Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band. Hugo Friedländer

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Название Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band
Автор произведения Hugo Friedländer
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Год выпуска 0
isbn 9783754958056



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Das weiß ich nicht.

      Der Zeuge bekundete im weiteren auf Befragen: Direktor Schellmann sei wohl den Beamten gegenüber sehr streng gewesen, es sei aber doch auszukommen mit ihm gewesen.

      Vert.: Ist es richtig, daß Sie einmal geäußert haben: Direktor Schellmann sei in Brauweiler so gefürchtet, daß, wenn Schellmann zu Hause sei, die Spatzen sich zu zwitschern fürchten?

      Zeuge: Davon weiß ich nichts.

      Vert.: Der Zeuge ist, als er das letztemal hier als Zeuge erschienen war, in meinem Bureau gewesen und hat sich Zeugengebühren erbeten. Bei dieser Gelegenheit hat er mir das erzählt.

      Vors.: Nun, Esser, ist das richtig?

      Zeuge: Ich erinnere mich darauf nicht.

      Vert.: Ich erkläre, daß meine Mitteilung vollständig wahr ist.

      Vors.: Das glaube ich schon.

      Im weiteren bekundete der Zeuge auf Befragen: Es sei Leuten, die zur Cachotte verurteilt waren, einige Male die Zwangsjacke angelegt worden. Die Zwangsjacke bestand aus Leder und ließ sich derartig zuziehen, daß der Mann kaum noch atmen konnte. Schienen habe die Zwangsjacke, die er angelegt, nicht gehabt. Der Arzt wurde nicht gefragt, ob die Zwangsjacke angelegt werden dürfe. Er habe aus eigenem Antriebe die Zwangsjacke etwas gelockert, damit der Mann nicht ersticken konnte.

      Angekl.: Ist es richtig, daß den Arrestanten beim Anlegen der Zwangsjacke auf die Knie getreten wurde, um die Zwangsjacke fester anziehen zu können?

      Zeuge: Davon ist mir nichts bekannt.

      Vors.: War bei dem Anlegen der Zwangsjacke stets ein Oberaufseher dabei?

      Zeuge: Jawohl.

      Auf ferneres Befragen bekundete Aufseher Esser noch: Es sei allerdings nicht immer in den Arbeitssälen genügend warm gewesen. Die Säle konnten nicht so sehr geheizt werden, da dabei der Etat genau berücksichtigt werden mußte.

      Meister Versteegen stellte in Abrede, daß er den Schlosser Ermanns aufgefordert habe, einem verstorbenen Arrestanten die Fußschellen abzumeißeln.

      Schlosser Ermanns, nochmals als Zeuge vernommen, hielt seine Bekundung mit voller Entschiedenheit aufrecht. Er wiederholte: Aufseher Esser habe Schlosser Kehrmann, als einmal ein furchtbares Geheul aus einer Zelle ertönte, aufgefordert, dem Insassen eins auf den Kopf zu geben. Ob Kehrmann dies getan, wisse er nicht.

      Esser, der hierauf dem Ermanns gegenübergestellt wurde, bestritt wiederholt ein solches Vorkommnis.

      Lazarettaufseher Weber: Vor etwa sieben Jahren wurden Arrestanten bisweilen Fußschellen angelegt. Es sei aber niemals vorgekommen, daß Kranke oder Verstorbene mit Fesseln in das Lazarett gekommen seien. Er habe niemals wahrgenommen, daß Kranke an Entkräftung infolge Kostentziehung gestorben seien.

      Schreinermeister Valentin: Werkmeister Wessel sei ein sehr tüchtiger, ordentlicher Mann und durchaus kein Trunkenbold gewesen.

      Aufseherin Scharf: Wessel habe sich beschwert, daß der Mann, der in Brauweiler nach ihm mit dem Meißel geworfen, von dem Direktor nur mit sechs Wochen Arrest bestraft worden sei.

      Dasselbe bekundete Werkmeister Derichs.

      Dieser Zeuge bekundete noch auf Befragen: Es werde in Brauweiler von keinem Häusling mehr Arbeit verlangt, als er zu leisten imstande sei. Jeder Arbeiter müsse in der Freiheit doppelt soviel leisten, als von den Häuslingen in Brauweiler in der dritten Klasse verlangt werde.

      Vert.: Wie erklärt es sich alsdann der Zeuge, daß kein Häusling wieder noch Brauweiler zurück will?

      Zeuge: Darüber kann ich allerdings keinen Aufschluß geben. Der Zeuge bekundete im weiteren: Direktor Schellmann habe jede Beschwerde von den Häuslingen sofort entgegengenommen und streng untersagt, einen Häusling zu schlagen. Direktor Schellmann habe jede Ohrfeige mit mindestens fünf Mark geahndet. »Direktor Schellmann ist ein sehr strenger, aber ebenso gerechter Mann, ich kann nur sagen, daß ich Herrn Direktor Schellmann zu großem Dank verpflichtet bin.« (Heiterkeit im Zuhörerraum.)

      Ferner sagte der Zeuge auf Befragen: Es sei unwahr, daß, wie vom Angeklagten behauptet wird, der Häusling Lander 482mal bestraft worden sei. Lander sei allerdings furchtbar faul und frech gewesen und habe oftmals die Arbeit verweigert. Einen anderen Häusling, namens Schäfer, hatte er (Zeuge) im starken Verdacht, daß dieser den Politurspiritus trinke. Im weiteren Verlauf bemerkte Direktor Schellmann, daß der englische Zeitungskorrespondent Politt sich etwa eine Stunde in Brauweiler aufgehalten habe. Er habe dem Engländer die Hauptbetriebe gezeigt – die ganze Anstalt zu zeigen, hätte mindestens drei Stunden in Anspruch genommen.

      Am vierten Verhandlungstage bekundete Materialienverwalter Strunk als Zeuge: Er habe mit dem Werkmeister Wessel oftmals Differenzen gehabt. Wessel habe mehrfach über die Frechheit und Faulheit des Epileptikers Schäfer geklagt, »der gar nicht genug bestraft werden könne.« Wessel habe auch vielfach auf die Häuslinge geschimpft und sie sehr barsch behandelt, so daß es ihn (den Zeugen) gewundert habe, daß sich nicht mehrere Häuslinge an Wessel vergriffen haben. Geschlagen habe Wessel die Häuslinge nicht. Direktor Schellmann sei sehr streng, aber gerecht.

      Es wurde alsdann der 21jährige Untersuchungsgefangene Jaffka vorgeführt. Dieser hatte sich vor dem Kölner Schwurgericht wegen vorsätzlicher Brandstiftung zu verantworten. Er bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Er sei im Juni d.J. nach Brauweiler gekommen. Die Arbeit, die er dort zu verrichten hatte, sei zu bewältigen gewesen. Das Essen und auch die Bekleidung sei gut gewesen, mißhandelt sei er in Brauweiler nicht worden, er habe aber einige Male beobachtet, daß Aufseher andere Häuslinge gestoßen und geschlagen haben. Er sei aus Brauweiler entwichen, um wieder in der Freiheit zu sein.

      Vors.: Haben Sie gesagt, Sie wollen lieber ins Zuchthaus, als nach Brauweiler zurück?

      Zeuge: Das habe ich gesagt.

      Vors.: Wie kamen Sie zu dieser Bemerkung, Sie wissen doch noch nicht, wie es im Zuchthause ist? Der Zeuge schwieg.

      Vors.: Haben Sie das von anderen Häuslingen gehört?

      Zeuge: Ja.

      Auf Befragen des Verteidigers bekundete der Zeuge: Als er die Brandstiftung beging, sei er in Gefahr gewesen, wieder ergriffen und nach Brauweiler zurückgebracht zu werden, deshalb habe er den Schober in Brand gesteckt.

      Direktor Schellmann: Als der Zeuge eingeliefert wurde, sagte er ihm, daß er Gärtner sei, aber die Gärtnerei nicht ordentlich gelernt habe. Er (Schellmann) habe dem Zeugen gesagt, daß er ihn gründlich in der Gärtnerei werde ausbilden lassen.

      Der Zeuge gab dies als richtig zu.

      Hilfsaufseher Korte: Ihm sei es nicht bekannt, daß ein Hilfsaufseher einmal plötzlich entlassen worden sei. Die Hilfsaufseher werden von dem Direktor Schellmann ebenso wie Aufseher behandelt.

      Werkmeister Faßbender: Das Arbeitspensum in seiner Station wurde von 2/3 der Häuslinge um 1/3 überschritten. Auch in anderen Stationen werde das Pensum vielfach überschritten. Jedenfalls sei das Pensum in Brauweiler im allgemeinen um etwa 1/3 geringer als das übliche Pensum der freien Arbeiter. Es bestehe in Brauweiler der strikte Befehl, daß die Häuslinge nicht geschlagen werden dürfen. Er könne über Direktor Schellmann absolut nicht klagen, er habe niemals von ihm einen Verweis erhalten.

      Es erschien alsdann als Zeugin die 30jährige Korrigendin Anna Kranen: Sie sei das erste Mal zehn Monate in Brauweiler gewesen und sei einige Male wegen Widerspenstigkeit bestraft worden. Ein zweites Mal sei sie zwei Jahre in Brauweiler gewesen. Sie sei mit Nähen beschäftigt gewesen und habe das Pensum gut bewältigen können. Sie habe täglich 30 Hemden und 120 Knopflöcher und Knöpfe mit der Hand nähen müssen. Sie sei einmal von der Aufseherin aufgefordert worden, Staub auf dem Flur zu wischen. Sie habe jedoch der Aufseherin erwidert, daß sie nur zu nähen brauche. Die Aufseherin habe sie deshalb »Saumensch« geschimpft,