Название | Die zweifelhafte Miss DeLancey |
---|---|
Автор произведения | Carolyn Miller |
Жанр | Языкознание |
Серия | Regency-Romantik |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783775174862 |
»Oh!« Matildas Augen wurden ganz rund. »Nein, das wusste ich nicht.«
Wo war sie die letzten zwei Jahre gewesen? Die Geschichte der Hochwohlgeborenen Clara DeLancey, deren Verlobung mit dem Grafen Hawkesbury sich zerschlagen hatte, war doch wahrhaftig in aller Munde gewesen. Oder war sie vielleicht noch unbedeutender, als sie gedacht hatte?
Matilda beobachtete sie, dabei biss sie sich auf die Lippen, als sei sie unsicher.
Damit waren sie schon zwei. Sollte sie weitererzählen? Oder hatte sie vielleicht schon zu viel gesagt? Doch unerklärlicherweise empfand sie das Bedürfnis weiterzusprechen. Matilda McPherson war der erste Mensch seit langer Zeit, der Clara seine Freundschaft angeboten hatte. Und wenn sie wirklich nichts wusste, dann konnte Clara ihr wenigstens ihre eigene Sicht der Dinge erzählen und ihre Freundin gewann nicht einen ganz falschen, von bösartigem Klatsch bestimmten ersten Eindruck.
»Es war der Graf von Hawkesbury«, wiederholte sie.
»Oh! Ich habe schon von ihm gehört. Soll ein guter Sportler sein. Und ein Kriegsheld, nicht wahr?«
Sie nickte. Er war in allem gut. Er war sogar gut darin, einem Mädchen den Laufpass zu geben. Wieder schlug die Verbitterung über ihr zusammen.
»Ich erinnere mich«, sagte Matilda jetzt. »Hat er nicht vor einem Jahr geheiratet?«
Sie nickte ruckartig.
»Das muss sehr schwer für Sie gewesen sein.« Das Mitleid in Matildas Augen trieb ihr die Tränen in die Augen. »Hatte er Ihnen einen Antrag gemacht?«
»Ja. Nein.« Sie schluckte. »Es wurde stillschweigend vorausgesetzt … alle gingen davon aus.«
»Aber er offenbar nicht, wenn er eine andere geheiratet hat.«
»Es war der größte Wunsch unserer Mütter.«
»Aber nicht seiner.«
Ihr wurde heiß, sie brachte mit großer Mühe ein raues Nein heraus.
»Verzeihen Sie mir, Clara. Ich wollte Sie nicht kränken.«
»Ich bin nicht gekränkt«, log sie. Es war ein Fehler gewesen. Sie sah zu der großen Standuhr hinüber. Wie konnte sie ihre Besucherin jetzt so schnell wie möglich loswerden?
»Ich habe Sie verstimmt.« Matilda seufzte. »Es tut mir leid. Mütter wünschen sich natürlich, dass ihre Kinder eine gute Partie machen, aber manchmal sind sie auch blind und halten etwas für gut, obwohl es in Wirklichkeit das Gegenteil ist.«
Wie konnte die Heirat mit einem Grafen etwas anderes als gut sein? Wie konnte das Verlachtwerden etwas anderes als schlecht sein? Und konnte es gut sein, in Dutzenden von Ballsälen Gegenstand des Klatsches zu sein?
»Sie glauben mir nicht.«
Clara zwang sich zu einem Lächeln. »Ich muss zugeben, in den beiden letzten Jahren habe ich mich nicht besonders gut gefühlt.« Und wie von einer höheren Macht gezwungen, murmelte sie etwas von ihren fehlgeschlagenen Versuchen, ihn zurückzugewinnen, und von ihrer Verzweiflung.
»Du meine Güte.« Jetzt glänzten auch in Matildas Augen Tränen.
Angesichts ihres Mitleids schlug Clara die Augen nieder; ihre letzten Verteidigungswälle stürzten ein. »Ich habe ihn – und sie – gehasst, jedenfalls anfangs. Ich habe sie abgrundtief gehasst!« Sie blickte auf. »Sie halten mich sicher für einen schlechten Menschen, weil ich solche Dinge zugebe.«
»Ich halte Sie für ehrlich, nicht für schlecht.«
Clara wischte sich über die Augen. Warum gestand sie solche schlechten Gefühle ein? Konnte sie Matilda überhaupt vertrauen? Doch es war, als sei ein See über die Ufer getreten; die Gefühle waren nicht mehr aufzuhalten. »Und jetzt hasse ich mich selbst, weil ich so lange einen Menschen geliebt habe, dem nicht das Geringste an mir lag.« Sie schluchzte auf; die Demütigung war zu groß. So konnte man bestimmt keine Freunde gewinnen, geschweige denn welche halten!
Doch bevor die Scham sie ersticken konnte, spürte sie, wie Matilda sie in die Arme schloss. Sie wurde ganz steif. Matildas Umarmung wurde nur noch fester. Nach einem kurzen Moment entspannte Clara sich, zu schwach, um sich noch zu wehren. Ihr übergroßer Stolz schwand unter dem Gewicht aufrichtigen Kummers und der Last der Einsamkeit, die sie so lange in ihrem Würgegriff gehalten hatte.
Sie schloss die Augen. Spürte, wie Matilda ihr übers Haar strich, wie sie es sich damals von ihrer Mutter gewünscht hätte. Wie lange war es her, dass jemand ihr mit Zuneigung begegnet war? Wie lange war sie nicht mehr so getröstet worden? Ihre Eltern waren zornig gewesen, aber sie hatte nie Tränen in ihren Augen gesehen, so wie jetzt in Matildas. War es der Schlag gegen ihre Ehre gewesen, der sie so wütend gemacht hatte? Manchmal war es schwer zu sagen; irgendwie schienen sie auch ihr zu zürnen. In ihrer Familie hatte es nie viel Wärme und Zuneigung gegeben. Vielleicht schlummerte die Liebe ihrer Eltern, wie eine Zwiebel, unter Schichten von Pflicht und Stolz. Trotzdem zog sie das ehrliche Gefühl vor, das sie jetzt bei Matilda wahrnahm, auch wenn sie wusste, dass Mutter vor Scham sterben würde, wenn sie zurückkäme und Zeuge dieses unschicklichen Verhaltens werden würde.
Clara holte tief Luft und löste sich aus der Umarmung; dabei nahm sie einen leisen Hauch von Lavendelduft wahr. Sie strich sich glättend über das Haar und trocknete ihre Tränen, ganz rot vor Verlegenheit. »Es tut mir leid!«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Mir würde es in Ihrer Situation genauso gehen.«
Ihre Freundlichkeit legte sich um Clara wie eine weiche Decke und ließ sie sagen: »Ich … ich fühle mich so verloren, als wüsste ich gar nicht mehr, wer ich bin.«
Beide schwiegen. »Wer ist Clara?«
»Verzeihung?«
»Wer sind Sie? Wirklich?«
Clara lehnte sich zurück und dachte nach. Wer war sie? Die Tochter eines Viscounts? Ein Mensch, dessen Hauptinteresse der Erwerb neuer Kleider war? Vergnügungen? War sie in einem Traum verloren, der nie Wirklichkeit werden würde? Der Graf war weitergegangen. War es nicht Zeit, dass sie dasselbe tat?
»Wollen Sie wirklich zulassen, dass der Korb, den Sie von einem Mann bekommen haben, Ihr ganzes weiteres Leben bestimmt?«
Clara lachte rau. »Ich glaube, es ist eher die Summe aller Männer, die mir einen Korb gegeben haben.«
»Gott gibt Ihnen keinen Korb, Clara.«
Die Worte legten sich um ihr Herz, das zarte Ziehen, das sie in den letzten Tagen gespürt hatte, wurde stärker. »Ich weiß nicht …«
»Aber ich. Ich weiß, dass Gott Sie liebt und dass seine Pläne für Sie gut sind.«
Matildas mit so großer Sicherheit gegebene Antwort machte ihr ein ganz klein wenig Hoffnung. Nahm Gott sie wirklich wahr? War es möglich, dass dem Schöpfer des Universums etwas an ihr lag?
»Vielleicht wird es Zeit, dass Sie Gott erlauben, Sie zu heilen und Ihnen zu zeigen, wer Sie in seinen Augen sind.«
Clara schluckte. »Vielleicht.«
»Habe ich nicht Klavierspiel gehört, als ich gekommen bin?«
Sie blinzelte, der Themenwechsel überraschte sie. »Ich … äh, ja. Ich habe gespielt.«
Matilda lächelte. »Dann bin ich sicher, dass Gottes Pläne für Sie Ihr musikalisches Talent miteinbeziehen. Sie spielen wirklich gut.«
»Danke.« Sie verbiss sich einen stolzen Kommentar, nämlich dass sie früher in den vornehmsten Salons Londons gespielt und gesungen habe. Diese Zeiten waren lange vorbei.
Matilda zog die Brauen hoch, dann lächelte sie. »Könnten Sie uns nicht helfen und bei der Mission spielen? Benjie, mein Bruder, möchte den Seeleuten und Soldaten helfen, die im Krieg versehrt