Название | Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch |
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Автор произведения | Walther Kabel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075835246 |
… Abseits vom Alltag lebe ich wieder, mehr denn je … Einsamer bin ich, mehr denn je, und die Insel ist meine neue Heimat geworden. Aber bis zu dieser Insel hin ist’s ein weiter, seltsamer Weg voller Hindernisse, und meine Feder streikt, wenn ich daran denke, daß all diese weißen Bogen mit dem in der linken Ecke schimmernden blaßroten Druck noch gefüllt werden sollen … –
Chubur erklärte im Namen der anderen, nachdem er ihre ablehnenden Züge flüchtig studiert hatte:
»El Gento, Brigg Strandgut sein. Strandgut gehören uns … So sein. Wozu Valdivia, wozu lange Reise?! El Gento in Valdivia nur finden Polizei, Soldaten. Das nicht gut sein.«
Er grinste vielsagend.
Ich verstand seine Anspielung. Ich, Olaf Karl Abelsen, Ingenieur einst, aber noch immer belastet mit der Tücke eines Steckbriefes, als geflüchteter angeblicher Mörder, würde vielleicht in Valdivia die Mauern einer Zelle wieder kennenlernen mit Wanzen und Flöhen und Gefängniskost.
»Mich hat die Welt vergessen, Chubur, und diese neue Brigg aus Eisen ist ein Vermögen wert. Sie zu zerstören oder hier ausgeplündert verrosten zu lassen, widerstrebt mir. Wir werden für das Geld, daß sie uns einbringt, mehr kaufen können, als ihr ahnt, ein anderes Schiff und alles, was euer Herz sich wünscht. – Wir segeln …!«
Chubur knurrte ärgerlich. »Wann fahren?!«
»Sofort …! – Einer von uns kehrt mit dem Segelboot zum Gallegos zurück und meldet, daß wir anderen etwa drei Wochen fernbleiben werden.«
Dabei bleibt’s … Samsor, fast ein Greis, verabschiedet sich. Unser Boot gleitet mit ihm davon.
Wir bringen dann das kleinste der drei Boote der Brigg zu Wasser und legen eine Stahltrosse um die äußerste Klippe. Die Ankerwinde mit ihrem Motor pufft, die Trosse spannt sich straff, und als eine Woge das Schiff rüttelt, löst es sich durch die Kraft der Trosse aus seinem steinernen Dock und erreicht offenes Meer.
Die Brigg hat einen Sechszylinder-Hilfsmotor, amerikanisches Fabrikat. Brennstoff ist in Fülle da, und die peitschende Schraube führt uns durch die Brandung hinaus in die Weite des Pazifik.
Meine sechs Araukaner spielen Matrosen. So bin ich nun Kapitän eines namenlosen Schiffes, dessen Segel im matten Wind die Treibkraft der Schraube unterstützen.
Nach Norden geht’s. Immer nach Norden. Um Mitternacht lege ich mich schlafen. Chubur steuert. Zwei Mann wachen. – Um sieben, als längst die Sonne über der Brigg gleißt, trete ich verschlafen an Deck. Mein Blick irrt gen Osten. Dort müßte die Küste sichtbar sein. Ich sehe nichts. Ringsum ist nur offenes Meer, die freie, endlose See und die milde Wärme dieses Riesenteiches, der zwei Kontinente trennt.
Am Steuer hinter dem Kajütaufbau finde ich Chubur. Er hockt auf den Planken und schnarcht. Neben ihm liegt eine leere grünliche Flasche mit verlockender Etikette. Chubur verbreitet um sich einen intensiven Duft nach Schnaps. Das Steuer ist festgebunden, und der Kompaß belehrt mich, daß die Brigg nordwestlichen Kurs läuft …
Ein Fußtritt … Chubur schnellt hoch, taumelt, stiert mich aus rotgeäderten Augen an. Schuldbewußt, aber kopfschüttelnd löst er das Tau vom Steuer und redet allerlei, das mein Zorn nicht besänftigt.
Ich gehe mit dem Pudel, der mir auf Schritt und Tritt folgt, nach vorn, während Chubur mit einem riesengroßen moralischen und physischen Kater seine Pflicht als Steuermann erfüllt und die Brigg wieder gen Norden führt.
Und hier am Bug neben der Ankerwinde?!
Die Zornesröte steigt mir heiß ins Gesicht. Die beiden Wachen liegen betrunken am Boden …
Meine Stimme überschrillt die braunen Köpfe. Blöde Blicke starren mich an. Die beiden Araukaner haben mich von der Seite noch nie kennengelernt. Meine Vorwürfe sind berechtigt. Wenn auch diese Meeresbreiten wenig besucht sind, so hätte uns doch der dreckigste Guanodampfer in den Grund bohren können. Die Positionslaternen brannten nicht. Wer hatte sie gelöscht?! Wann haben Chubur und diese beiden Pflichtvergessenen die Whiskybuddeln geleert?!
»Wer löschte die Lichter?!«
Aber Chubur, Bild des Elends, kämpft gegen den rebellischen Magen, springt zur Reling, und sein Magen krempelt sich um. Dann sackt er hilflos in sich zusammen. Ein flehender Blick trifft mich, sein Gesicht ist aschgrau, und der Schweiß läuft ihm unter dem verwitterten Filz hervor. Er gleicht einem Sterbenden, und seine blauen Lippen, das Zittern seines Unterkiefers und das gräßliche Klappern der Zähne deutet auf mehr als nur Folgen überreichlichen Alkoholgenusses.
Ich schleppe ihn in die Kajüte, und er, der noch nie in seinem Leben Medikamente geschluckt, macht Bekanntschaft mit dem Inhalt des Medizinschranks der Brigg. Den beiden anderen geht’s ähnlich, aber ihre Pferdenaturen überwinden die bedrohliche Herzschwäche, und nach zwei Stunden schlafen sie und röcheln nicht mehr …
Chubur hat mir noch versichert, er habe lediglich die halbe Flasche ausgetrunken, und die beiden anderen schwören bei allerhand Heiligen, daß auch sie nicht so viel Feuerwasser sich eingepumpt, um in solchem Zustand zu geraten. Bestimmt hätten sie die Positionslaternen nicht gelöscht, und es sei mitten in der Nacht gewesen, als unüberwindliche Schlafsucht sie niederzwang.
Wir vier, die wir frisch und munter geblieben, haben alle Hände voll mit der Brigg zu tun. Der Wind bläst scharf, und das Schiff beweist, daß es seine vierzehn Knoten schafft.
Ich lehne am Steuer, und langsam gewinnt das Mißtrauen bestimmtere Formen und wird zum Verdacht.
»Chanaf!« rief ich den Jüngsten herbei. »Chanaf, geh’ in den Raum hinab und durchsuche jeden Winkel, vergleiche auch die Dicke der Zwischenwände, ob irgendwo Platz für eine Geheimkammer. Es muß noch jemand außer uns und dem Hunde an Bord sein.«
Chanafs schlanke sehnige Gestalt taucht in der Vorderluke unter, deren Deckel er hochgestützt hat. Der Pudel schnüffelt auf dem Deck umher, zeigt seltsame Unrast, macht an der Luke halt und bellt hinab.
Oben in den Wanten hängen meine anderen beiden Matrosen, und knallend entfalten sich neue Segelflächen, die Brigg neigt sich, das Bugwasser schäumt und lärmt, und der Luftzug glättet meine faltige Stirn.
Vielleicht, sage ich mir, ist mein Verdacht doch unbegründet … Vielleicht war der Whisky eine Sorte jenes Teufelsgesöffs, das die Spritschmuggler den ausgedörrten Kehlen der trocken gelegten Yankees andrehen …
Dann überlasse ich das Steuer dem Riesen Manik, und beim Frühstück in meiner Kapitänskajüte überdenke ich das Rätsel der namenlosen neuen Brigg. Daß sie absichtlich von der Besatzung verlassen wurde, ist wohl gewiß. Weshalb aber?!
Mein Blick hängt an dem tadellosen Schiffschronometer, der leise tickt – ein Kunstwerk: Er zeigt auch Tage, Monate und Mondphasen an.
Darunter hängt das Barometer an der polierten Wand.
Die Uhr geht noch. Schiffsuhren pflegen für acht, vierzehn, auch dreißig Tage Gang eingerichtet zu sein. Ich erhebe mich und nehme den Uhrschlüssel und ziehe den Chronometer bedächtig auf. Ich kann den Schlüssel fünfzehn Mal drehen. Wann mag die Uhr vorletzt aufgezogen worden sein? Wie lange kann ein Hund ohne Wasser und Nahrung bestehen? Wann hat die Besatzung das Schiff preisgegeben?
Ich streichele den Kopf des Pudels, der soeben durch die offene Tür hineingekommen ist und sich an meinen Knien gescheuert hat.
Chanaf erscheint. »Nichts, El Gento,« meldet er. »Nichts … Nicht einmal Ratten …«
Mittags stehe ich mit Chubur, der wieder bei Kräften, am Steuer …
»Chubur, wir müssen nachts sehr weit nach Westen abgetrieben sein. Die Küste ist noch immer nicht wieder in Sicht.«
Er nickt. Sein