Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel

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Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075831101



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ihm ins Wort. Er sprach sehr laut und deutlich.

      „Ich bin der ehemalige Justizanwärter, jetzige Kriminalwachtmeister Thomas Schippel, nebenbei auch noch … Chauffeur bei Doktor Maletta …!!“ Und er legte das Dolchmesser mit Nachdruck neben sich auf den Tisch.

      Dieser Eröffnungen wirkten stärker als alle Anschuldigungen und als die Mordwaffe. Der Assessor bückte sich plötzlich und zog die Senkel eines seiner Lackschnürschuhe fester. Es war nur ein Trick, um die Blässe seines Gesichtes zu verbergen.

      Schippel warf Sakschinski einen vielsagenden Blick zu. Die beiden Beamten verstanden sich. Bellinger wußte jetzt, mit welchem Gegner er es zu tun hatte und daß hier eine alte Rechnung zwischen ihm und dem früheren Justizanwärter ausgeglichen werden sollte.

      „Ich will Ihnen genauer schildern, was damals in der Mordnacht sich alles abgespielt hat, Herr Assessor Bellinger“, begann der kleine Mann abermals. „Auch die Zusammenhänge der einzelnen Ereignisse werde ich klarstellen. Dann werden Sie wohl Ihr Benehmen etwas ändern. Das Geständnis des Professors enthüllte uns ja nur einen Teil der Wahrheit. Aber es genügte trotzdem vollauf. – Weinreich und Sie sind gemeine Erpresser. Weiter nichts. Aber Erpresser einer ganz besonderen Art. Sie haben Ihrem Opfer – ich spreche zunächst von Maletta – nicht nur gedroht, sondern diesen Ihren Drohungen auch durch Taten Nachdruck gegeben – eben durch Attentate. Von diesen kommen die früheren hier nicht in Betracht, vielmehr nur die letzte Geschichte im Vorstandszimmer des Klubs der Fünfzig. Wenn ich diese Angriffe auf Malettas Leben und Gesundheit mit Attentaten bezeichnete, so trifft dies nicht ganz das Richtige. Denn töten wollten Sie beide ihn nicht, nur merken sollte er, daß es Ihnen mit Ihren Drohungen auch ernst war und daß das Damoklesschwert überall und in jedem Augenblick über ihm schwebte. Als Chauffeur und Sicherheitswächter des Chemikers erlangte ich Kenntnis davon, was ihm sein Leben verbitterte und warum er sich in steter Todesangst befand. Ich wußte auch, daß er häufiger mit Schreibmaschine geschriebene Briefe erhielt – Erpresserbriefe, und daß er bereits Unsummen seinen Peinigern ausgezahlt hatte. Aber umsonst waren alle meine Vorstellungen, mir doch die Briefe zu zeigen. Ebensowenig vertraute er sich mir völlig an. Dann kam der heutige Tag, – nein, der gestrige, denn die Uhr zeigt ja bereits die dritte Morgenstunde. Maletta erzählte mir ganz eingehend, was mit ihm im Vorstandszimmer des Klubs geschehen war. Doch auch jetzt wollte er nicht, daß ich zu tief in die Einzelheiten dieser Erpresseraffäre eindringe.

      Mir war ja schon längst klar geworden, daß nicht einzig und allein die Drohungen mit Mord und Totschlag den Chemiker zur Hergabe von Geld veranlaßten. Nein, die, die ihn ausquetschen wie eine armselige, verteidigungsunfähige, saftreiche Frucht, mußten aus Malettas Vergangenheit Dinge kennen, deren Bekanntwerden er ebensosehr fürchtete wie die Attentate. Bis heute, nein, gestern abend, wußte ich nun über die ganze Angelegenheit eigentlich so gut wie nichts. Wer die Erpresser waren, was in den Briefen stand und weshalb Maletta besonders seine Widersacher zu schonen suchte, ahnte ich nicht. Genauer ausgedrückt: ich hatte so meine Vermutungen, die aber doch alle ganz haltlos in der Luft schwebten. Da war ich endlich dieses ermüdenden, ergebnislosen Spiels satt, erklärte Maletta, daß ich noch immer Kriminalbeamter wäre und ihn verhaften müßte, wenn er nicht endlich mit der vollen Wahrheit herausrücke. Er sträubte sich, tobte, fluchte. Es half alles nichts. Ich bekam ihn doch klein. So erfuhr ich denn, was ich wissen wollte, so lieferte er mir auch die Erpresserbriefe aus, zeigte mir auch das Büchlein, in dem er die Summen notiert hatte, die Ihnen beiden in die Hände geflossen und dann wieder im Hasard schnell draufgegangen waren. Im ganzen hat er Ihnen und Weinreich bisher 825 000 Mark gezahlt. – Ich erfuhr, was ich wissen wollte. Aber eines konnte mir auch Maletta nicht sagen: wer die Erpresser waren. – Er hatte den Rentier Oltendorf im Verdacht, den er von früher her kannte, besaß jedoch keinerlei Beweise gegen ihn. Kurz: als ich heute nacht in die Spielhölle kam, – und ich bin absichtlich nach vorheriger genauer Vereinbarung mit Herrn Kommissar Sakschinski in die Villa gegangen – hatte ich weder gegen den Professor noch gegen Sie irgend welches Belastungsmaterial hinsichtlich der Erpressergeschichte in den Händen.

      Nachdem die Polizei in die Villa eingedrungen war, suchten sie, Cesar Bellinger, sich zweier Gegenstände heimlich zu entledigen: eines zusammengeballten Taschentuches und im Auto, das uns hier nach dem Präsidium brachte, eines Briefes. Letzteren schoben Sie zwischen die Polster. Sie rechneten nicht mit meinen Luchsaugen. Der Brief ist jetzt in meinem Besitz.“

      Schippel machte eine Pause und sah Bellinger durchdringend an. Es war nicht mehr der rosige, elegante Herr Assessor, der dort auf dem Stuhle saß. Es war ein Mann, dessen bleichem Gesicht man es anmerkte, wie sehr er sich sein verbrecherisches Hirn zergrübelte, um die Schlinge abzustreifen, die ihn bereits um den Hals lag.

      Und Schippel fuhr fort: „Der Brief ist derselbe, den Sie im Schultheiß-Restaurant sehr geschickt gegen einen anderen, harmloseren, ausgetauscht haben. Sehr geschickt – doch nicht geschickt genug, wie Sie jetzt sehen. – Hier ist der Brief. Ich werde ihn Ihnen vorlesen. Er ist mit Schreibmaschine geschrieben, derselben schadhaften Maschine, mit der auch die Erpresserbriefe an Maletta getippt worden sind. – Das war eine große Unvorsichtigkeit von Ihnen und Weinreich. Eine Maschine, bei der das kleine A und O stets unter die Linie zu stehen kommen und die das S und L schräg stellt, sollte man für solche Zwecke nicht benutzen. – Der Brief lautet:

      „Oltendorf, meine Geduld ist erschöpft. Ich habe Dich vor vier Tagen zu einer Unterredung bestellt. Du bist nicht erschienen. Du magst es noch so sehr leugnen: die echten Diamanten befinden sich noch in Deinem Besitz! Du spielst nur den armen Mann. Du willst plötzlich einmal verschwinden, um dann anderswo in der Verborgenheit in Ruhe und Behaglichkeit leben zu können. Ich erkläre Dir daher zum letzten Mal heute: Lieferst Du mir nicht die Hälfte der Edelsteine aus, so gehe ich hin und zeige Dich an, daß Du geduldet hast, daß ein Unschuldiger ins Gefängnis wanderte, und daß Du als Zeuge einen Meineid leistetest, als Du angabst, Dir wäre Deine Diamantensammlung gestohlen worden. Und es waren doch nur die Imitationen, die Du zum Schutz gegen Diebe hattest anfertigen lassen. – Also zum letzten Mal: heraus mit der Hälfte, oder …!! – W.“

      „Daß dieses W. „Weinreich“ bedeutet, brauche ich wohl nicht hervorzuheben“, fuhr Schippel fort. „Nun zu der Frage, warum Sie diesen Brief, Herr Assessor Bellinger, im Schultheiß-Garten gegen einen anderen auswechselten. Als Weinreich dieses Schreiben tippte, wußten Sie beide noch nicht, daß Oltendorf verschwunden war. Kaum hatten Sie, Cesar Bellinger, Sie famoser Helfer und Beschützer aller Bedrängten, hiervon Kenntnis erhalten, als Sie sich auch schon sehr richtig sagten, daß Sie dieses gefährliche Schreiben, welches infolge Oltendorfs Verschwinden nur zu leicht in unrechte Hände geraten konnte, wieder ansichbringen müßten. Das taten sie dann auch. Aber im Auto heute nacht suchten Sie es wieder loszuwerden. So gelangte es in meine Tasche. Und als ich es mir vorhin in aller Eile ansah, als ich erkannte, daß ich es mit derselben fehlerhaften Schrift wie bei Malettas Briefen zu tun hatte, da sah ich mit einem Mal klar! Das Dunkel hatte sich gelichtet. – Nun – wie stellen Sie sich zunächst zu diesen Einzelheiten?“

      „Gar nicht! Alles Blödsinn!“ erwiderte Bellinger. Aber der Ton seiner Stimme war unsicher und zaghaft. Und die feinen Schweißperlen auf seiner Stirn mehrten sich zusehends.

      „Gut. Sie werden schon noch andere Saiten aufziehen“, meinte Schippel gelassen. „Wir kommen jetzt zu dem Vorfall im Vorstandszimmer. Vor einer Woche etwa hatte der Chemiker wieder einen Drohbrief erhalten. Er sollte gleich auf einmal mit 100 000 Mark rausrücken, sonst würde er gehängt werden, stand darin. – Ihr Mitschuldiger Weinreich hatte sich nun im Nebenhause des Klubgebäudes eine Dachkammer als Absteigequartier gemietet. Dort fand ich außer dem Dolchmesser auch die fehlerhafte Schreibmaschine, die auszuprobieren ich leider keine Zeit hatte. Hätte ich es getan, so würde ich schon vor neun Stunden gewußt haben, wer Maletta als Zitrone benutzte. 100 000 Mark sollte der Chemiker hergeben. Etwas viel auf einmal. Sie beide mußten sich sagen, daß es schon einer sehr kräftigen Art von Überredung bedürfen würde, um ihn gefügig zu machen. Daher haben Sie mit dem Professor verabredet, Maletta im Vorstandszimmer in eine Falle zu locken. Sie ließen den sehr muskulösen Weinreich über das Dach in das Klubhaus ein, versteckten ihn im Vorstandszimmer und schickten Scharfer dann zu Maletta, damit der Kommerzienrat das Opfer dem Henker zuführe. Sie hatten jedoch ebensowenig wie ihr Komplice wirklich die Absicht, den Chemiker