Название | Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band |
---|---|
Автор произведения | Hugo Friedländer |
Жанр | |
Серия | |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754958056 |
Der Gerichtshof beschloß, dem Antrage des Verteidigers stattzugeben.
Der Vorsitzende teilte hierauf mit, daß der Arzt der Königlichen Regierung, Medizinalrat Dr. Meyhöfer die Bitte geäußert habe, der Verhandlung beiwohnen zu dürfen. Der Vorsitzende genehmigte sofort dies Gesuch.
Es wurde alsdann der bereits vorhandelte Fall Szaplewski erörtert. Bekanntlich ergab die Verhandlung gegen den früheren Aufseher, Bauwächter Szaplewski, daß dieser den 63jährigen Häusling Haarhaus bei Gelegenheit der Zuckerkampagne in Jülich wegen schlechten Bettmachens so furchtbar mit dem Säbel auf den Kopf geschlagen hatte, daß der Häusling stark blutete und mehrere liefe Löcher im Kopfe hatte. Szaplewski wurde deshalb bekanntlich zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Haarhaus: Er habe infolge der erlittenen Verwundung sich den Kopf verbinden und lange Zeit in dieser Weise arbeiten müssen; auch die Heilung habe lange Zeit gedauert.
Vors.: Als Sie nach Brauweiler zurückkamen, hatten Sie da auch noch den Kopf verbunden?
Zeuge: Jawohl.
Vors.: Haben Sie sich der Mißhandlung wegen bei Herrn Direktor Schellmann beschwert?
Zeuge: Nein.
Vors.: Weshalb taten Sie das nicht?
Zeuge: Weil ich Furcht hatte, daß es mir dann noch schlechter gehen würde.
Schellmann: Es sei nicht möglich, daß Haarhaus mit verbundenem Kopfe nach Brauweiler zurückgekommen sei, er hätte dies sonst zweifellos wahrgenommen. Die Personalakten ergeben lediglich, daß der Zeuge einmal wegen Schwäche einige Tage im Lazarett war.
Vert.: Wie war die Kost in Brauweiler?
Haarhaus: In Brauweiler war sie schlecht und zu wenig, in Jülich war sie besser.
Vors.: Die Kost in Brauweiler war auch nicht ausreichend?
Zeuge: Man bekam in Brauweiler so wenig zu essen, daß, wenn ich noch vierzehn Tage in Brauweiler hätte bleiben müssen, ich vor Entkräftung gestorben wäre. Ich war gar zu schwach.
Rechtsanwalt Gammersbach: Wie war denn die Beköstigung im Lazarett?
Zeuge: Die war gut.
Aufseher Wenner bekundete noch, daß er mehrfach, vor einiger Zeit sogar mit einer Rübengabel von Häuslingen bedroht worden sei. Er habe die Mißhandlung des Szaplewski nicht zur Anzeige gebracht, sondern diesem nur gesagt, daß er es im Wiederholungsfalle tun werde. Es sei ein alter Befehl, die Häuslinge nicht zu schlagen, dieser Befehl werde auch von Zeit zu Zeit erneuert.
Vert. Rechtsanwalt Östreich: Herr Direktor Schellmann, weshalb haben Sie, als Sie von der von Szaplewski verübten Mißhandlung hörten, nicht Anzeige erstattet?
Schellmann: Ich erfuhr von dieser Mißhandlung erst nach zwei Jahren. Inzwischen war sowohl Szaplewski als auch der betr. Häusling längst entlassen.
Staatsanwalt: Szaplewski war, als Schellmann von der Mißhandlung erfuhr, nicht mehr Beamter. Schellmann hatte infolgedessen weder Veranlassung, noch war er verpflichtet, Anzeige zu machen.
Vert.: Ich habe aus folgendem Grunde die Frage gestellt: Herr Direktor Schellmann zeigte den Fall Szaplewski nicht an. Als wir jedoch Szaplewski als Zeugen vorschlugen, erstattete Schellmann Anzeige, um einen unbequemen Zeugen unglaubhaft zu machen.
Staatsanwalt: Ich bin der Meinung, daß das ins Plädoyer gehört.
Rechtsanwalt Gammersbach: Ich bitte festzustellen, daß, als Direktor Schellmann von der Szaplewskischen Mißhandlung erfuhr, er den Namen des betreffenden Häuslings nicht kannte. Es steht in den Akten bloß: »ein Häusling«.
Aufseher Esser: Die Häuslinge wußten, daß sie sich beschweren können. Direktor Schellmann habe alle Beschwerden mit Ruhe angehört.
Vors.: Wenn Sie glauben, durch Beantwortung einer Frage sich einer strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen, haben Sie das Recht, Ihr Zeugnis zu verweigern. Wenn Sie aber antworten, dann müssen Sie die volle Wahrheit sagen. Sie sollen einmal mit dem Häusling Schlosser Kehrmann bei einer Arrestzelle vorübergekommen sein; da soll ein Insasse heftig geschrien und Sie darauf zu Kehrmann gesagt haben: Geben Sie doch dem Kerl eins auf den Kopf, damit er ruhig wird.
Zeuge: Davon weiß ich nichts.
Vors.: Wissen Sie, daß ein Mann in der Arrestzelle gestorben ist, der als Leiche mit Fußschellen gefesselt war?
Zeuge: Das weiß ich nicht.
Vors.: Wurden die Häuslinge von den Aufsehern geschlagen?
Zeuge: Nein.
Vors.: Wurden nicht die in der Cachotte befindlichen Arrestanten geschlagen?
Zeuge: Ja, die Arrestanten erhielten bisweilen Ohrfeigen.
Vors.: Hing nicht in jeder Cachotte ein Seil?
Zeuge: Ja.
Vors.: Welchen Zweck hatte das Seil?
Zeuge: Um den Gefangenen eins überzuziehen. (Heiterkeit im Zuhörerraum.)
Vors.: Hing das Seil so, daß es Direktor Schellmann sehen konnte?
Zeuge: Nein, das Seil war in dem Flur in einem Kästchen, auf dem ein Gebetbuch lag, aufbewahrt.
Vors.: Haben Sie auch einmal einen Gefangenen mit dem Seil geschlagen?
Zeuge: Nein.
Vors.: Sie haben nur schlagen sehen?
Zeuge: Ja.
Vors.: Wieviel Male haben Sie wohl schlagen sehen?
Zeuge: Vier bis fünfmal.
Vors.: Sind Sie der Meinung, daß der Direktor davon Kenntnis hatte?
Zeuge: Das weiß ich nicht.
Rechtsanwalt Gammersbach: Aus welchem Grunde geschah das Schlagen mit dem Seil?
Zeuge: Wegen Frechheit und Widersetzlichkeit.
Vors.: Das war doch aber kein Grund zum Schlagen, da war doch noch Zeit, eine Anzeige zu machen.
Der Zeuge schwieg.
Vors.: Direktor Schellmann soll Sie einmal aufgefordert haben, einem Knaben, namens Wernitzki, 25 Hiebe zu geben?
Zeuge: Jawohl. Direktor Schellmann sagte mir: Oben ist ein Junge, namens Wernatzki, den wollen wir erst einige Stunden sitzen lassen und ihm alsdann 25 Hiebe versetzen. Ich habe geantwortet, daß mir das widerstrebt. Auf seine Frage, wer dies wohl tun würde, empfahl ich den Bäckermeister Kulartz. Dieser hat auch dem Knaben die 25 Hiebe gegeben.
Vors.: Waren Sie dabei?
Zeuge: Nein, ich stand unten auf dem Flur, hörte schlagen und den Knaben furchtbar schreien.
Vors.: Womit mag wohl geschlagen worden sein?
Zeuge: Ich glaube mit einem Seil.
Vors.: Wie alt war wohl der Knabe?
Zeuge: 9-10 Jahre.
Auf Befragen des Rechtsanwalts Gammersbach bekundete der Zeuge: Der Knabe Wernitzki, Sohn eines pensionierten Aufsehers, habe im Verdacht gestanden, ihm (dem Zeugen) eine goldene Uhr und Kette gestohlen zu haben, zumal die Kette bei dem Knaben gefunden worden sei. Vert.: Ist es richtig, daß Direktor Schellmann