich. – Armand hatte elf Mitverschworene mitgebracht, von denen ich keinen einzigen hörte, obwohl sie mit im Zimmer waren. Sie verhielten sich stumm. Als Armand bei mir nichts ausrichtete, drohte er mich zu töten. Eine lächerlichere Drohung konnte er kaum wählen. Ich sagte ihm, der Tod hätte für mich, den Blinden, keine Schrecken mehr, es wäre klüger von ihm gewesen, mich erst hier zu blenden, falls ich die Urkunde verweigerte. Er fluchte und tobte, – und schließlich zog die ganze Bande ab. Ich hatte noch immer keine Ahnung, wo ich mich eigentlich befand. Ich war allein und tappte durch die Räume und lernte mich zurechtfinden, entdeckte hier die Küche und nebenan die Vorratskammer und rettete mich vor dem Verhungern: Ich lernte noch mehr: Ich habe mit eiserner Energie meinen Tastsinn und Orientierungssinn ausgebildet, und als die Bande nach drei Jahren abermals erschien, wollte es der Zufall, daß ich noch spät abends oben auf dem Ostturm stand und das Propellergeräusch eines Flugzeuges vernahm. – Sie kommen durch die Luft wie die Teufel, Mr. Elsen, und sie kommen jedes Vierteljahr stets am dritten nachts hier an. – Armand hat mir höhnend mitgeteilt, daß er das Testament gefälscht hätte und nun mein Erbe sei und niemand Verdacht geschöpft habe. Er haßt meinen anderen Neffen Percy, und er hat auch diesen, einen braven Jungen, vernichtet. Percy soll irgendwo in der Wildnis als Flüchtling leben. Mein armer Percy, – wenn er ahnte, daß ich noch lebe!! – Sie fragten vorhin, wer Carrell sei. Das ist Armands Intimus, – ein ganz gefährlicher Lump, noch schlimmer als Armand. John Carrell erscheint hier stets als erster und sperrt mich dann hier in der Küche ein. Was die zwölf treiben, weiß ich nicht. – – Vielleicht wundern Sie sich, daß ich Ihnen das alles mit solcher Ruhe erzählen kann, Mr. Elsen: Ihr Auftauchen hier hat mich völlig verwandelt, das fühle ich am besten. Mein Wunsch, Vergeltung zu üben, nähert sich der Erfüllung, und dies gibt mir neue Kraft und Frische. – Ich höre, das Wasser kocht … Brühen wir den Kaffee auf … Es gibt noch manches zu berichten.“

      Ich habe so allerlei Eisenköpfe im Leben kennen gelernt – ich habe Männer gekannt, die aus ähnlich zähem Holze wie Old Dobber geschnitzt waren. Old Dobber war aus Stahl und nicht nur härtestem Holz.

      Er war nicht mehr der bedauernswerte Blinde, der mich auf der Turmplattform bat, ich möge fliehen.

      Old Dobbers Kopf war der eines zielbewußten, unerbittlichen, kaltrechnenden Kämpfers. Seine breite Stirn erinnerte an die Percys, seine Sprache war kurz, hart und abgehackt: Ein Mensch, der jedes überflüssige Gerede meidet.

      Er stellte Tassen zurecht, öffnete eine Büchse Hartbrot und eine zweite mit kondensierter Milch.

      „Setzen Sie sich … – So … schenken Sie ein … – Sie sehen, Armand verpflegt mich gut … Ich bin ihm ein billiger Burgvogt, der nicht einmal auskneifen kann …“ Und dann ganz unvermittelt tastet er nach meiner Hand, drückt sie und sagt mit einer Herzlichkeit, die mich rührt: „Sie glauben gar nicht, wie sehr ich mich über Ihren Besuch freue! Es ist das nicht Selbstsucht von mir, wirklich nicht, letzten Endes wäre ich auch allein mit den Schurken fertig geworden.“

      Es ist das seine zweite Anspielung auf Vorbereitungen zum Kampf gegen die zwölf.

      „Allein, Mr. Dobber?!“ – und mein zweifelnder Ton entlockt ihm erneut ein schwaches Lächeln. Seine Hand führt jetzt die Tasse zum Munde. Er kaut bedächtig an dem Hartbrot. „Sie werden sehen …“ sagt er dann. „Nun aber reden Sie, Elsen! Und nennen Sie mich nicht Mr. Dobber. Old Dobber ist ein Ehrentitel.“

      „Wie es El Gento war,“ nickte ich in Erinnerung an meine Araukaner.

      Er stutzt. Seine milchigen Augen begegneten den meinen, und ich könnte diesen seinen Blick als erstaunt bezeichnen, wenn ich nicht wüßte, daß seine Augen tot sind. Er wendet den Kopf zur Seite. „El Gento also …! Armand sprach da von einem Manne, der auf der Ruxa-Farm erschienen war und …“ – Pause – „– aber erzählen Sie besser selbst …“

      „Armand?! War er denn vor kurzem hier? Es sind keine vier Wochen her, als ich mit meiner Insel im Golf von Carpentaria landete.“

      Er wiederholt nur: „Erzählen Sie!“

      Ich wundere mich. Hier stimmt etwas nicht. Ein gelindes Mißtrauen gewinnt an Bedeutung. Trotzdem erzähle ich. Das Leben hat mich vorsichtig gemacht. Allzu große Offenheit ist Torheit. Hier wünsche ich gegenseitige restlose Offenheit, und ich mache den Anfang damit.

      Es ist eine seltsame Kaffeestunde, die wir abhalten. Die Umgebung – ein Märchen fast, – dieser kräftige Greis … die Tragik, die Romantik. Und drüben im Museum lagern die Beweise schwarz auf weiß, daß ein Verschollener, Arthur Benson, in diesen Räumen lebte, wirkte, starb. Diese Burg birgt mehr oder weniger merkwürdige Dinge, als die Phantasie eines Vielschreibers sie ersinnen könnte.

      Old Dobber lauscht aufmerksam.

      Einmal wirft er ernst ein: „Ich kenne Bell Dingo … Er ist Mischling, er weiß es vielleicht selbst nicht. Afrikanisches Blut hat der anerkannten Intelligenz unserer Eingeborenen nicht geschadet. Die feinsten Köpfe unserer Farbigen sind Mischlinge.“

      Ich nähere mich den letzten Ereignissen, und als ich den Namen Daisys erwähne, trifft mich wiederum der überraschte Blick, und Old Dobber fragt begierig:

      „Dann – kennen Sie wohl auch Percy, meinen lieben Jungen, der mir stets wie ein leiblicher Sohn war.“

      „Ich kenne ihn, und er ist in der Nähe und wird in kurzem hier sein.“

      Die Wirkung dieser Mitteilung: Er wird blaß, aber dann leuchten seine Züge auf. Wieder preßt er meine Hand. „El Gento, – ich war als Geschäftsmann ein Christ dem Namen nach … Ich gab Spenden für die Kirche, für die Missionsschulen. Das war alles. Erst als mich das Schicksal schlug und mir zeigte, wie machtlos selbst ein vielfacher Millionär ist, – als ich dann hier in diesem Hause das Fühlen und Tasten lernte und mein toter Blick nur noch nach innen schauen konnte, erkannte ich die Leere meiner Seele. Ich hatte nur dreierlei geliebt: Meine Frau, die mir allzu früh entrissen wurde, meinen Neffen Percy und … das Geld! – Geld bedeutete mir im Grunde alles. Kläglich ist diese Auffassung vom Sinn des Lebens. Wahr ist nur das Bibelwort, das mir nicht ganz geläufig, aber doch gegenwärtig: Sorge, daß deine Seele keinen Schaden nehme! – Die innere Wandlung bei mir vollzog sich ziemlich schnell. Wir müssen erst harte Nackenschläge scheinbarer Willkür des Schicksals spüren, um zu erwachen. – Gott hat meine Gebete erhört – in allem, El Gento! Nicht nur die Rache des Himmels erflehte ich, sondern auch die Gunst, meinen Percy wiederzusehen. – Weiter, weiter …! Und was geschah nach der Begegnung mit dem Flugzeug der zwölf?“

      Er hatte Essen und Trinken vergessen, – ich auch. Er hatte meine Hand in der seinen und horchte.

      Ich ließ ihn in Worten die Begegnung mit Percy sehen – das Wiedererkennen des einstigen Zellengenossen.

      Den Buschbrand schilderte ich, und meine Phantasie erhitzte sich in Gedanken an die Glutwogen des Flammenkreises, in dem Armand uns hatte schmoren wollen …

      Old Dobber lächelte glücklich, wie ich von Daisys kleinem Lederzelt sprach, von dem Streit zwischen den Liebenden um den Titel der Operetten …

      „Ein Teufelsmädel!“ murmelte er innig. „Die rechte Frau für meinen Erben …“

      Nun wußte er alles.

      „Dank’ Ihnen, El Gento!“ sagte er … „Jetzt ist wieder die Reihe an mir …“ Er erhob sich. „Ich will Ihnen Arthur Bensons Sarg zeigen …“

      Wie ein Referendar, so sicher und schnell, stieg er vor mir in die Keller hinab.

      „Benson,“ erklärte er sachlich, „erbaute die Burg über einer schmalen Kluft des Felsbodens, die sich nach unten zu verbreiterte und Grotten bildete. In einer der Grotten fand er die Zisterne.“

      Wir hatten zwei