Madame Therese. Emile Erckmann

Читать онлайн.
Название Madame Therese
Автор произведения Emile Erckmann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754187555



Скачать книгу

Betrachtungen hingab.

      Als der Teig fertig war, setzte man Bierhefe zu, kratzte ringsherum den Backtrog ab und deckte eine dicke Federdecke darüber, um ihn gehen zu lassen. Dann breitete Lisbeth die Gluthen des Herds im Ofen aus und schob mit der Stange drei große trockene Reisigbündel hinein, die alsbald unter dem [15] finstern Gewölbe zu flammen anfingen. Als nun das Feuer gut brannte, schloß sie das Schürloch und sagte zu mir:

      »Jetzt, Fritzel, wollen wir zu Bett gehen; morgen, wenn Du aufstehst, wird’s Kuchen geben.«

      Wir stiegen also in unsere Kammern hinauf. Onkel Jakob schnarchte schon seit einer Stunde hinten in seinem Alkoven. Ich legte mich nieder, an die guten Sachen denkend, und brauchte nicht lange, um wie ein seliger einzuschlafen.«

      Das dauerte schon ziemlich lange, es war noch Nacht und der Mond glänzte voll in mein kleines Fenster, als ich durch einen sonderbaren Lärm geweckt wurde; es war, wie wenn das ganze Dorf zum Märchen geworden wäre; in der Ferne öffneten und schlossen sich Thüren; eine Menge von Schritten ging durch die kothigen Pfützen der Straße hin und wider. Zugleich hörte ich auch in unserem Haus kommen und gehen, und purpurne Reflexe spielten auf meinen Scheiben.

      Man denke sich mein Erstaunen.

      Nachdem ich gelauscht hatte, stand ich behutsam auf und öffnete ein Fenster. Die ganze Straße war voll Menschen, und nicht allein die Straße, sondern auch die kleinen Gärten und Gäßchen rings umher: nichts als große muntere Bursche, mit ungeheuren dreieckigen Hüten, mit langen blauen, roth auf geschlagenen Röcken, breiten weißen Wehrgehängen über die Schulter und großen Zöpfen auf dem Rücken; ohne der Säbel und der Patrontasche zu gedenken, die ihnen um die Lenden baumelten und die ich zum erstenmal sah. Sie hatten ihre Gewehre in Pyramiden vor unserer Scheuer aufgestellt; zwei Schildwachen marschierten dabei auf und ab; die anderen gingen in die Häuser, wie wenn sie da zu Hause wären.

      An der Ecke beim Stall stampften drei Pferde den Boden. Weiter weg vor der Metzig von Seppel, auf der anderen Seite [16] des Platzes war an den Mauerhaken, wo man die Kälber abstreifte, beim Schein eines großen flackernden und den Platz erleuchtenden Feuers ein ganzer Ochse aufgehängt. Sein Kopf und sein Rücken schleiften auf der Erde. Einer der Männer in Hemdärmeln und mit muskulösen Armen zog ihm die Haut ab; er hatte ihn von oben bis unten aufgetrennt. Die blauen Eingeweide ergossen sich mit dem Blut in den Koth. Die Gestalt des Mannes mit seinem nackten Hals und seiner Haßel war fürchterlich anzusehen.

      Ich begriff alsbald, daß die Republikaner das Dorf eingenommen hatten, und während ich mich ankleidete, betete ich im stillen um die Hilfe des Kaisers Joseph, von dem Herr Karolus Richter so oft sprach.

      Die Franzosen waren während unseres ersten Schlafes angekommen und gewiß schon vor zwei Stunden, denn als ich mich anschickte, herab zu steigen, sah ich ihrer drei, gleichfalls in Hemdärmeln wie der Schlächter, die mit unserer Schaufel das Brod aus dem Backofen zogen. Sie hatten der Lisbeth die Mühe des Backens, ebenso wie jener andere dem Seppel die Mühe des Schlachtens erspart. Diese Leute wußten mit allem umzugehen; nichts setzte sie in Verlegenheit.

      Lisbeth saß in einem Winkel, die Hände über den Knieen gekreuzt und betrachtete sie mit ziemlich friedlicher Miene; ihre erste Furcht war überstanden. sie sah mich oben am Geländer und rief:

      »Fritzel, komm herab! sie thun dir nichts.«

      Darauf stieg ich herunter, und die Männer setzten ihre Arbeit fort, ohne sich um mich zu bekümmern. Die Thüre zum Gang links war offen, und ich sah im Obstgarten zwei andere Republikaner beschäftigt, den Teig zu einem zweiten oder dritten Einsatz anzumachen. Endlich, rechter Hand sah [17] ich durch die halbgeöffnete Thüre des Wohnzimmers den Onkel Jakob auf einem Stuhle am Tische sitzen, während ein kräftiger Mann mit dickem rothem Backenbart, kurzer runder Nase, hervorspringenden Augbrauen, weit vom Kopf abstehenden Ohren und einer armsdick über die Schulter hinabhängenden Flachsperücke, sich im Lehnsessel niedergelassen hatte und mit Appetit einen unserer Schinken versäbelte. Man sah nur seine großen braunen Fäuste, in der einen die Gabel, in der anderen das Messer, auf- und abgehen, und seine dicken muskulösen Backen arbeiten. Von Zeit zu Zeit nahm er das Glas, trank einen guten Schluck und setzte sein Geschäft fort.

      Er hatte bleifarbene Epauletten, einen großen Säbel mit Lederscheide, dessen Griff hinter seinem Ellenbogen heraufstieg, und Stiefel, so mit Koth überzogen, daß man nichts mehr sah, als die gelbe Erde, die an ihnen zu trocknen begann. Auf dem Schranke lag sein Hut mit einem Busch von rothen Federn, die im Luftzug spielten, denn trotz der Kälte waren die Fenster offen; eine Schildwache ging hinten auf und ab, Gewehr im Arm, und blieb von Zeit zu Zeit stehen, um einen Blick auf den Tisch zu werfen. Während er ruhig den Schinken weiter zerarbeitete, hob der Mann mit dem dicken Backenbart mit barscher Stimme an:

      »Also, du bist Arzt?«

      »Ja, Herr Kommandant!«

      »Nenne mich Kommandant, kurzweg oder Bürger Kommandant; ich habe es dir schon gesagt, die »Herrn und die »Madamen sind abgeschafft. Aber, um auf unsere Rede zurück zu kommen; du mußt das Land kennen; ein Landarzt kennt seine Gegend. Wie weit haben wir nach Kaiserslautern?«

      »Sieben Stunden, Kommandant!«.

      »Und nach Pirmasens?«

      [18]

      »Ungefähr acht.«

      »Und nach Landau?«

      »Ich glaube fünf gute Stunden.«

      »Ich glaube, ungefähr, beiläufig, ist das auch die Rede eines Mannes, der in der Gegend zu Hause ist? Höre, du scheinst mir Angst zu haben. Du fürchtest, daß, wenn die Weißröcke hier durchkommen, sie sich für die Auskunft, die du mir gibst, aufhängen. Schlage dir diesen Gedanken aus dem Sinn! die französische Revolution beschützt dich.«

      Und indem er den Onkel mit seinen grauen Augen scharf ansah, sprach er, sein Glas erhebend:

      »Auf das Wohl der einen und untheilbaren Republik!«

      Sie stießen zusammen an, und der Onkel, ganz blaß, trank auf die Republik.

      »Nun denn,« hob der andere an, »hat man hier keine Oesterreicher gesehen?

      »Nein, Kommandant.«

Ende

      »Ist das gewiß? Wie! schau’ mir in’s Gesicht.«

      »Ich habe keinen gesehen.«

      »Bist du nicht in den letzten Tagen in Rehthal gewesen?«

      Der Onkel war richtig vor drei Tagen in Rehthal gewesen; er glaubte, der Kommandant sei hiervon durch einen Dorfbewohner in Kenntnis gesetzt und antwortete:

      »Ja, Kommandant.«

      »So, und es gab dort keine Oesterreicher?«

      »Nein!«

      Der Republikaner leerte sein Glas und warf einen schiefen Blick auf Onkel Jakob; dann streckte er den Arm aus und faßte ihn mit einer sonderbaren Miene am Faustgelenk:

      »Du sagst: Nein.«

      »Ja, Kommandant.«

      [19]

      »Gut, du lägst!«

      Und mit langsamer Stimme setzte er hinzu:

      »Wir hängen nicht, wir Republikaner, aber wir erschießen manchmal solche, die uns betrügen.«

      Das Gesicht des Onkels wurde nun noch blässer. Jedoch wiederholte er mit ziemlich fester Stimme und erhobenem Kopf:

      »Kommandant, ich versichre sie auf Ehre, daß vor drei Tagen kein Kaiserlicher zu Rehthal war.«

      »Und ich,« rief der Republikaner, dessen graue Augen unter seinen dichten, falben Augenbrauen funkelten, »ich jage dir, daß welche dort waren. Ist das deutlich?«

      Es folgte eine Stille. Alle, die in der Küche waren, sahen herein; die Miene des Kommandanten war keineswegs beruhigend. Ich fing an zu weinen und trat mit Thränen in