Der Schatz im Silbersee. Karl May

Читать онлайн.
Название Der Schatz im Silbersee
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Серия
Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
isbn



Скачать книгу

mein Bändiger den Panther in die Schule genommen und erklärt jetzt, zum erstenmal öffentlich zu ihm in den Kasten gehen und sich neben ihm niedersetzen zu wollen, falls ihr ihm eine entsprechende Gratifikation zusagt.«

      Der Bändiger war ein starker, außerordentlich muskulöser Mensch mit einem ungewöhnlich selbstbewußten Zuge im Gesicht. Er war jedenfalls vom Gelingen seines Vorhabens vollständig überzeugt, wie seine gegenwärtige zuversichtliche Miene bewies.

      Der Panther hatte sich über seine Mahlzeit hergemacht, deren Knochen zwischen seinen Zähnen wie Pappe zermalmt wurden. Er schien nur auf seinen Fraß zu achten, und so konnte wohl selbst der Laie der Ansicht sein, daß es keine große Gefahr auf sich habe, gerade jetzt den Käfig zu betreten.

      Kein andrer als der vorhin am ängstlichsten war, nämlich der kleine, bebrillte Gelehrte, antwortete enthusiasmiert: »Das würde herrlich sein, Sir! Ein Bravourstück, für welches man schon etwas zahlen kann. Wieviel will der Mann denn haben?«

      »Hundert Dollar?«

      »Hm! Ist das nicht zu viel?«

      »Nein, sondern viel zu wenig, Sir. Die Gefahr, in welche er sich begibt, ist nicht gering, da er des Tieres erst kaum halb sicher ist.«

      »So! Nun, ich bin nicht reich. Fünf Dollar aber steuere ich bei. Mesch‘schurs, wer zahlt noch etwas?«

      Es meldeten sich so viele, daß die Summe zusammenkommen mußte. Man hatte nun einmal begonnen, und so sollte das Schauspiel auch völlig ausgekostet werden. Selbst der Kapitän wurde erregt und bot Wetten an.

      »Sir,« warnte ihn Old Firehand, »begeht keinen Fehler! Ich bitte Euch, das Wagnis nicht zuzugeben. Gerade weil der Mann des Tieres noch nicht sicher ist, habt Ihr die Verpflichtung, Einspruch zu erheben.«

      »Einspruch?« lachte der Kapitän. »Pshaw! Bin ich etwa der Vater oder die Mutter des Bändigers? Habe ich ihm Befehle zu erteilen? Hier in diesem gesegneten Lande hat jedermann das Recht, seine Haut zu Markte zu tragen, ganz wie es ihm beliebt. Wird er von dem Panther gefressen, nun, so ist das seine und des Panthers Sache, nicht aber die meinige. Also, Gentlemen, ich behaupte, daß der Mann nicht so heil wieder herauskommt, wie er hineingeht, und setze hundert Dollar. Wer geht darauf ein? Zehn Prozent der Gewinne soll der Bändiger noch extra erhalten.«

      Dieses Beispiel elektrisierte. Es wurden mehrere Wetten zu nicht unbedeutenden Beträgen abgeschlossen, und es stellte sich heraus, daß dieselben dem Bändiger, falls sein Wagnis gelingen sollte, gegen dreihundert Dollar einbringen mußten.

      Es war nicht gesagt, ob der Tierbändiger dabei bewaffnet sein solle. Er holte seinen Totschläger, eine Peitsche, deren Knauf eine Explosionskugel enthielt. Griff das Tier ihn an, so bedurfte es nur eines kräftigen Hiebes seinerseits, den Panther augenblicklich zu töten.

      »Ich traue selbst einem solchen Totschläger nicht,« sagte Old Firehand zu dem schwarzen Tom. »Ein Feuerwerkskörper wäre praktischer, da das Tier durch denselben zurückgeschreckt würde, ohne doch getötet zu werden. Doch thue jeder nach seinem Wohlgefallen. Ich will‘s loben, aber erst dann, wenn es gelungen ist.«

      Jetzt hielt der Bändiger eine kurze Ansprache an das Publikum, und wendete sich dann gegen den Käfig. Er öffnete die schweren Riegel und schob darauf das schmale Gitter, welches die ungefähr fünf Fuß hohe Thür bildete, zur Seite. Um einzutreten, mußte er sich bücken. Dabei bedurfte er beider Hände, um die Thür zu halten, und dann, wenn er sich im Käfige befand, wieder zu schließen; deshalb hatte er den Totschläger zwischen die Zähne genommen und war also, wenn auch nur für diesen kurzen Augenblick, wehrlos. Zwar war er schon oft bei dem Tiere im Käfige gewesen, aber unter ganz andern Umständen. Da war dasselbe nicht tagelang im Dunkeln gewesen; es hatten sich nicht so viele Menschen in der Nähe befunden, und es hatte auch nicht das Stampfen der Maschine und das Rauschen und Brausen der Räder gegeben. Diese Umstände waren weder von dem Menageriebesitzer noch von dem Bändiger genug in Betracht gezogen worden, und nun zeigten sich die Folgen.

      Als der Panther das Geräusch des Gitters hörte, drehte er sich um. Eben schob der Bändiger den gesenkten Kopf herein — eine geradezu gedankenschnelle Bewegung des Raubtieres, ein blitzähnliches Aufzucken, und es hatte den Kopf, aus dessen Mund der Totschläger fiel, im Rachen und zerkrachte ihn mit einem einzigen Bisse in Splitter und zu Brei.

      Das Geschrei, welches sich in diesem Augenblicke vor dem Käfige erhob, spottete jeder Beschreibung. Alles sprang auf und rannte zeternd davon. Nur drei blieben, der Menageriebesitzer, Old Firehand und der schwarze Tom. Der erstere wollte die Thür des Käfigs zuschieben, aber dies war unmöglich, da die Leiche sich halb in demselben und halb außerhalb befand. Dann wollte er den Toten bei den Beinen fassen und herausziehen.

      »Um Gottes willen, das nicht.« rief Old Firehand. »Der Panther käme hinterdrein. Schiebt den Körper vollends hinein, er ist nun doch tot. Dann geht die Thüre zu!«

      Der Panther lag vor der kopflosen Leiche. Die Knochensplitter im blutig geifernden Rachen, hielt er die funkelnden Augen auf seinen Herrn gerichtet. Er schien die Absicht desselben zu erraten, denn er brüllte zornig auf und kroch auf der Leiche vor, dieselbe durch die Schwere seines Körpers festhaltend. Sein Kopf war nur noch wenige Zoll von der Thüröffnung entfernt.

      »Fort, fort! Er kommt heraus!« rief Old Firehand. »Tom, Ihr Gewehr! Ihr Gewehr! Ein Revolver würde das Übel nur ärger machen!«

      Der schwarze Tom sprang nach seiner Büchse.

      Von dem Augenblicke, in welchem der Bändiger den Käfig betreten hatte, bis zum gegenwärtigen waren kaum zehn Sekunden vergangen. Niemand hatte noch Zeit gefunden, sich vollständig in Sicherheit zu bringen. Das ganze Deck bildete einen Wirrwarr von fliehenden und vor Angst schreienden Personen. Die Thüren nach den Kajüten und den Unterdecks waren verstopft. Man duckte sich hinter Fässern und Kisten nieder und sprang doch wieder auf, weil man sich da nicht vollständig sicher fühlte.

      Der Kapitän war nach seiner Kommandobrücke gerannt und stieg dieselbe empor, drei und vier Stufen auf einmal nehmend. Old Firehand folgte ihm. Der Menageriebesitzer flüchtete sich nach der Hinterwand des Käfigs. Der schwarze Tom rannte nach seinem Gewehre. Unterwegs fiel ihm ein, daß er das Beil mit demselben zusammengebunden hatte und es also nicht augenblicklich gebrauchen könne. Er blieb also bei den beiden Indianern, an denen er vorübergewollt hatte, stehen und riß dem alten Bär die Flinte aus der Hand.

      »Ich selbst schießen,« sagte dieser, seine Hand nach der Waffe ausstreckend.

      »Laß mich!« herrschte der Bärtige ihm zu »Ich schieße jedenfalls besser als du!«

      Er drehte sich nach dem Käfig um. Der Panther hatte diesen soeben verlassen, hob den Kopf und brüllte. Der schwarze Tom legte an und drückte ab. Der Schuß krachte, aber die Kugel traf nicht. Hastig riß er nun auch dem jungen Indianer die Flinte aus der Hand und gab die Ladung derselben auf das Tier ab — mit demselben Mißerfolge.

      »Schlecht schießen. Gewehr nicht kennen,« sagte der alte Bär so ruhig, als ob er in seinem sicheren Wigwam beim Braten sitze.

      Der Deutsche beachtete diese Worte nicht. Er warf die Flinte weg und eilte weiter nach vorn, wo die Gewehre der Leute des Cornel lagen. Diese Gentlemen hatten keine Lust gehabt, den Kampf mit dem Tiere aufzunehmen, sondern sich schleunigst versteckt.

      Da ertönte in der Nähe der Kommandobrücke ein entsetzlicher Schrei. Eine Dame wollte sich auf dieselbe flüchten. Der Panther sah sie eben, als das erwähnte Brüllen beendet war. Er duckte sich nieder und sprang dann in langen, weiten Sätzen auf sie zu. Sie sah es und stieß jenen Schrei aus. Sie befand sich noch unten, während Old Firehand auf der fünften oder sechsten Stufe stand. Im Nu hatte er sie erfaßt, schwang sie zu sich empor und hob sie mit starken Armen über sich hinauf, wo der Kapitän sie an sich nahm. Das war das Werk von zwei Augenblicken gewesen, und nun befand sich der Panther an der Brücke. Er setzte die beiden Vordertatzen auf eine der Stufen und zog schon den Körper zusammen, um sich empor und auf Old Firehand zu schnellen. Dieser versetzte ihm mit aller Gewalt einen Fußtritt auf die Nase und feuerte ihm dann die noch übrigen drei Kugeln seines Revolvers gegen den Kopf.

      Diese Art der Abwehr war eigentlich eine