Fjodor Dostojewski: Hauptwerke. Fjodor Dostojewski

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Название Fjodor Dostojewski: Hauptwerke
Автор произведения Fjodor Dostojewski
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754189153



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ein wunderbares Rätsel ist, warum sie dich heiraten will. Aber wiewohl ich dieses Rätsel nicht lösen kann, so zweifle ich doch nicht daran, daß jedenfalls ein zureichender, vernünftiger Grund vorhanden sein muß. Von deiner Liebe ist sie überzeugt; aber wahrscheinlich ist sie auch davon überzeugt, daß du mancherlei gute Eigenschaften besitzt. Es kann ja nicht anders sein! Das, was du soeben gesagt hast, dient zur Bestätigung. Du sagst selbst, daß sie es möglich gefunden hat, mit dir in einem ganz andern Ton zu sprechen, als der, in dem sie früher mit dir verkehrt und geredet hat. Du bist mißtrauisch und eifersüchtig; daher übertreibst du alles, was du Schlechtes bemerkst. Sie denkt doch offenbar nicht so schlecht von dir, wie du annimmst. Sonst liefe ja, wenn sie dich heiratete, dies auf dasselbe hinaus, wie wenn sie mit Bewußtsein ins Wasser ginge oder sich dem Messer darböte. Ist denn das möglich? Wer tut denn das mit Bewußtsein?«

      Mit bitterem Lächeln hörte Parfen die warmen Worte des Fürsten an. Seine Überzeugung schien bereits unerschütterlich festzustehen.

      »Mit was für schrecklichen Augen du mich jetzt ansiehst, Parfen!« rief der Fürst unwillkürlich erschrocken.

      »Ins Wasser gehen oder sich dem Messer darbieten!« sagte dieser endlich. »Hehe! Eben deshalb heiratet sie mich ja, weil sie als meine Frau bestimmt auf das Messer rechnet! Hast du denn wirklich bisher noch nicht begriffen, Fürst, was hier vorliegt?«

      »Ich verstehe dich nicht.«

      »Nun, vielleicht verstehst du es wirklich nicht, hehe! Man sagt ja von dir, du wärest nicht so ganz ... hm. Sie liebt einen andern; begreife das doch! Gerade so, wie ich sie jetzt liebe, geradeso liebt sie jetzt einen andern. Und dieser andere, weißt du, wer das ist? Das bist du! Na, das hast du nicht gewußt, nicht wahr?«

      »Ich?«

      »Ja, du. Sie hat sich gleich damals, an ihrem Geburtstag, in dich verliebt. Aber sie denkt, sie könne dich nicht heiraten, weil sie dir Schande machen und dir dein ganzes Leben verderben würde. ›Man weiß ja‹, sagt sie, ›was ich für eine bin.‹ Und bei dieser Auffassung ist sie bis auf diesen Augenblick verblieben. Das hat sie mir alles ganz offen ins Gesicht gesagt. Sie fürchtet, dich zu entehren und ins Verderben zu bringen; aber bei mir kommt so etwas natürlich nicht in Betracht; mich kann sie heiraten. Da sieht man, wie sie mich achtet; das ist auch bemerkenswert!«

      »Aber wie geht es zu, daß sie von dir zu mir geflüchtet ist, und ... von mir ...«

      »Und von dir zu mir? Hehe! Was hat sie nicht alles für Einfälle! Sie ist jetzt ganz wie im Fieber. Sie schreit mir zu: ›Ich heirate dich, gerade wie wenn ich ins Wasser gehe. Nur recht schnell Hochzeit!‹ Sie treibt selbst zur Eile, bestimmt den Tag, und wenn die Zeit heranrückt, erschrickt sie, oder es kommen ihr andere Gedanken; Gott weiß, wie's zusammenhängt; aber du hast es ja selbst gesehen: sie weint und lacht und wird wie vom Fieber geschüttelt. Und was ist dabei Wunderbares, daß sie auch von dir weggelaufen ist? Sie ist damals von dir weggelaufen, weil es ihr selbst zum Bewußtsein kam, wie stark sie dich liebt. Bei dir zu bleiben, das ging über ihre Kraft. Du hast vorhin gesagt, ich hätte sie damals in Moskau wieder ausfindig gemacht; das ist nicht richtig; sie kam aus eigenem Antrieb von dir zu mir gelaufen: ›Bestimme einen Tag‹, sagte sie; ›ich bin bereit! Laß Champagner bringen! Wir wollen zu den Zigeunerinnen fahren!‹ schrie sie ... Und wenn ich nicht gewesen wäre, so hätte sie sich schon längst ins Wasser gestürzt; das kann ich bestimmt sagen. Sie stürzt sich nur deswegen nicht hinein, weil ich ihr vielleicht noch schrecklicher bin als das Wasser. Aus purem Grimm wird sie mich heiraten ... Wenn sie mich heiratet, so kann ich mit aller Sicherheit sagen, daß sie es aus Grimm tut.«

      »Aber wie kannst du nur ... wie kannst du nur ...«, rief der Fürst, ohne den Satz zu beenden.

      Er blickte Rogoschin erschrocken an.

      »Warum sprichst du nicht zu Ende?« fragte dieser lächelnd. »Aber wenn du willst, so werde ich dir sagen, was du in diesem Augenblick im stillen denkst: ›Wie kann sie unter solchen Umständen seine Frau werden? Wie kann man das zulassen?‹ Ich weiß, daß du das denkst ...«

      »Ich bin nicht deswegen hergereist, Parfen; ich sage dir, so etwas ist mir nicht in den Sinn gekommen ...«

      »Es ist ja möglich, daß du nicht deswegen hergereist bist, und daß dir so etwas nicht in den Sinn gekommen war; aber nun wird sich der Zweck nachträglich hinzufinden, hehe! Nun genug! Warum bist du so bestürzt? Solltest du wirklich nichts davon gewußt haben? Du setzt mich in Erstaunen!«

      »Das ist bei dir nur Eifersucht, Parfen; das ist eine Krankheit; du übertreibst das alles maßlos ...«, murmelte der Fürst in größter Aufregung. »Was hast du denn?«

      »Laß das liegen!« sagte Parfen und riß dem Fürsten hastig ein Messer aus der Hand, das dieser vom Tisch genommen hatte, wo es neben dem Buch gelegen hatte, und tat es wieder auf seinen früheren Platz.

      »Es ist mir, als hätte ich es bei der Einfahrt in Petersburg gewußt, als hätte ich eine Vorahnung davon gehabt ...«, fuhr der Fürst fort. »Ich wollte nicht herfahren! Ich wollte diese ganze Sache vergessen und mir aus dem Herzen reißen! Nun, lebe wohl ... Aber was hast du denn?«

      Während des Sprechens hatte der Fürst in der Zerstreutheit dasselbe Messer wieder vom Tisch in die Hand genommen, und nun nahm Rogoschin es ihm zum zweitenmal aus der Hand und warf es auf den Tisch. Es war ein Messer von ganz einfacher Gestalt, mit einem Griff aus Hirschhorn, nicht zum Zusammenklappen, mit einer etwa dreizehn Zentimeter langen und entsprechend breiten Klinge. Als Rogoschin sah, daß der Fürst stutzig darüber wurde, daß ihm dieses Messer zweimal aus der Hand gerissen war, ergriff er es grimmig und ärgerlich, legte es in das Buch und schleuderte das Buch auf einen andern Tisch. »Du schneidest damit wohl die Seiten auf?« fragte der Fürst, aber zerstreut, als sei er immer noch in seine Gedanken versunken.

      »Ja, freilich.«

      »Es ist ja ein Gartenmesser!«

      »Ja. Kann man denn die Seiten nicht auch mit einem Gartenmesser aufschneiden?«

      »Aber es ... es ist ganz neu.«

      »Na, was ist denn dabei, daß es neu ist? Darf ich mir etwa nicht ein neues Messer kaufen, sobald ich will?« schrie Rogoschin endlich in einer Art von Raserei; seine Gereiztheit war mit jedem Wort ärger geworden.

      Der Fürst zuckte zusammen und blickte ihn aufmerksam an.

      »Aber wir sind auch die Richtigen!« sagte er lachend; er war nun wieder völlig zur Besinnung gekommen. »Sei mir nicht böse, Bruder; wenn mir der Kopf so schwer ist wie jetzt, und dazu noch diese Krankheit ... ich werde dann ganz zerstreut und komisch. Ich wollte überhaupt nicht danach fragen ... ich weiß schon nicht mehr, um was es sich handelte. Leb wohl!«

      »Nicht dort!« sagte Rogoschin.

      »Ich habe vergessen, durch welche Tür ich hereingekommen bin!«

      »Hier, hier, komm, ich werde dir den Weg zeigen.«

      Sie gingen durch dieselben Zimmer, die der Fürst schon vorher passiert hatte. Rogoschin ging ein wenig voraus, der Fürst hinter ihm her. Sie kamen in den großen Salon. Hier befanden sich an den Wänden einige Gemälde, lauter Bischofsporträts und Landschaften, von denen nichts zu erkennen war. Über der Tür zum nächsten Zimmer hing ein Bild von recht auffälligem Format: über anderthalb Meter lang und nicht viel mehr als ein Viertelmeter hoch. Es stellte den soeben vom Kreuz abgenommenen Heiland dar. Der Fürst blickte es flüchtig an, wie wenn ihm eine Erinnerung käme, wollte aber, ohne stehenzubleiben, durch die Tür hindurchgehen. Er fühlte sich sehr bedrückt, und es verlangte ihn, möglichst schnell aus diesem Haus herauszukommen. Aber Rogoschin blieb plötzlich vor dem Bild stehen.

      »All diese Bilder hier«, sagte er, »hat mein verstorbener Vater auf Auktionen gekauft, das Stück zu einem oder zwei Rubel; er liebte so etwas. Ein Sachverständiger hat sie alle hier besichtigt; er sagte, es sei Schund; aber dieses hier, das Bild über der Tür, das ebenfalls für zwei Rubel gekauft ist, von dem sagte er, es sei kein Schund.