Tausend und Ein Gespenst. Александр Дюма

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Название Tausend und Ein Gespenst
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
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meinige beruht daher auch auf einer Thatsache.

      – Auf einer Thatsache, welche Ihnen von Jemand erzählt worden ist, zu dem Sie Alles Vertrauen haben.

      – Auf einer Thatsache, die mir selbst begegnet ist.

      – Ah! Abbé, erzählen Sie uns.die Thatsache.

      – Mit Vergnügen. Ich bin in diesem Theile des Erbes der ehemaligen Könige geboren, den man heut zu Tage das Departement de l'Aisne nennt und den man ehedem Isle-de-France nannte; mein Vater und meine Mutter bewohnten ein kleines Dorf mitten im Walde von Villers-Cotterets, Fleury genannt. Vor meiner Geburt hatten meine Eltern bereits fünf Kinder gehabt, drei Knaben und zwei Mädchen, die Alle gestorben waren; es ging daraus hervor, daß meine Mutter, als sie sich mit mir schwanger sah, das Gelübde that, mich bis zum Alter von sieben Jahren weiß zu kleiden, und mein Vater eine Wallfahrt nach Notre-Dame de Liesse gelobte.

      Diese beiden Gelübde sind in der Provinz nicht selten, und es fand zwischen ihnen eine directe Verbindung statt, da das Weiße die Farbe der Jungfrau ist, und unter Notre-Dame de Liesse Niemand anders gemeint ist, als die Jungfrau Maria.

      Unglücklicher Weise starb mein Vater während der Schwangerschaft meiner Mutter; aber meine Mutter, welche eine fromme Frau war, beschloß nichts desto weniger das Gelübde in seiner ganzen Strenge zu erfüllen; gleich nach meiner Geburt wurde ich von Kopf bis zu den Füßen weiß gekleidet, und sobald sie gehen konnte, unternahm meine Mutter zu Fuß die heilige Wallfahrt, wie sie gelobt worden war.

      Glücklicher Weise lag Notre-Dame de Liesse nur fünfzehn Stunden weit von dem Dorfe Fleury; in drei Tagereisen hatte meine Mutter den Bestimmungsort erreicht.

      Dort verrichtete sie ihre Andacht und empfing aus den Händen des Pfarrers eine silberne Medaille, welche sie mir um den Hals hing.

      Dank diesem doppelten Gelübde war ich von allen Unfällen der Jugend befreit, und als ich das Alter der Vernunft erreicht hatte, fühlte ich mich, entweder als Resultat der religiösen Erziehung, die ich erhalten, oder durch den Einfluß der Medaille, zu dem geistlichen Stande hingezogen; nachdem ich meine Studien in dem Seminar von Soissons vollendet, verließ ich dasselbe im Jahre 1780 als Priester, und wurde als Pfarrverweser nach Etampes gesandt.

      Der Zufall wollte, daß ich an der der vier Kirchen von Etampes angestellt wurde, welche der Mutter Gottes gewidmet ist.

      Diese Kirche ist eines der wundervollen Monumente, welche die romanische Epoche dem Mittelalter hinterlassen hat. Von Robert dem Starken gegründet, wurde sie erst im zwölften Jahrhundert beendigt; sie hat noch heut zu Tage bewunderungswürdige Fensterscheiben, welche zur Zeit ihrer Erbauung wundervoll mit der Malerei und der Vergoldung harmoniren mußten, welche ihre Säulen bedeckten und die Kapitaler derselben schmückten.

      Schon als Kind hatte ich diese Wundervillen Blumen von Granit sehr geliebt, welche der Glaube von dem zehnten bis zum sechszehnten Jahrhunderte aus der Erde hat hervorgehen lassen, um den Boden von Frankreich, dieser erstgebornen Tochter Roms, mit einem Walde von Kirchen zu bedecken, und der aufhörte, als der von dem Gifte Luthers und Calvins getödtete Glauben in dem Herzen erstarb.

      Ich hatte als kleines Kind in den Ruinen der Sanct-Johanneskirche zu Soissons gespielt; – ich hatte meine Augen an den Gebilden aller dieser Gesimse erfreut, welche versteinerte Blumen zu sein scheinen; so daß ich, als ich Notre-Dame von Etampes sah, glücklich war, daß der Zufall oder vielmehr die Vorsehung mir, der Schwalbe, ein solches Nest, mir, dem Acyon, ein solches Schiff gegeben hatte.

      Die glücklichsten Augenblicke waren daher für mich auch die, welche ich in der Kirche zubrachte. Ich will nicht sagen, daß ein rein religiöses Gefühl mich darin zurückhielt; nein, es war ein Gefühl des Wohlseins, das mit dem des Vogels verglichen werden kann, den man aus der Luftpumpe, aus welcher man angefangen hat die Luft zu ziehen, heraus nimmt, um ihn dem Raums und der Freiheit wiederzugeben. Mein Raum war der, welcher sich von dem Portale nach dem Chore erstreckte; meine Freiheit war die: zwei Stunden lang auf einem Grabe kniend oder an eine Säule gelehnt zu träumen. – Worüber träumte ich? zuverlässig nicht über irgend eine theologische Spitzfindigkeit; nein, es war der ewige Kampf des Guten und des Bösen, welcher den Menschen seit dem Tage des Sündenfalles hin und herzieht; ich träumte von den schönen Engeln mit weißen Flügeln, von den abscheulichen Dämonen mit rothen Gesichtern, welche bei jedem Sonnenstrahle an den Fensterscheiben funkelten, die einen von dem himmlischen Feuer strahlend, die andern in dem Feuerpfuhle der Hölle flammend. Kurz, die Kirche unserer lieben Frau war meine Wohnung; – dort lebte, dachte, betete ich. Das kleine Pfarrhaus, das man mir gegeben, war nur mein Absteigequartier, ich aß und schlief dort, sonst Nichts,.

      Dabei verließ ich oft meine schöne Kirche erst um Mitternacht oder um ein Uhr Morgens.

      Man wußte das. – Wenn ich nicht im Pfarrhause war, so war ich in der Kirche. – Man suchte, und fand mich dort.

      Eingeschlossen in dieses Heiligthum der Religion und besonders der Poesie, wie ich es war, gelangten von den Gerüchten der Welt sehr wenige bis zu mir.

      Unter diesen Gerüchten gab es eines, das Jedermann, groß und klein, Geistliche und Laien interessirte. Die Umgegend von Etampes ward durch die Unternehmungen eines Nachfolgers oder vielmehr eines Nebenbuhlers von Cartousche und von Poulailler in Schrecken verseht, der, was die Vermessenheit anbetrifft, in die Fußtapfen seiner Vorgänger treten zu müssen schien. Dieser Räuber, der sich an Allem vergriff, aber besonders an den Kirchen, nannte sich Artifaille.

      Etwas, das mir noch eine besondere Aufmerksamkeit auf die Unternehmungen dieses Räubers verlieh, war, daß seine Frau, welche in der untern Stadt von Etampes wohnte, eines meiner fleißigsten Beichtkinder war. Eine wackere und würdige Frau, für welche das Verbrechen, in welches ihr Gatte versunken war, ein Gewissensbiß war, und die, indem sie sich als Gattin vor Gott verantwortlich hielt, ihr Leben in Gebeten und in Beichten in der Hoffnung zubrachte, durch ihre frommen Werke die Gottlosigkeit ihres Gatten zu mildern.

      Was ihn anbetrifft, so war er, wie ich Ihnen gesagt habe, ein Räuber, der weder Gott noch den Teufel fürchtete, indem er behauptete, daß die Gesellschaft schlecht eingerichtet und daß er auf die Erde gesandt wäre, um sie zu verbessern; daß durch ihn sich das Gleichgewicht in den Vermögensumständen herstellen würde, und daß er nur der Vorbote einer Secte wäre, die man eines Tages erscheinen sehen und die das predigen würde, was er in Ausübung setzte, nämlich die Gemeinschaft der Güter.

      Zwanzig Male war er gefangen genommen und in das Gefängniß geführt worden; aber fast immer hatte man in der zweiten oder in der dritten Nacht das Gefängniß leer gefunden; da man nicht wußte, wie man sich Rechenschaft über diese Einweichung ablegen sollte, so sagte man, daß er das Kraut gefunden hätte, welches das Eisen durchschneidet.

      Es gab also etwas Wunderbares, das sich an diesen Manne fesselte.

      Was mich anbetrifft, so gestehe ich, daß ich nur dann daran dachte, wenn seine arme Frau zu mir in die Beichte kam, indem sie mir ihre Schrecken gestand und mich um meinen Rath fragte.

      Dann rieth ich ihr, wie Sie wohl begreifen werden, ihren ganzen Einfluß auf ihren Gatten anzuwenden, um ihn auf den guten Weg zurückzuführen. Aber der Einfluß der armen Frau war sehr schwach. Es blieb ihr daher nur die ewige Zuflucht zur Gnade, welche das Gebet vor dem Herrn eröffnet.

      Das Osterfest des Jahres 1783 nahte heran. Es war in der Nacht vom Donnerstag auf den Charfreitag. Ich hatte am Donnerstage eine große Anzahl von Beichten gehört, und gegen acht Uhr Abends fühlte ich mich dermaßen erschöpft, daß ich in dem Beichtstuhle eingeschlafen war.

      Der Messner hatte mich eingeschlafen gesehen; da er aber meine Gewohnheiten kannte und wußte, daß ich einen Schlüssel zu der kleinen Kirchenthüre bei mir trug, so hatte er nicht einmal daran gedacht mich zu wecken; das, was mir an diesem Abende begegnete, war mir Hundert Male begegnet.

      Ich schlief also, als ich mitten in meinem Schlummer etwas wie ein doppeltes Geräusch erschallen fühlte.

      Das eine war der Klang des ehernen Hammers, der die Mitternachtsstunde schlug.

      Das andere war das Knarren eines Schrittes auf den Steinplatten.

      Ich öffnete die Augen und schickte mich an den Beichtstuhl