Diener der Lust. Susanna Egli

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Название Diener der Lust
Автор произведения Susanna Egli
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738063288



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      Susanna Egli

      Diener der Lust

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1

       2

       3

       4

       5

       6

       7

       8

       9

       Impressum neobooks

      1

      Eigentlich begann alles, als ich eine Fahrkarte nach Brisbane verlangte, denn ein paar Tage vorher hatte ich in einem Bücherladen in St. Kilda in Melbourne wundervolle Ansichten von der australischen Goldküste südlich von Brisbane entdeckt.

      Wieso kam ich in diesen Bücherladen, war es Schicksal? Aber danach hatte ich keine Wahl mehr. Der viele Regen, die Kälte und die langweilige Art der Menschen in Victoria, die ewig kritisierenden alten Weiber mit ihrem eintönigen Hammelfraß und ihre zur Schau getragene Religiosität. Also, um es kurz zu sagen, das Wetter und die viktorianische Muffigkeit trieben mich nach Queensland.

      Am nächsten Morgen ließ ich fast alles zurück, trotzdem waren meine Koffer schwer, und ich schlich über die knarrenden Treppenstufen. Im Hausflur ließ ich meine Hausschlüssel in den Briefkasten fallen.

      Die Straßen glänzten vor Nässe. Ich hielt mich in der Nähe der Häuser. Ganz Melbourne war noch ruhig. Meine Schritte tönten laut in der langen Bahnhofspassage.

      Am Schalter sagte ich kurz: „Brisbane.“

      Der Schalterbeamte nickte mürrisch: „In Sydney umsteigen.“

      Ich nickte nur und bezahlte. Ich trottete zum Bahnsteig. Die Luft roch nach Eisen, Staub und Öl. Kofferträger, Gewühl und Geschrei, rennende Menschen; dies alles erzeugte ein romantisches Fieber in mir. Ich kaufte mir eine Tüte Bananen, denn die belegten Butterbrote waren nach oben gebogen und sicher schon Tage alt. Ich pellte eine Banane und blickte mich dabei um. Fast alle Bahnsteige waren voller Menschen, und alle schienen Richtung Queensland zu reisen.

      Sowie mein Zug einlief, drängelte ich mich durch und fand noch ein leeres Abteil. An den Wänden hingen Bilder von Queensland, wirklich ein Land voller Herrlichkeiten.

      Eigentlich war ich selbst erstaunt über mich und meinen Mut. Niemals zuvor hatte ich im Leben so etwas getan. Niemals hatte ich meinen Arbeitsplatz und meine Wohnung einfach verlassen. Und hier war ich im Zug, der mich in mehreren Tagen und Nächten nach Queensland bringen würde. Ich war verrückt. In Queensland kannte ich niemand, und ich hatte auch kein Hotel gebucht. Ich hatte keine Pläne und hatte nur das nötigste Gepäck mitgenommen.

      Was konnte ich in Queensland machen?

      Achtlos hatte ich alles verspielt, meine Stellung und alles, was ich mir sonst durch harten Fleiß erarbeitet hatte. Ich hatte wie ein Penner gehandelt. Für einen Moment bereute ich meinen Entschluss und spielte sogar mit dem Gedanken, alles rückgängig zu machen. Niemand würde mein Versagen bemerken. Ich selbst könnte mir sogar erklären, ich hätte einen Film gesehen.

      Gott sei Dank tat ich es nicht.

      Im Gegenteil, nach diesen zögernden Gedanken packte ich die nötigen Sachen aus, die ich während der Nacht gebrauchen würde. Ich legte die Bananen auf das Klapptischchen, meine Brote und den Käse, die zwei Flaschen Bier und die Toilettenartikel ins Netz. Dann setzte ich mich auf das Bett und probierte die Matratze, sie war noch nicht ausgelegen.

      Nun war ich bereit. Nun konnten wir losfahren ins Ungewisse. Plötzlich hatte ich keine Sorgen mehr, die Sorgen blieben hinter mir, als der Zug sich in Bewegung setzte, zuerst schwerfällig, dann immer schneller.

      Die Reise hatte begonnen.

      Ich öffnete das Fenster und lehnte mich hinaus. Menschen winkten und riefen sich zu. Dann verschwand das schmutzige Melbourne, und der kalte Wind ließ mich das Fenster schließen. Von der Eisenbahn aus gesehen zeigten sich die Städte niemals von der besten Seite.

      Eine junge Frau lehnte weit aus dem Nebenabteil. Sie lachte mich an und winkte mir. Ich hatte bemerkt, dass sie hübsch war, mit rabenschwarzen Haaren und einem sonnengebräunten Gesicht und schelmischen Augen. So etwas ganz anderes als unsere verstaubten Sekretärinnen im Büro, die irgendwie mottenzerfressen aussahen und einen abstoßenden Geruch verbreiteten.

      „Hey“, rief ich ihr zu.

      „Ist es nicht himmlisch zu reisen?“

      „Ja, aber doch recht kühl und unfreundlich - ich meine natürlich das Wetter“, sagte ich lachend.

      „Wo ich hinfahre; ist es immer warm und sonnig.“

      „Wohin fahren Sie denn?“

      „Nach Brisbane in Queensland.“

      „Wie sich das trifft, auch ich will dorthin.“

      „Es ist immer aufregend, heimfahren zu können“, sagte sie.

      „Heimfahren?“

      „Ja, nach Queensland.“

      „Dann leben Sie dort?“

      „Ja, und Sie?“

      „Ich bin Schweizer und von Beruf Fotograf.“

      „Sie sprechen für einen Europäer ein gutes Englisch.“

      „Danke!“

      Ich versuchte, das Gespräch weiterzuführen, aber mir fiel und fiel einfach nichts ein. Ich war wie auf den Mund gefallen. Die junge Frau hatte sich mit einem Winken zurückgezogen. Auch ich zog mich zurück und schloss endgültig das Fenster.

      Vielleicht sollte ich an die Verbindungstür klopfen und sie zu einer Banane (recht zweideutig!) einladen; aber über was sollten wir reden? Vielleicht war sie verheiratet, und der Ehemann saß während des ganzen Gesprächs neben ihr und las seine Zeitung.

      Im Moment wurde mir bewusst, dass ich durch meinen stressigen Beruf die richtige Art des Kennenlernens verloren hatte. Darum wusste ich auch keinen Rat, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte.

      Draußen vor meinem Fenster sausten Häuser vorbei. Der Zug wurde schneller, und unter mir ratterten die Räder ihre monotone Musik. Es war warm, und ich fühlte mich wohl.

      Wie lange ich so saß, weiß ich nicht. Ab und zu blickte ich hinaus. Wenn wir durch eine Stadt kamen, fuhr der Zug etwas langsamer. Meine Zeitschrift fiel mir aus der Hand, und ich schlief ein.

      Langes Tuten der Lokomotive sickerte in meinen Schlaf, und irgendwann hörte ich den Gong zum Essen. Ich hatte genug Proviant und war viel zu faul, diesen gemütlichen Platz zu verlassen; es war mir so mollig warm.

      Ich ließ mich wieder vom Geratter der Räder in den Schlaf lullen. Doch die anhaltende Vibration, das