Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel

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Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075831101



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erinnert. Ich habe diese Vergangenheit durch Fleiß und durch meine Intelligenz glücklich ausgelöscht, nehme eine hochgeachtete Stellung ein, verkehre in den besten Kreisen! Soll vielleicht durch Dich all das zusammenstürzen, was ich mühsam errichtet habe, legst Du es darauf an, mich durch Deinen Besuch bloßzustellen?! Was willst Du – sprich!! Habt Ihr das Wild noch immer nicht genug gehetzt, kennt Ihr denn kein Erbarmen, Ihr Vampire, Ihr Bestien, Ihr … Schufte …!“

      Seine leise Stimme schnappte über. Ganz atemlos schwieg er jetzt, während seine rechte Hand ständig unter der Zeitung am Revolverkolben lag.

      Oltendorf sah nicht wie ein Mann aus, den man zu fürchten brauchte. Sein fahles, glattrasiertes, von Falten vielfach durchfurchtes Gesicht zeigte einen müden, fast verzweifelten Ausdruck, seine Haltung war die eines völlig gebrochenen Menschen.

      Zu den haßerfüllten Angriffen Malettas lächelte er jetzt traurig, zuckte die Achseln und erwiderte, indem er sich in den Klubsessel niederließ, den vorhin Schippel innegehabt hatte:

      „Immer wieder dasselbe Lied …!! Was soll ich mich noch verteidigen?! Du glaubst mir ja doch nicht! – Ich will Dir nicht schaden, Maletta, – so wahr mir Gott helfe. Ich gehe sofort wieder, habe nur eine Bitte an Dich …“

      „Sprich leiser!“ unterbrach der Chemiker ihn ärgerlich. „Hier haben die Wände Ohren …“ –

      Fünf Minuten später geleitete Maletta den Gast bis in den Flur.

      Als Thomas Schippel durch das Schlüsselloch beobachtet hatte, daß der Besuch aufbrach, war er schnell mit dem Diener von der Tür fortgeschlüpft und dann durch eine andere Tür in das Herrenzimmer geeilt, wo er glücklich den Brief erwischte, den der unbekannte Gast seines Dienstherrn durch Wilhelm hineingeschickt hatte. Er warf nur einen hastigen Blick auf die wenigen Worte:

      „Ich muß dich sprechen! Muß …!! Denk’ an Kimberley.

      Oltendorf“,

      und huschte wieder hinaus, indem er den Brief auf den Mitteltisch zurückwarf.

      Da trat auch schon Maletta ein, blieb in der Tür stehen und rief nach dem Diener.

      „Wilhelm – der Franz soll sofort zu mir kommen.“ –

      Schippel war wieder mit dem Chemiker allein. Aber er hatte doch noch Zeit gefunden, dem Diener zuzuraunen:

      „Hinter dem Manne her, der eben fortging … Ich beschäftige Maletta eine halbe Stunde …“ –

      Peter Maletta sagte zu Franz Schiller:

      „Es geht mir jetzt besser. Wir können die Sache nun weiter erörtern, von der wir vorhin sprachen.“

      Schippel merkte sehr bald, daß der Chemiker ihn nur gerufen hatte, um zu verhüten, daß der Fremde nicht etwa von „Franz Schiller“ verfolgt würde. Maletta redete eigentlich nur um das furchtbare Erlebnis sozusagen herum. Er wollte Schippel festhalten. Das war lediglich seine Absicht. Nach etwa fünf Minuten spielte er dann abermals den Erschöpften. Doch jetzt lag es in des Kriminalbeamten Interesse, daß der Chemiker ihn nicht fortschickte. Wilhelm mußte Zeit gelassen werden, seinen Auftrag auszuführen, während Maletta wieder nicht merken durfte, daß der Diener nicht anwesend war.

      Und daher erklärte Schippel nun sehr ernst:

      „Nehmen Sie sich noch einen Augenblick zusammen, Herr Doktor. Ich muß die Unterredung noch fortsetzen, da die Möglichkeit besteht, daß die Kriminalpolizei hier sehr bald erscheint.“

      Maletta wurde grün im Gesicht vor Schreck.

      „Was – wie – Kriminalpolizei …?! – Warum …?“

      „Scharfers wegen“, unterbrach Schippel den mühsam die Worte Hervorstotternden.

      Es entwickelte sich nun zwischen den Beiden ein Frage- und Antwortspiel, das von dem Chauffeur sehr geschickt endlos in die Länge gereckt wurde.

      Maletta war bald vor Ungeduld geradezu wütend.

      „Lassen Sie sich doch nicht jedes Wort wie mit der Zange herausziehen!!“ kreischte er. „Was soll das?! Wollen Sie mich denn vollends verrückt machen …!!“

      „Wozu die Aufregung, Herr Doktor?!“ meinte Schippel, den Beleidigten markierend. „Alles geschieht doch nur zu Ihrem Besten. Sie müssen sich doch darüber klar werden, ob Sie später vielleicht vor Gericht im Falle Scharfer einen Meineid leisten wollen. Die Polizei wird sicher schon wissen, daß der Kommerzienrat Ihren Mantel und Hut trug, als er ermordet wurde. Und sie wird dies natürlich sofort aufklären wollen. Unter diesen Umständen wäre es doch gut, wenn Sie sich rechtzeitig überlegten, was Sie auszusagen gedenken. Werden Sie wirklich den … den Selbstmordversuch verschweigen können, wo es sich jetzt doch um die Untersuchung eines Kapitalverbrechens handelt?“

      Maletta wollte etwas erwidern. Da wurde jedoch an die Tür geklopft. Der Diener trat ein und fragte, ob der Herr Doktor Kaffee wünsche.

      Schippel und Wilhelm tauschten einen schnellen Blick aus. – Maletta aber befahl, ihm den Kaffee in sein Arbeitszimmer zu stellen.

      Wilhelm verschwand. Und der Chemiker erklärte nun:

      „Ich werde mir noch überlegen, was ich sage und was ich nicht sage. Ich beabsichtige jedenfalls, nur die Fragen zu beantworten, die von der Polizei an mich gerichtet werden. – Sie aber, Schiller, geben mir Ihr Wort, zu schweigen!!“

      „Gern, – falls ich nicht gerade Zeuge oder dergleichen spielen muß.“

      „Wer sollte wohl auf Ihr Zeugnis Wert legen? Und worauf sollte sich dieses beziehen?!“ meinte der Chemiker ruhig. „So – und nun lassen Sie mich allein“, fügte er hinzu.

      Im Flur wartete Wilhelm auf Schippel. Schnell flüsterte er ihm zu:

      „Ich traf zufällig einen Bekannten, den Geheimpolizisten Mischke. Der ist nun hinter „ihm“ her.“

      Schippel nickte befriedigt und ging weiter.

      11. Kapitel

       Der Mann auf dem Dache

       Inhaltsverzeichnis

      Eginhard von Blendel und der Assessor hatten im Weinrestaurant Traube gut und reichlich gegessen, und Bellinger hatte dabei noch reichlicher getrunken.

      Während der üppigen Mahlzeit, die Blendel nachher für beide bezahlte, war zwischen ihnen abermals der Fall Lossen und auch der Mord an dem Kommerzienrat nach allen Seiten hin erörtert worden.

      Blendel war bei diesem Gespräch eingefallen, daß der Assessor vorher das Nachbargebäude des Klubhauses erwähnt und auch eine Bemerkung über das Dach des letzteren gemacht hatte.

      „Was wollten Sie eigentlich mit diesen Andeutungen, Bellinger?“ fragte er gespannt. „Dahinter steckt doch etwas Besonderes?“

      „Allerdings. – Ich kann Ihnen über die gestrige Nacht noch manches Interessante berichten. Ich hatte gleich gegen Scharfer Verdacht geschöpft, daß er entweder allein oder zusammen mit einem Komplicen den Chemiker aufgeknüpft hätte. Daher verschwand ich auch so schnell aus dem Kirgisenzelt. An den Mittäter Scharfers dachte ich nur deswegen, weil es mir doch sehr unwahrscheinlich vorkam, daß des Kommerzienrats Kräfte dazu genügt hätten, den betäubten Maletta in die Schlinge zu heben. Im weiteren Verfolg dieses Gedankens sagte ich mir, der Komplice könne dann nur, falls er nicht auch Mitglied des Klubs war, auf dem Wege über die Dächer in das Klubhaus gelangt sein, da das Gebäude ja nur den einen Vordereingang hat und Scharfer es wohl kaum gewagt haben würde, seinen Helfershelfer durch diesen hineinschlüpfen zu lassen. Ich wußte nun, daß es leicht war, vom Dache des Nebenhauses Nr. 17 auf das des Klubgebäudes zu kommen. Beide Dächer sind flach und liegen in einer Höhe. Ich habe mir von dort oben mal ein nächtliches Manöver eines Zeppelins über Berlin angesehen. – Mein erster Gang führte mich also auf den Hausboden. Ich erstieg die Treppen im Dunkeln, und sofort