Название | Fjodor Dostojewski: Hauptwerke |
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Автор произведения | Fjodor Dostojewski |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754189153 |
Gegen Ende dieser Rede wurde der Fürst beinah ängstlich und setzte die Unterredung mit dem General auf den folgenden Tag zu derselben Stunde fest. Dieser ging in mutiger Stimmung weg; er fühlte sich sehr getröstet und fast beruhigt. Am Abend, zwischen sechs und sieben Uhr, ließ der Fürst Lebedjew auf einen Augenblick zu sich bitten.
Lebedjew erschien mit großer Eilfertigkeit; er hielt es für eine Ehre, wie er sofort beim Eintritt sagte; mit keiner Silbe redete er davon, daß er sich drei Tage lang gewissermaßen versteckt gehalten und offenbar eine Begegnung mit dem Fürsten vermieden hatte. Er setzte sich auf den Rand eines Stuhls, schnitt Grimassen, lächelte, kniff die lachenden, lauernden Augen zusammen, rieb sich die Hände und machte in der naivsten Weise ein Gesicht, als ob er eine sehr wichtige, längst erwartete und von allen bereits erratene Mitteilung zu hören erwartete. Dem Fürsten war das wieder peinlich; es wurde ihm klar, daß alle Leute auf einmal angefangen hatten, etwas von ihm zu erwarten, daß alle ihn unter Andeutungen, Lächeln und Augenzwinkern so anblickten, als ob sie ihm zu etwas gratulieren wollten. Keller war schon dreimal eilig herangelaufen gekommen, ebenfalls mit dem offensichtlichen Wunsch, zu gratulieren; er begann jedesmal mit enthusiastischen, unklaren Redensarten, die er aber nie zu Ende brachte, und verschwand schnell wieder. (Er hatte in den letzten Tagen angefangen, in einer Wirtschaft besonders stark zu trinken und in einem Billardlokal zu randalieren.) Selbst Kolja begann trotz seines Kummers ebenfalls ein paarmal ein unklar andeutendes Gespräch mit dem Fürsten.
Der Fürst fragte Lebedjew geradeheraus und in etwas gereiztem Ton, was er über den jetzigen Zustand des Generals denke, und warum sich dieser in solcher Unruhe befinde. Mit wenigen Worten erzählte er ihm die Szene, die am Vormittag stattgefunden hatte.
»Jeder Mensch hat seine Unruhe, Fürst, und ... besonders in unserer seltsamen, unruhigen Zeit; jawohl!« antwortete Lebedjew etwas trocken und verstummte dann gekränkt, mit der Miene eines Mannes, der sich in seinen Erwartungen arg getäuscht sieht.
»Was sprechen Sie für philosophische Gedanken aus!« sagte der Fürst lächelnd.
»Die Philosophie ist etwas Notwendiges; gerade für unser Zeitalter wäre es sehr notwendig, sie auf das praktische Leben anzuwenden; aber man schätzt diese Wissenschaft zu gering; das ist es. Ich meinerseits, hochgeehrter Fürst, bin zwar von Ihnen in einer gewissen, Ihnen bekannten Angelegenheit mit Ihrem Vertrauen beehrt worden, aber nur bis zu einem gewissen Grad und nicht weiter, als es die mit dieser einen Angelegenheit zusammenhängenden Umstände mit sich brachten ... Das begreife ich vollkommen und beklage mich in keiner Weise darüber.«
»Sie scheinen mir aus irgendeinem Grund böse zu sein, Lebedjew?«
»Ganz und gar nicht, nicht im geringsten, hochgeehrter, durchlauchtigster Fürst, nicht im geringsten!« rief Lebedjew pathetisch und legte die Hand aufs Herz. »Im Gegenteil, ich habe sofort eingesehen, daß ich weder durch meine Stellung in der Welt, noch durch Eigenschaften des Geistes und Herzens, noch durch angesammelte Reichtümer, noch durch mein früheres Benehmen, noch durch Kenntnisse, durch nichts Ihr geschätztes und meine Hoffnungen weit übersteigendes Vertrauen verdiene, und daß, wenn ich Ihnen überhaupt dienen kann, ich das nur als Sklave und Mietling vermag, nicht anders ... Ich bin nicht böse, aber traurig.«
»Aber ich bitte Sie, Lukjan Timofejewitsch!«
»Es ist nicht anders! So auch jetzt, so auch im vorliegenden Fall! Als ich jetzt zu Ihnen kam und Sie mit meinem Herzen und mit meinen Gedanken anschaute, da sagte ich zu mir: ›Freundschaftlicher Mitteilungen bin ich unwürdig; aber vielleicht kann ich in meiner Eigenschaft als Hauswirt zu gehöriger Zeit, zu dem erwarteten Termin, sozusagen eine Instruktion erhalten oder, wenn's hoch kommt, eine Benachrichtigung im Hinblick auf gewisse bevorstehende und erwartete Veränderungen ...‹«
Während Lebedjew so sprach, sog er sich mit seinen scharfen zusammengekniffenen Augen ordentlich an dem ihn erstaunt anblickenden Fürsten fest; er hoffte immer noch, seine Neugier befriedigt zu sehen.
»Ich begreife absolut nicht!« rief der Fürst beinah zornig. »Und ... Sie sind ein schrecklicher Intrigant!« fügte er, auf einmal herzlich auflachend, hinzu.
Sofort fing auch Lebedjew an zu lachen, und sein strahlender Blick ließ erkennen, daß seine Hoffnungen wieder lebendig geworden waren und sich sogar verdoppelt hatten.
»Ich werde Ihnen einmal was sagen, Lukjan Timofejewitsch. Nehmen Sie es mir nur nicht übel; aber ich wundere mich über Ihre Naivität, und nicht allein über die Ihrige! Sie erwarten gerade jetzt, gerade in diesem Augenblick von mir etwas mit solcher Naivität, daß ich mich ordentlich vor Ihnen darüber schäme, daß ich nichts mitzuteilen habe, wodurch ich Ihre Wißbegierde befriedigen könnte; aber ich schwöre Ihnen, daß absolut nichts vorliegt; können Sie sich das vorstellen?«
Der Fürst fing wieder an zu lachen.
Lebedjew nahm eine würdevolle Haltung an. Er war allerdings manchmal sehr naiv und zudringlich in seiner Neugier; aber gleichzeitig war er ein recht schlauer, geriebener Mensch und in manchen Fällen sogar von einer heimtückischen Schweigsamkeit; der Fürst hatte dadurch, daß er ihn fortwährend zurückstieß, ihn sich beinah zum Feind gemacht. Aber der Fürst stieß ihn nicht etwa deswegen zurück, weil er ihn geringgeschätzt hätte, sondern weil der Gegenstand seiner Neugier von gar zu zarter Natur war. Gewisse Zukunftsträumereien hatte der Fürst noch vor einigen Tagen gewissermaßen wie ein Verbrechen betrachtet; aber Lukjan Timofejewitsch faßte das ablehnende Verhalten des Fürsten lediglich als Widerwillen und Mißtrauen gegen ihn persönlich auf, ging in solchen Fällen mit tief verwundetem Herzen fort und war nicht nur auf Kolja und Keller, sondern auch sogar auf seine eigene Tochter Wjera Lukjanowna eifersüchtig, weil diese in vertraulicheren Beziehungen zum Fürsten standen.
Vielleicht hätte er sogar gerade in diesem Augenblick aufrichtig gewünscht, dem Fürsten eine für diesen höchst interessante Mitteilung zu machen; aber er schwieg finster und sagte nichts.
»Womit kann ich Ihnen denn nun dienen, hochgeehrter Fürst, da Sie mich doch jetzt haben rufen lassen?« fragte er endlich, nachdem das Stillschweigen eine Weile gedauert hatte.
»Ich wollte Sie eigentlich nach dem Generalfragen«, versetzte der Fürst, der sich ebenfalls einen Augenblick seinen Gedanken überlassen hatte und nun zusammenfuhr, »und wie es mit dem Diebstahl geworden ist, der bei Ihnen stattgefunden hat, und von dem Sie mir Mitteilung gemacht haben ...«
»Wie es womit geworden ist?«
»Na aber! Als ob Sie mich jetzt nicht verständen! Ach, mein Gott, was soll das nur vorstellen, Lukjan Timofejewitsch; Sie schauspielern fortwährend! Ich rede von dem Geld, von dem Geld, von den vierhundert Rubeln, die Sie damals mit der Brieftasche verloren hatten; Sie kamen an dem Morgen, ehe Sie nach Petersburg fuhren, hierher, um mir davon zu erzählen; haben Sie nun endlich verstanden?«
»Ach so, jene vierhundert Rubel meinen Sie!« erwiderte Lebedjew gedehnt, wie wenn er erst jetzt auf das Richtige käme. »Ich danke Ihnen, Fürst, für Ihre aufrichtige Teilnahme; sie ist mir sehr schmeichelhaft; aber ... ich habe das Geld wiedergefunden, schon längst.«
»Sie haben es wiedergefunden! Ach, Gott sei Dank!«
»Dieser Ausruf zeugt von Ihrer überaus edlen Denkungsart; denn vierhundert Rubel sind keine Kleinigkeit für einen armen Menschen, der von seiner schweren Arbeit leben muß und eine zahlreiche Familie