SEX & other DRUGS - Novembertau. Mira Schwarz

Читать онлайн.
Название SEX & other DRUGS - Novembertau
Автор произведения Mira Schwarz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783741842801



Скачать книгу

konnte.

      »Ein Test«, murmele ich in mich hinein. »Wie bescheuert ist das denn?« Lange genug hatte ich mir Zeit gelassen mit einer Antwort. Ich musste Taten folgen lassen.

      »Ein wenig kann ich das Frettchen ja verstehen.« Carmen verzieht das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. »Immerhin ist mit Amnesie nicht zu spaßen und er kriegt wahrscheinlich Druck von oben, dass die Filiale profitabel läuft.«

      Hin und wieder vergesse ich, dass hinter dem Make-up, den langen blonden Haaren und den vielen Designer-Kleidern eine tolle Frau steckt, die mir hilft, die Dinge auch von der anderen Seite zu sehen.

      »Du hast recht«, muss ich schließlich zugeben. »Mr. Hedfield macht nur seinen Job.«

      Carmen kreuzt die Arme von der Brust und nickt mir aufmunternd zu. »Ganz genau. Du schreibst eine Stunde lang diesen bescheuerten Test, holst dir das Feedback im Büro ab und schneller als du siehst, wirst du wieder Kunden helfen, ihr Haus zu finanzieren.« Irgendwie schafft sie es immer, mich aufzumuntern. Wir umarmen uns. »Deal, Kleines?«

      »Deal!«

      »Na dann schnapp sie dir!«, sagt Carmen voller Inbrunst, während sie sich ein Taxi ruft. Einer lauter Pfeifton dringt an meine Ohren, wenige Sekunden später quietschen die Reifen eines Autos. Mit einem letzten Handkuss ist sie in das gelbe Cap eingestiegen und ich stehe alleine vor dem Gebäude.

      »Na, dann los.«

      ***

      »Miss Ashcroft! Es ist schön, dass Sie hier sind.«

      Ich hasse es, wenn er das macht. Miss …

      Als wäre ich ein sechszehnjähriges Mädchen und würde Kaffee servieren. Nur leider ist Alan Hedfield von der sehr, sehr alten Schule und redet konsequent alle Frauen, die noch nicht verheiratet sind, mit Miss, anstatt des üblichen Misses an.

      Sein kariertes Tweed-Jackett mit passenden Polstern am Ellenbogen sprechen Bände. Wie oft haben wir uns in der Kantine darüber lustig gemacht, wenn er wieder einmal auf vollendete Umgangsformen bestand. Ich hatte schon immer das Gefühl, dass Hedfield in einer anderen Epoche besser aufgehoben wäre. Zum Beispiel als Duke auf einem Schloss im 18. Jahrhundert. Ich hätte mir ihn hervorragend bei der Jagd oder beim Tee vorstellen können.

      »Noch einen Tee, Lord Whaterfront-Saferwood-Hedfield?«

      »Vielen Dank, Alfred, nur einen Earl Grey noch.«

      »Gedenken Sie heute noch auf die Jagd zu gehen, Sir?«

      »Ja, Alfred. Die Wachteln schießen sich nicht von alleine.«

      Ich muss ein Schmunzeln unterdrücken, während Hedfield mir tief in die Augen sieht. Verdammt, Jasmin. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt!

      »Nun ja, es ist meine Arbeitsstelle«, antworte ich vielleicht ein wenig zu schnippisch. Ihm scheint meine vorlaute Art nicht zu gefallen. Mir ist klar, dass er nur Höflichkeitsfloskeln austauschen wollte, deshalb vollführe ich einen kleinen Knicks, während wir uns die Hände geben und die Welt ist wieder in Ordnung. Ich meine sogar, ein anerkennendes Lächeln auf seinen Lippen gesehen zu haben.

      Gemeinsam begrüßen wir die übrigen Kollegen, schließlich gehen wir in die Küche. Ich hole mir einen Kaffee, er natürlich einen Tee.

      »Nun, ich hoffe, dass Sie sich ein wenig vorbereiten konnten.« Er sieht mich vielsagend an, pustet in die Tasse. »Vorausgesetzt, dass Sie Zeit fanden und nicht zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt waren.«

      Fuck!

      Natürlich spielt er auf meine und Ryans kleine, private Wiedervereinigungs-Party auf der Toilette in der Bar an. So ziemlich jeder hat gesehen, dass meine Haare nicht mehr ganz so glatt auf den Schultern ruhten. Doch während er mir lediglich freudig zunickte, hatten die anderen wenigstens den Anstand, so zu tun, als ob wir nicht eine viertel Stunde weg waren.

      Ich lag drei Monate im Koma verdammt – ich durfte etwas Spaß haben!

      Allerdings von ihm hätte ich das nicht gedacht. Zu meiner eigenen Sicherheit lasse ich ihn seine Worte noch einmal wiederholen. »Wie meinen Sie, Sir?«

      Er lässt sich Zeit, sieht mich an, während er die Worte abwägt. »Ich meine nur, ich hoffe, Sie sind im Vollbesitz ihrer Kräfte und haben keine … Ausfallerscheinungen mehr.«

      Auch wenn ich versuche, ihn zu verstehen, muss ich mich doch anstrengen, dass die Wut nicht Überhand gewinnt. Ich lege mein bestes Lächeln auf.

      »Nein, Sir. Keine Probleme mehr. Ich würde nur gerne kurz den Test hinter mich bringen und mich dann wieder meiner Arbeit widmen.«

      Hedfield lächelt.

      Gott, ich hasse es, wenn er lächelt. Das bedeutet selten etwas Gutes. Besonders, wenn er dabei noch Worte in seinen braun-roten Bart murmelt.

      »Kurz hinter sich bringen?« Wieder ein Lachen, dann nippt er gedankenverloren am Tee. »Natürlich.«

      »Sir?«

      »Verzeihung«, sagt er schließlich, stellt die Tasse ab und deutet mit einer Handbewegung an, dass wir den Raum verlassen sollten. »Wollen wir denn direkt?«

      Ich folge ihm in die zweite Etage. Hier oben ist mein Arbeitsplatz, zumindest wenn ich den Flur weiter herabgehen würde. Doch dies scheint nicht unser Ziel zu sein. Hedfield geht auf direktem Weg in den Konferenzraum, wartet, bis ich eingetreten bin, und schließt hinter mir die Tür.

      »Lassen Sie sich so lange Zeit, wie Sie benötigen. Ich werde bis zum Ende hier sein.«

      Erst jetzt fällt mein Blick auf den Stapel von Papieren vor mir. Ich traue meinen Augen nicht und glaube im nächsten Moment, dass ich in einem Albtraum gelandet bin. Unzählige Fragebögen liegen fein säuberlich aufgereiht vor dem einzigen Stuhl auf dem gläsernen Tisch. Mehrere Kugelschreiber, Bleistifte, Lineale und sogar ein Taschenrechner warten nur darauf, benutzt zu werden. Ich erkenne eine Kanne Kaffee, Flaschen mit Wasser und Orangensaft und belegte Sandwiches.

      Ohne Frage, Hedfield hat viel Energie und Mühe in diese Überprüfung gesteckt. Vorsichtig, als könnte das Papier beißen, gehe ich um den Tisch, lasse mich auf dem Stuhl nieder und streiche über den Kugelschreiber.

      »Das müssen 1000 Seiten sein.«

      »1058, wenn wir genau sind«, antwortet Hedfield gleichmütig und lässt die Hände in die Taschen gleiten. »Keine Angst, ist nur das Standardprotokoll der First Pacific Bank für solche Fälle.«

      Meine Stirn zieht in Falten, während ich ihn ansehe. »Solche Fälle?«

      »Nun ja, Wiedereinstellungen.«

      Das kann nur ein Witz sein. Ein dummer Witz, den die Kollegen sich ausgedacht haben, um mich willkommen zu heißen. Mit jeder weiteren Sekunde, die verstreicht, verringert sich auch meine Hoffnung, dass gleich alle in den Konferenzsaal stürmen.

      War doch alles nur ein Scherz!

      Das hast du doch nicht wirklich gedacht, oder?

      Reingelegt! Schön, dass du wieder da bist

      Als ich Hedfield ansehe, weiß ich, dass die Hoffnung vergebens ist. Sein Blick ist fest, keine Milde lese ich in seinen Augen und ganz davon abgesehen, hätte er bei so etwas nie mitgemacht. Wir mussten uns bereits bei Gratulationen und Glückwünschen aus dem Zeitsystem ausloggen. Niemals würde er so etwas während der Arbeitszeit dulden.

      »Ich wünsche Ihnen viel Glück«, sagt er noch, die Klinke bereits in der Hand. »Und wie gesagt, ich bin die ganze Zeit hier im Haus. Für Fragen stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung. Fühlen Sie sich aber dadurch nicht genötigt, sich zu beeilen.«

      Den Seitenhieb verstehe ich auch ohne sarkastischen Unterton. Ich muss es also bis zum Feierabend beendet haben.

      Arsch.

      Als die Tür ins Schloss fällt, fühle ich mich unendlich allein. Und verwirrt. Und ein wenig hilflos.

      Für