Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman. Britta Winckler

Читать онлайн.
Название Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740912307



Скачать книгу

das Leben, das er gemeinsam mit der geliebten Frau genießen wollte.

      Nicht weniger undeutlich war aus seinen Worten aber auch herauszuhören gewesen, daß er dann möglicherweise entsprechende Konsequenzen ziehen würde.

      So hatte Sonja jedenfalls seine Worte aufgefaßt. Was das aber bedeutete, wußte sie – Roger würde sich von ihr wenden. Sie würde in einem solchen Fall zwar nicht den Vater des Kindes verlieren, der seinen väterlichen Pflichten ohne Zweifel nachkam, aber der Mann, den sie liebte, wäre für sie verloren.

      Seit Stunden dachte sie an das alles. »Nein«, flüsterte sie, »ich will ihn nicht verlieren.« Mit dieser Erkenntnis aber meldeten sich zwangsläufig andere Gedanken und Überlegungen, die Sonja erschreckten. Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr erschien ihr eine Schwangerschaftsunterbrechung als die einzige Lösung. Nur so, meinte sie, konnte sie verhindern, daß Roger sich von ihr abwandte.

      Ein Klopfen riß Sonja aus ihren schweren Gedanken. »Ja, bitte«, rief sie mit gepreßt klingender Stimme. »Ach, du bist es«, murmelte sie, als ihre Garderobiere, die sie überallhin mitnahm, den Raum betreten sah.

      »Wer sonst wohl?« gab die knapp 40jährige Frau zurück, die ein Zimmer des Appartements bewohnte, um immer in der Nähe der Sängerin zu sein. »Du meine Güte«, fuhr sie fort, »Sie sitzen ja immer noch hier, Frau Parvetti.« Trotz des Vertrauensverhältnisses, das sich im Laufe der Jahre zwischen ihr und der Sängerin entwickelt hatte, redete sie diese immer noch mit Sie an, wogegen Sonja schon seit langem das vertraut klingende Du gebrauchte.

      »Was soll ich sonst tun, Melanie?« entgegnete Sonja in fragendem Ton. »Gestern war mein letzter Auftritt hier in Frankfurt, und Roger ist nicht hier…«

      »Aber Sie könnten doch ausgehen, sich ein wenig unterhalten«, meinte Melanie Reimer. »Herr Steenwell wird das sicher verstehen.« Sie trat näher und sah die Sängerin prüfend an. »Was ist denn nur los mit Ihnen?« fragte sie. »Seit Tagen schon merke ich, daß Sie stiller geworden sind. Irgendwie grüblerisch.«

      »So? Merkt man das denn?« Sonja richtete sich ein wenig aus ihrer bequemen Stellung auf. »Das wollte ich nicht…«

      »Bedrückt Sie etwas, Frau Parvetti?« wurde die Garderobiere neugierig. »Stimmt vielleicht etwas nicht mit Herrn Steenwell?«

      Da Sonja darauf keine Antwort gab, ergriff Melanie Reimer erneut das Wort. »Ich finde, daß Sie keinen Grund haben, nicht nur zufrieden, sondern richtig glücklich zu sein«, sagte sie. »Ihr Vertrag ist ausgelaufen, Sie sind jemand, vor dem man den Hut zieht, der prominent ist, und Sie haben einen Mann, der Sie liebt und dessen Frau Sie ja in Kürze werden. Wenn dann erst Kinder…«

      »Hör auf, Melanie!« fiel Sonja ihrer Garderobiere heftig ins Wort.

      Melanie Reimer bekam runde Augen. »Um Gottes willen, Frau Parvetti, was haben Sie denn?« stieß sie fragend hervor. »Wollen Sie denn keine Kinder?«

      »Ich schon«, entfuhr es der Sängerin unbeherrscht. »Roger aber nicht. Dabei ist es schon...« Verlegen brach sie ab.

      Melanie Reimer wurde plötzlich hellhörig. »Heißt das, daß Sie bereits... bereits im Begriff sind, Mama zu werden?« fragte sie leise.

      Sonja Parvetti verspürte plötzlich den Drang, sich jemandem mitzuteilen. Weshalb nicht ihrer treuen Garderobiere, mit der sie schon jahrelang zusammen war? Ihr konnte sie vertrauen, wie es sich in all den früheren Zeiten gezeigt hatte. »Ja, Melanie, ich bin schwanger«, stieß sie hervor.

      »Das ist ja herrlich«, lachte die Garderobiere.

      »Eben nicht«, fuhr Sonja auf.

      »Das verstehe ich nicht«, gab Melanie Reimer verwundert zurück.

      Sonja Parvetti kämpfte einen ganz kurzen Kampf mit sich aus. »Melanie«, ergriff sie dann das Wort, »wir beide kennen uns schon lange und wissen, was wir voneinander zu halten haben. Ich muß einfach mit jemandem über das reden, was mich bedrückt.«

      »Ich bin eine gute Zuhörerin, Frau Parvetti, und kann außerdem schweigen wie ein Grab, wie Sie wissen«, erklärte die Garderobiere mit ernster Stimme.

      »Ja, das weiß ich.« Sonja sah ihre Vertraute fest an, gab sich einen inneren Stoß und erzählte dann ein wenig stockend von ihrem Problem, von ihren Sorgen und ihren Ängsten. »Ich will Roger aber nicht verlieren«, schloß sie mit leiser Stimme.

      Fast eine Minute lang war es still im Raum. Melanie Reimer mußte erst verarbeiten, was sie eben vernommen hatte. Hinter ihrer Stirn aber arbeitete es. Ihr erster spontaner Gedanke war, dieser Frau, die sie schätzte und wirklich gern mochte und die immer gut und großzügig gewesen war, irgendwie zu helfen. »Frau Parvetti«, ergriff sie Sekunden später das Wort, »ich bin auch eine Frau – und habe auch einmal einen Mann so geliebt, daß ich beinahe verzweifelt hätte, als er so früh aus dem Leben schied«, sagte sie mit leicht vibrierender Stimme. »Deshalb kann ich Sie sehr gut verstehen. Zugegeben, ich habe keine Kinder und bin auch nie in anderen Umständen gewesen, aber ich meine, daß Sie der Liebe den Vorrang geben sollten.«

      Sonja Parvetti zuckte zusammen, denn sie hatte den tieferen Sinn dieser Worte verstanden. Sie hatte sich ja selbst schon mit solchen Gedanken befaßt. »Du... du... meinst, daß ich…« Sie sprach nicht weiter. Fragend sah sie die Garderobiere an.

      »Dies ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, Herrn Steenwell nicht zu verlieren«, meinte Melanie Reimer. »Was glauben Sie, wieviel Frauen in der heutigen Zeit abtreiben lassen – aus welchen Gründen auch immer.«

      Über Sonjas Gesicht legte sich ein Schatten. Das eben genannte Wort weckte Widerwillen in ihr. »Du meinst damit einen Schwangerschaftsabbruch«, entgegnete sie mit leichtem Tadel.

      »Die einen nennen es so und die anderen so«, gab die Garderobiere lächelnd zurück.

      Sonja Parvetti überhörte diese Bemerkung. Ihre Gedanken gingen schon weiter. »Wenn ich nun… ich meine, wenn ich mich nun wirklich entschließen könnte...«, kam es dann aber etwas stockend über ihre Lippen, »… wer sollte mir dabei helfen?«

      »Ein Arzt, eine Klinik«, erwiderte Melanie Reimer.

      »Etwa hier in Frankfurt?« Sonja schüttelte den Kopf. »Nein, um Gottes willen, dann wüßte es bald die halbe Welt. Du weißt doch selbst, daß mich die Reporter nicht aus den Augen lassen.«

      »Das ist wahr«, räumte die Garderobiere ein. »Außerdem ist dabei noch zu bedenken, daß nicht jeder Arzt sich dafür hergibt, wenn nicht besondere Umstände vorliegen. Das aber ist nun einmal bei Ihnen nicht der Fall. Sie sind gesund und in der wirtschaftlichen Lage, die Ihnen erlaubt, zehn Kinder großzuziehen.« Nachdenklich starrte sie auf das Teppichmuster zu ihren Füßen.

      »Aber was soll ich denn nur tun?« klagte Sonja Parvetti leise.

      Melanie Reimer schien angestrengt nachzudenken. »Ich glaube, ich hab’s«, stieß sie dann plötzlich hervor. »Sie haben mir doch früher mal erzählt, daß Sie aus einem kleinen Ort da unten in Bayern stammen und dort sogar noch irgendwelchen Besitz haben.«

      »Das ist richtig«, bestätigte Sonja Parvetti. Sie erinnerte sich, daß sie irgendwann einmal davon gesprochen hatte, ohne allerdings Näheres erwähnt zu haben. Daß sie dort unten sogar ein Schloß besaß, das sie geerbt hatte und für dessen Unterhalt sie immer noch regelmäßig große Summen an einen Notar in Bad Tölz überwies, wußte Melanie natürlich nicht. Auch nicht, daß Sonja Parvetti nur ihr angenommener Künstlername war und sie in Wirklichkeit die Baronesse Selma von Angern war. Der einzige, der darüber etwas, sehr wenig, wußte, war Roger.

      »Na also«, meinte die Garderobiere. »Fahren Sie doch dorthin! Ich bin sicher, daß Sie auf dem Lande eher einen Arzt finden, der gegen ein entsprechendes Entgelt zur Hilfe bereit ist, ohne dabei gleich an Gesetze und Verordnungen zu denken.«

      »Aber dort unten kenne ich niemanden, und mich kennt auch kein Mensch«, wandte die Sängerin ein. »Als ich zwölf Jahre alt war, kam ich nach England in ein Internat, dann in die Schweiz und… na ja, und dann war ich überall in der Welt zu Hause, nur