Madame Therese. Emile Erckmann

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Название Madame Therese
Автор произведения Emile Erckmann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754187555



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mit dem er den Honig von den Stöcken löste.

      Zu Ende des Herbstes verließ er auf einen Monat das Dorf, seinen Zwerchsack über dem Rücken. Vorne hatte er den Honig drin, hinten das gelbe Wachs in Platten, das er den Pfarrern der Umgegend zu Wachskerzen zum Verkaufe trug. Das war der Mauser. Nachdem er wohl über den Tisch hingeblickt hatte, hub er an:

      »Da habt ihr Käs; das da sind Haselnüsse!«

      »Ja,« antwortete der Onkel. »Greift zu.«

      [5]

      »Dank schön, ich rauche jetzt lieber eine Pfeife.«

      Damit zog er eine schwarze Pfeife mit kupfernem an einem Kettchen hängenden Deckel aus der Tasche. Er stopfte sie bedächtig, indem er seine Augen fortwährend umherlaufen ließ, ging dann in die Küche, nahm eine glühende Kohle in seine hohle schwielige Hand und legte sie auf den Tabak. Ich meine ihn noch zu sehen, mit seinem Rattengesicht, wie er, die Nase in der Luft, vor dem purpurnen Herde große Wolken blies, und wie er dann wieder hereinkam und sich im Schatten des Ofenwinkels mit verschränkten Beinen niedersetzte.

      Außer den Maulwürfen und den Bienen, dem Honig und dem Wachs hatte der Mauser noch eine andere ernste Beschäftigung; er weissagte die Zukunft nach dem Vogelflug, der Menge der Heuschrecken und Raupen, und gewissen in ein großes Buch mit hölzernem Deckel eingeschriebenen Ueberlieferungen, das er von einer alten Tante zu Geming geerbt hatte, und das ihm über zukünftige Dinge Aufschluß gab.

      Aber um ihn auf das Kapitel seiner Wahrsagungen zu bringen, war ihm die Gegenwart seines Freundes Koffel nöthig, des Schreiners, Drehers, Uhrenmachers, Hundsscheerers, Thierarztes, kurz des größten Genies von Anstadt und Umgegend. Koffel trieb alles; er flickte das zersprungene Geschirr mit Eisendraht, er verzinnte die Pfannen, er reparierte altes verdorbenes Hausgeräthe, er stellte die Orgel in stand, wenn Pfeifen und Blasbalg in Unordnung waren; Onkel Jakob hatte ihm selbst verbieten müssen, gebrochene Beine und Arme einzurichten, denn er hielt sich auch für einen geschickten Mediziner. Der Mauser zollte ihm viele Bewunderung und sagte manchmal: Wie schade, daß Koffel nicht studiert hat,’s ist ewig schad’! und alle Gevatterinnen auf dem Lande betrachteten ihn als ein Universalgenie.

      [6]

      Aber all dies stieg ihm nicht zu Kopf, und die sicherste seiner Einnahmsquellen Floß im Herbst: da ging er krauteinschneiden, seinen Krauthobel, wie einen Butten auf dem Rücken, und rief von Thüre zu Thüre: Kraut einschneiden! Der Krauteinschneider!

      Da sah man’s, wie große Geister belohnt werden.

      Koffel, ein kleiner magerer Mann, schwarz von Bart und Haar, mit langer, dünner wie ein Entenschnabel niederhängender Nase, säumte auch nicht zu erscheinen, die Hände in den Taschen seines runden Kittels, die Zipfelmütze im Nacken, die Zottel zwischen den Schultern, mit kurzen Hosen und dicken blauen Strümpfen voll Leimflecken, schlotternd um seine spindeldürren Beine, und mit schlurfen, die an mehreren Stellen aufgerissen waren, um seinen Schwielen Platz zu machen. Er trat einige Augenblicke nach dem Mauser herein, schritt mit kleinen Schritten vorwärts und sagte mit ernsthafter Miene:

      »Guten Appetit, Herr Doktor!«

      »Wenn’s Euch beliebt,« antwortete der Onkel.

      »Danke vielmal; wir haben diesen Abend Salat gegessen; das ist mein Leibessen.«

      Nach diesem Gespräche setzte sich Koffel hinter den Ofen und rührte sich nicht, bis der Onkel anhub:

      »Flink, Lisbeth, zünde das Licht an und nimm das Tischtuch weg.«

      Dann stopfte auch der Onkel seine Pfeife und rückte zum Ofen. Man schickte sich an, vom Regen, vom schönen Wetter, von den Ernten etc. zu reden. Der Maulwurffänger hatte im Lauf des Tags so und so viel Fallen gestellt, er hatte während des Gewitters das Wasser von irgend einer Wiese abgeleitet; er hatte so und so viel Honig aus seinen Bienenständen gewonnen; seine Bienen sollten bald schwärmen, hängten sich schon vor dem Korbe an, und der Mauser rüstete daher bereits neue Körbe, um die jungen schwärme aufzunehmen.

      Koffel aber kaute immer irgend einer Erfindung wieder;, er sprach von seiner Uhr ohne Gewicht, an der die zwölf Apostel schlag zwölf Uhr erscheinen mußten, während der Hahn krähte und der Tod mähte; oder sprach er von seinem Pflug, der, aufgezogen wie eine Uhr, ganz allein marschieren sollte oder von einer ähnlichen, wunderbaren Erfindung.

      Der Onkel hörte ernsthaft zu; er gab mit einem Zeichen des Hauptes seinen Beifall, dachte aber wohl zugleich an seine Kranken.

      Im Sommer saßen die Nachbarinnen auf der steinernen Bank vor unsern offenen Fenstern und plauderten mit Lisbeth über Haushaltungsgegenstände. Die eine hatte letzten Winter so und so viel Ellen Leinwand gesponnen, einer andern Hennen hatten täglich so und so viel Eier gelegt.

      Ich, meines Theils, benutzte einen guten Augenblick, um zu Klipfel’s Schmiede zu laufen, deren Flamme von weitem her, am Ende des Dorfs, durch die Nacht glänzte. Hans Adam, Franz Seppel und mehrere andere hatten sich dort schon versammelt. Wir sahen zu, wie die Funken wie Blitze unter den Hammerschlägen davon flogen. Wir pfiffen beim Lärmen des Amboßes. Brachte man eine alte Mähre zum Beschlagen, so halfen wir ihr den Fuß halten. Die Aeltesten unter uns versuchten Nußblätter zu rauchen, bis es ihnen übel wurde; einige andere rühmten sich, schon alle Sonntage zum Tanz zu gehen; das waren Burschen von fünfzehn bis sechs zehn Jahren. sie setzten den Hut auf’s Ohr und rauchten mit wichtiger Miene, die Hände in den Taschen.

      [8]

      Endlich um zehn Uhr zerstreute sich die ganze Bande; jeder zog seiner Heimath zu.

      So verliefen die gewöhnlichen Wochentage; aber am Montag und Freitag erhielt der Onkel die »Frankfurter Zeitung« und an diesen Tagen war das Haus besuchter. Außer Mauser und Stoffel sahen wir unsern Bürgermeister, Christian Meyer, und Herrn Karolus Richter, den Enkel eines alten Bedienten des Grafen Salm-Salm, herbeikommen. Weder der eine noch der andere wollte auf die Zeitung abonnieren, aber sie hörten sie gerne umsonst vorlesen.

      Wie oft habe ich mich seitdem unsres dicken Bürgermeisters mit seinen scharlachrothen Ohren, seinem wollenen Camisol und seiner weißen baumwollenen Mütze, im Lehnsessel, an des Onkels gewöhnlichem Platze sitzend, erinnert. Er schien über tiefe Dinge nachzudenken; aber seine ganze Aufmerksamkeit war darauf gerichtet, die Neuigkeiten wohl zu behalten, damit er sie seiner Frau, der tugendsamen Barbara, mittheilen könne, welche die Gemeinde in seinem Namen regierte.

      Und dann der große Karolus, eine Art Windhund, in seinem Jagdhabit, und mit seiner Kappe von gesottenem Leder, der größte Wucherer des Landes, der alle Bauern von oben herab ansah, weil sein Großvater Lakai bei Salm-Salm gewesen, der sich einbildete, den Leuten einen Gefallen zu er weisen, wenn er von ihrem Tabak stopfte, und der unaufhörlich von Parks und Fasanerien, von Hetzjagden und von den Rechten und Privilegien des gnädigsten Herrn von Salm-Salm sprach. Wie oft habe ich ihn in unsrem niedrigen Zimmer aus- und eingehen sehen. Da saß er mit gerunzelten Augenbrauen und schien zuzuhören, aber plötzlich fuhr er mit der Hand in die große Rocktasche des Onkels, holte sein [9] Tabakspäckchen heraus und stopfte sich seine Pfeife, die er am Licht »Mit Erlaubnis« anzündete.

      Ja, alle diese Dinge stehen mir noch lebhaft vor den Augen.

      Armer Onkel Jakob! Der gute Mann ließ sich seinen Tabak wegrauchen und merkte es nicht einmal, mit so viel Aufmerksamkeit las er die Tagesneuigkeiten. Die Republikaner nahmen damals die Pfalz weg und zogen den Rhein hinab; sie wagten es, sich den drei Kurfürsten, dem König von Preußen und dem Kaiser Joseph gegenüber zu stellen.

      Alle Zuhörer des Onkels entsetzten sich über ihre Kühnheit.

      Herr Richter sagte, das könne von keiner Dauer sein, diese Lumpen werden bis auf den legten Mann ausgerottet werden.

      Der Onkel beschloß immer seine Vorlesung mit irgend einer verständigen Betrachtung. Er sagte:

      »Loben wir den Herrn, daß wir mitten in Wäldern leben und nicht im Weinland, auf rauhem Gebirg und nicht in der fruchtbaren Ebene. Diese Republikaner glauben nichts bei uns erwischen zu können; darauf beruht unsere Sicherheit; wir können uns in Frieden auf’s Ohr legen. Aber wie