Название | Fjodor Dostojewski: Hauptwerke |
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Автор произведения | Fjodor Dostojewski |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754189153 |
»Ganz einfach; ich fand es unter dem Stuhl, auf dem der Rock gehangen hatte, so daß die Brieftasche offenbar aus der Tasche geglitten und auf den Fußboden gefallen war.«
»Unter dem Stuhl? Das ist doch nicht möglich; Sie haben mir ja selbst gesagt, Sie hätten in allen Ecken und Winkeln nachgesucht; wie sollten Sie denn gerade diese wichtigste Stelle nicht beachtet haben?«
»Das ist es ja eben, daß ich da gesucht habe! Daß ich das getan habe, darauf besinne ich mich ganz genau! In kauernder Stellung bin ich herumgekrochen, habe den Stuhl weggerückt und an dieser Stelle mit den Händen umhergetastet, da ich meinen eigenen Augen nicht traute: ich sah, daß nichts da war, daß der Fleck leer und glatt war, wie meine Handfläche da; aber dennoch fuhr ich fort umherzutasten. Solch ein törichtes Zweifeln an seinen eigenen Sinnen wiederholt sich immer beim Menschen, wenn er bei wichtigen, traurigen Verlusten den dringenden Wunsch hat, das Verlorene wiederzufinden: er sieht, daß nichts da und der Fleck leer ist, sieht aber doch fünfzehnmal nach ihm hin.«
»Ja, allerdings; aber wie hängt denn die Sache hier zusammen ...? Ich verstehe es gar nicht«, murmelte der Fürst ganz verwirrt. »Sie sagen, es sei zuerst nicht dagewesen und Sie hätten an dieser Stelle gesucht, aber dann sei es plötzlich doch dagewesen!«
»Ja, dann war es plötzlich doch da.«
Der Fürst sah Lebedjew mit einem sonderbaren Blick an.
»Und der General?« fragte er dann plötzlich.
»Wieso? Was ist mit dem General?« erwiderte Lebedjew, der wieder nicht verstand.
»Ach, mein Gott! Ich frage, was der General dazu sagte, als Sie die Brieftasche unter dem Stuhl wiedergefunden hatten. Sie hatten ja doch zuerst beide zusammen danach gesucht.«
»Ja, wir hatten zuerst zusammen danach gesucht. Aber ich muß bekennen, diesmal schwieg ich still und zog es vor, ihm keine Mitteilung davon zu machen, daß ich die Brieftasche bereits allein wiedergefunden hatte.«
»Aber ... warum denn das? War denn das Geld vollzählig darin?«
»Ich habe die Brieftasche geöffnet; das Geld war vollzählig darin; nicht ein einziger Rubel fehlte.«
»Aber Sie hätten doch wenigstens zu mir kommen sollen und es mir sagen«, bemerkte der Fürst nachdenklich.
»Ich fürchtete, Sie in Ihren persönlichen und vielleicht sozusagen ganz außerordentlichen Empfindungen zu stören, Fürst; zudem stellte ich mich über haupt so, als ob ich nichts gefunden hätte. Ich machte die Brieftasche auf, revidierte den Inhalt, machte sie dann wieder zu und legte sie wieder unter den Stuhl.«
»Wozu denn das?«
»Eine besondere Absicht hatte ich nicht dabei; ich war nur neugierig, was nun weiter geschehen werde«, erwiderte Lebedjew kichernd und sich die Hände reibend.
»Also liegt sie auch jetzt noch seit vorgestern da?«
»O nein; sie hat nur vierundzwanzig Stunden lang dagelegen. Sehen Sie, ich wünschte, daß auch der General sie finden möchte. Denn wenn ich sie schließlich gefunden hatte, warum sollte nicht auch der General einen Gegenstand bemerken, der unter dem Stuhl hervorsah und einem sozusagen in die Augen sprang? Ich hob diesen Stuhl zu wiederholten Malen auf und stellte ihn anders hin, so daß die Brieftasche nun ganz frei sichtbar dalag; aber der General bemerkte sie absolut nicht, und so dauerte das einen ganzen Tag lang. Er ist jetzt offenbar sehr zerstreut; man kann gar nicht aus ihm klug werden: er redet, erzählt, lacht; aber auf einmal wird er dann auf mich furchtbar böse, ich weiß nicht weshalb. Als wir schließlich einmal aus dem Zimmer gingen, ließ ich die Tür absichtlich offenstehen; er schwankte ein Weilchen, als ob er etwas sagen wollte; wahrscheinlich war er um die Brieftasche mit dem vielen Geld besorgt; aber auf einmal wurde er furchtbar zornig und sagte nichts. Wir waren auf der Straße noch nicht zwei Schritte gegangen, als er mich im Stich ließ und nach der anderen Seite hinüberging. Erst am Abend trafen wir im Wirtshaus wieder zusammen.«
»Aber schließlich haben Sie doch wohl die Brieftasche unter dem Stuhl weggenommen?«
»Nein, sie ist noch in derselben Nacht von dort verschwunden.«
»Also wo ist sie denn jetzt?«
»Hier!« erwiderte Lebedjew lachend, indem er vom Stuhl aufstand, sich ganz aufrichtete und den Fürsten vergnügt ansah. »Sie befand sich auf einmal hier, in meinem eigenen Rockflügel. Da! Sehen Sie selbst, und befühlen Sie sie!«
In der Tat hatte sich im linken Rockflügel, gerade vorn, an einer sehr sichtbaren Stelle ein ordentlicher Bausch gebildet, und beim Befühlen konnte man ohne weiteres erraten, daß sich da eine lederne Brieftasche befand, die aus der zerrissenen Tasche dort hinuntergerutscht war.
»Ich habe sie herausgenommen und revidiert: der Inhalt war vollzählig. Ich ließ sie wieder hinuntergleiten und gehe so seit gestern morgen herum; ich trage sie im Rockflügel; sie schlägt mich sogar gegen das Bein.«
»Und Sie bemerken das gar nicht?«
»Nein, ich bemerke es nicht, hehe! Und stellen Sie sich das vor, hochgeehrter Fürst (wiewohl der Gegenstand einer solchen besonderen Beachtung von Ihrer Seite nicht würdig ist): meine Taschen sind immer ganz und heil, und nun hatte diese Tasche auf einmal in einer Nacht ein solches Loch bekommen! Ich besah mir dieses Loch genauer; es macht den Eindruck, als ob es von jemand mit einem Federmesser hineingeschnitten wäre; ist das nicht beinah unglaublich?«
»Und ... der General?«
»Den ganzen Tag über war er böse, gestern und heute; er ist furchtbar verstimmt; bald ist er vergnügt und lustig und sagt mir sogar Schmeicheleien, bald ist er so gefühlvoll, daß ihm sogar die Tränen kommen, bald wieder wird er auf einmal zornig, so daß ich es sogar mit der Angst bekomme, wahrhaftig; ich bin ja doch kein Militär, Fürst. Gestern saßen wir im Wirtshaus, und mein Rockflügel stand, wie zufällig, so recht sichtbar hervor, mit der daran befindlichen Erhöhung; er schielte danach hin und ärgerte sich. Gerade in die Augen sieht er mir jetzt schon längst nicht mehr, außer wenn er sehr betrunken oder sehr gefühlvoll ist; aber gestern sah er mich ein paarmal so an, daß es mir ordentlich kalt den Rücken hinunterlief. Ich beabsichtige übrigens, morgen die Brieftasche zu finden; aber heute abend will ich noch meinen Spaß mit ihm haben.«
»Warum quälen Sie ihn so?« rief der Fürst.
»Ich quäle ihn nicht, Fürst, ich quäle ihn nicht«, erwiderte Lebedjew lebhaft. »Ich habe ihn von Herzen gern und ... schätze ihn hoch; und jetzt (Sie mögen es glauben oder nicht) ist er mir noch teurer geworden; ich schätze ihn noch höher!«
Lebedjew sagte das alles so ernst und aufrichtig, daß der Fürst geradezu empört war.
»Sie haben ihn gern und quälen ihn so! Ich bitte Sie, schon allein dadurch, daß er Ihnen den verlorenen Gegenstand so offen unter den Stuhl legte und in den Rock steckte, schon dadurch allein beweist er Ihnen deutlich, daß er Ihnen gegenüber keine List anwenden will, sondern Sie schlicht und einfach um Verzeihung bittet. Hören Sie: er bittet Sie um Verzeihung! Er hofft also auf Ihr Zartgefühl, glaubt also an Ihre freundschaftliche Gesinnung gegen ihn. Und Sie demütigen ihn dermaßen ... einen grundehrlichen Menschen!«
»Einen grundehrlichen Menschen, einen grundehrlichen Menschen, Fürst!« fiel Lebedjew mit leuchtenden Augen ein. »Und nur Sie, edelster Fürst, waren imstande, ein so gerechtes Wort auszusprechen! Darum bin ich Ihnen ja auch bis zur Vergötterung ergeben, wiewohl ich von mancherlei Lastern durchfault bin! Also abgemacht! Ich finde die Brieftasche jetzt gleich, sofort, und nicht erst morgen; da, ich ziehe sie vor Ihren Augen heraus; da ist sie; und da ist auch das ganze bare Geld; hier, nehmen Sie es, edelster Fürst, nehmen Sie es, und heben Sie es mir bis morgen auf! Morgen oder übermorgen werde ich es mir wieder zurückerbitten; wissen Sie, Fürst, es hat offenbar in der ersten Nacht, nachdem es abhanden gekommen war, in meinem Gärtchen irgendwo unter einem Stein gelegen; meinen Sie nicht auch?«
»Sagen